
Münster. Vor dem Verwaltungsgericht Münster wird derzeit ein Fall verhandelt, der die Grenzen von Homeschooling und Schulpflicht in Nordrhein-Westfalen erneut in den Fokus rückt. Ein Elternpaar aus Vreden im Kreis Borken wehrt sich gegen mehrere Ordnungsverfügungen der Bezirksregierung Münster. Der Vorwurf: Die Eltern sollen ihre fünf schulpflichtigen Kinder über Jahre hinweg nicht an einer regulären Schule angemeldet und damit gegen die gesetzliche Schulpflicht verstoßen haben.
Nach Darstellung der Behörden haben die Eltern ihre Kinder seit dem Zuzug in den Kreis Borken im Jahr 2017 nicht an einer staatlich anerkannten Schule angemeldet. Stattdessen wurden die Kinder zu Hause unterrichtet. Nach Angaben der Eltern erfolgte der Unterricht mit Materialien und in Anbindung an die sogenannte Philadelphia-Schule, ein christlich geprägtes Hausunterrichtswerk.
Unstrittig ist jedoch, dass die Kinder keinen regulären Schulbesuch absolviert haben. Auch die Philadelphia-Schule weist öffentlich darauf hin, dass über dieses Modell die gesetzliche Schulpflicht in Deutschland nicht erfüllt wird.
Die Bezirksregierung Münster wertete das Vorgehen der Eltern als fortgesetzte Verletzung der Schulpflicht. Insgesamt wurden zehn Ordnungsverfügungen erlassen. Darin wird eine Geldzahlung in Höhe von insgesamt 3.000 Euro angedroht, falls die Eltern der Schulpflicht weiterhin nicht nachkommen.
Die Eltern legten gegen diese Bescheide Klage ein. Am Mittwoch kam es erstmals zu einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Münster. Die Eltern selbst waren nicht anwesend, sie ließen sich durch ihren Anwalt Dr. Andreas Vogt vertreten, der per Video zugeschaltet war. Die Verhandlung dauerte rund anderthalb Stunden.
In der mündlichen Verhandlung machte das Gericht deutlich, dass es den Tatbestand eines Schulpflichtverstoßes nach dem nordrhein-westfälischen Schulgesetz als erfüllt ansieht. Nach vorläufiger Einschätzung hätten die Eltern trotz wiederholter Aufforderungen ihre Pflicht nicht erfüllt, die Kinder an einer Schule anzumelden und für den regelmäßigen Besuch zu sorgen.
Auch das Vorgehen der Bezirksregierung bewertete das Gericht als verhältnismäßig. Zunächst seien mildere Mittel wie Aufforderungen eingesetzt worden, erst danach habe die Behörde zu Ordnungsverfügungen gegriffen. Zudem bestätigte das Gericht die Zuständigkeit der Bezirksregierung Münster für den Fall.
Die Elternseite brachte mehrere rechtliche Einwände vor. Unter anderem wurde auf aus Sicht der Kläger unklare oder ungewöhnliche Formulierungen im NRW-Schulgesetz verwiesen. Zudem wurde beanstandet, dass die Bescheide jeweils an beide Elternteile für jedes einzelne Kind gerichtet wurden, obwohl gemeinsames Sorgerecht bestehe.
Darüber hinaus verwies der Anwalt darauf, dass einzelne Kinder inzwischen Bildungsabschlüsse auf anderem Weg nachgeholt hätten. Zwei Kinder sollen einen Abschluss an einer Abendschule erlangt haben, ein weiteres Kind plane dies ebenfalls.
Ein Urteil ist bislang nicht gefallen. Das Verwaltungsgericht Münster kündigte an, seine Entscheidung innerhalb von etwa zwei Wochen zu verkünden. Bis dahin bleiben die Ordnungsverfügungen wirksam. Der Fall war bereits zuvor in der Terminvorschau des Gerichts angekündigt worden, frühere Verhandlungstermine waren jedoch wieder aufgehoben worden.
Unabhängig vom konkreten Ausgang bestätigt der Fall erneut die strenge Auslegung der Schulpflicht in Deutschland. Homeschooling ist in NRW nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig und setzt eine Entscheidung der Schulaufsicht voraus. Die grundsätzliche Ausgestaltung der Schulbesuchspflicht wurde in vergleichbaren Fällen auch von höchsten Gerichten bestätigt.