
Münster. Vor dem Landgericht Münster beginnt heute am 28. Juli 2025 ein aufsehenerregendes Strafverfahren. Sieben Männer zwischen 24 und 52 Jahren stehen wegen des gewerbsmäßigen Anbaus und Handels mit insgesamt 600 Kilogramm Marihuana vor Gericht. Die Ermittler werfen ihnen vor, in vier Einfamilienhäusern professionelle Indoor-Plantagen betrieben und ein kriminelles Netzwerk aufgebaut zu haben. Das Gerichtsverfahren um die Cannabis-Plantage am Landgericht Münster gilt als einer der größten Drogenprozesse der letzten Jahre in Nordrhein-Westfalen.
Der Fall begann mit einem anonymen Hinweis im Oktober 2024. Anwohner in Rheine meldeten verdächtige Fahrzeuge und starken Geruch aus einem Wohnhaus. Die Polizei entdeckte dort rund 700 geerntete Pflanzen – der Beginn umfangreicher Ermittlungen. Am 30. Januar 2025 folgte eine koordinierte Razzia in Rheine, Greven und Leverkusen. Insgesamt wurden 3.400 Pflanzen, 300 Kilogramm verkaufsfertiges Cannabis, Bargeld im fünfstelligen Bereich und eine scharfe Schusswaffe sichergestellt. Sieben der zehn Festgenommenen befinden sich bis heute in Untersuchungshaft.
Die Plantagen waren perfekt organisiert. Fenster wurden abgedichtet, Dämmmaterialien verbaut, professionelle Belüftungssysteme mit Geruchsfiltern installiert. Die Täter zapften illegal Strom ab, um die enormen Verbräuche von bis zu 25.000 Kilowattstunden pro Monat zu verschleiern. Verpackt wurde das Marihuana in Kellerräumen. Die Auslieferung erfolgte mit unauffälligen Fahrzeugen über kurze Strecken, um Autobahnkontrollen zu vermeiden. Eine der größten Anlagen befand sich in Greven mit über 1.800 Pflanzen – laut Polizei NRW eine der größten Indoor-Plantagen der letzten zwei Jahre.
Besonders brisant: Einer der Angeklagten soll zusätzlich 22 Kilogramm Cannabis aus Spanien importiert und 28 weitere Kilogramm bei einem unbekannten Kontakt nachgeordert haben. Diese Mengen gehen über die bereits dokumentierte Produktion hinaus und belasten die Gruppe zusätzlich.
Trotz Teillegalisierung bleibt der gewerbliche Anbau ohne Genehmigung verboten. Laut Konsumcannabisgesetz (§§ 34, 35 KCanG) drohen bei bandenmäßiger und gewerbsmäßiger Herstellung nicht unter zwei Jahren Freiheitsstrafe. Auch das alte Betäubungsmittelgesetz (§§ 29a, 30 BtMG) greift weiterhin bei extremen Mengen. Bei Schuldspruch erwartet die Haupttäter eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und zehn Jahren. Gehilfen könnten mit drei bis sechs Jahren rechnen. Der Waffenfund und das organisierte Vorgehen wirken zusätzlich strafverschärfend.
Die Hauptverhandlung läuft über zehn Sitzungstage bis zum 19. September 2025. Das Urteil wird Ende September erwartet. Sachverständige analysieren derzeit den THC-Gehalt der sichergestellten Ware – entscheidend für die strafrechtliche Bewertung. Zudem werden verdeckte Ermittler als Zeugen aussagen und Chatverläufe beschlagnahmter Smartphones ausgewertet. Auch EncroChat-Daten könnten bei der Beweisführung eine Rolle spielen.
Die Strafkammer in Münster hat bereits im Jahr 2024 einen überregionalen Amphetamin-Großhändler zu neun Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die jetzt verhandelten Mengen Cannabis sind in ihrer Dimension ähnlich. Beobachter erwarten daher vergleichbare Strafhöhen – insbesondere, weil hier zusätzlich Waffen im Spiel sind.
Die Staatsanwaltschaft bewertet den Marktwert der 600 Kilogramm Cannabis konservativ mit 1,8 Millionen Euro. Auf dem Schwarzmarkt liegt der Preis aber oft zwischen sechs und zehn Euro pro Gramm – was einem potenziellen Erlös von bis zu sechs Millionen Euro entspräche. Die legale Versorgung über Cannabis-Clubs ist aktuell noch stark eingeschränkt, was illegale Angebote weiterhin lukrativ macht.
Laut Polizei NRW steht hinter dem Netzwerk eine albanische Tätergruppe mit lokalen Helfern für Pflege, Ernte und Logistik. Derartige Strukturen finden sich seit Jahren in den OK-Lagebildern des Bundeskriminalamts. Der Fall belegt einmal mehr, dass es sich bei solchen Plantagen nicht um spontane Einzeltaten, sondern um hochprofessionelle Systeme handelt.