
Düsseldorf. Der Deutsche Kitaverband NRW hat das von der Landesregierung vorgestellte Eckpunktepapier zur Reform des Kinderbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (KiBiz) deutlich kritisiert. Marcus Bracht, stellvertretender Landesvorsitzender des Verbands, spricht von einer „verpassten Chance“ und einem „mutlosen Papier“, das weder den Anspruch noch die Dringlichkeit erkenne, die frühkindliche Bildung in Nordrhein-Westfalen zukunftsfest zu machen. Trotz Ankündigungen zu Entbürokratisierung, Personaloffensive und Finanzierung sieht der Verband gravierende Versäumnisse.
Bracht wirft der Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst und Familienministerin Josefine Paul vor, der frühkindlichen Bildung nicht die Bedeutung zuzumessen, die sie öffentlich betone. Das Eckpunktepapier sei, so der Verband, kein Ergebnis langfristiger Planung, sondern Ausdruck politischen Drucks. Auch die Aussage, dass gespart werden müsse – selbst im Bereich der Kinderbetreuung –, hält der Kitaverband für problematisch. Die Frage, „was wir uns leisten können“, müsse gesellschaftlich klar beantwortet werden, statt notwendige Investitionen zu vertagen.
Zwar nennt die KiBiz-Reform NRW eine Vereinfachung der Verwaltungsprozesse als Ziel, doch laut Bracht greifen die geplanten Entlastungen zu spät. Erst ab 2027 sollen Dokumentationspflichten reduziert werden. Viele Träger könnten jedoch nicht mehr so lange warten. Statt Entlastung seien in den vergangenen Jahren durch Programme wie das „Alltagshelferprogramm“ oder die Personalverordnung zusätzliche Hürden entstanden.
Auch die geplante Trennung von Hauptzeiten (Bildungszeit) und Randzeiten (Betreuungszeit) stößt auf deutliche Kritik. Diese Strukturveränderung wird von vielen Trägern als Sparmaßnahme wahrgenommen, die die pädagogische Qualität gefährdet. „Wenn Zeit zur reinen Betreuungszeit wird, ist Bildung nicht mehr durchgängig gewährleistet“, warnt der Verband.
Besonders kritisch sieht der Kitaverband die Maßnahmen zur Personalgewinnung. Zwar kündigt das Land eine Offensive in Höhe von 50 Millionen Euro an, doch die Mittel seien weder ausreichend noch zeitnah wirksam. Angesichts des akuten Fachkräftemangels brauche es sofortige und strukturelle Maßnahmen – von verbesserten Ausbildungsbedingungen bis hin zu besseren Arbeitszeiten und Vergütungen.
In der Finanzierung erkennt der Verband ebenfalls deutliche Lücken. Die geplante Überbrückungsfinanzierung decke nur acht Monate und ausschließlich den Landesanteil ab, der weniger als die Hälfte der Gesamtkosten ausmache. Der Eigenanteil der freien Träger von 7,8 Prozent bleibe unangetastet – ein Punkt, den der Verband seit Jahren kritisiert. Bracht zieht einen Vergleich: „Kein Straßenbauer müsste eigenes Geld beisteuern, um Landesstraßen zu bauen – warum gilt das in der frühkindlichen Bildung anders?“
Der Deutsche Kitaverband NRW fordert eine vollständige öffentliche Finanzierung der Kindertagesbetreuung, eine schnelle Entbürokratisierung sowie den sofortigen Start nachhaltiger Personalmaßnahmen. Andernfalls drohten freie und kirchliche Träger in eine finanzielle Schieflage zu geraten.
Auch die Bildungsgewerkschaft GEW NRW teilt Teile der Kritik: Sie befürchtet, dass die Trennung von „Betreuung“ und „Bildung“ eine Abwertung pädagogischer Arbeit darstellt und die Qualität der Kinderbetreuung gefährdet.
Die Landesregierung verweist dagegen auf eine „umfassende Reform“ und betont, dass ab 2027 jährlich 200 Millionen Euro zusätzlich für die Grundfinanzierung der Kitas zur Verfügung stehen sollen. Außerdem seien 1,5 Milliarden Euro für Investitionen im Bereich der Kindertagesbetreuung eingeplant.
Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die strukturellen Probleme im Kita-System NRWs zu lösen, bleibt jedoch umstritten – und die Debatte über das KiBiz dürfte mit dem vorgelegten Eckpunktepapier erst richtig beginnen.