
Münster/AI. Ein früherer IS-Kämpfer wehrt sich vor dem Verwaltungsgericht (VG) Münster gegen seine geplante Abschiebung nach Tadschikistan. Der 39-jährige Tadschike Mukhammadsaid S., der unter dem Kampfnamen „Abu Said“ bekannt wurde, war 2017 wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation Islamischer Staat vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Obwohl er seine Strafe vollständig verbüßt hat, gilt er weiterhin als Gefährder – und steht im Zentrum einer rechtlich und politisch hochbrisanten Auseinandersetzung.
Nach seiner Haftentlassung wurde Mukhammadsaid S. vom Kreis Warendorf als Gefährder eingestuft und zur Ausreise aufgefordert. Der Mann hält sich jedoch weiterhin in Deutschland auf. Er muss sich regelmäßig bei der Ausländerbehörde melden, bleibt jedoch auf freiem Fuß. Ein drastischer Zwischenfall ereignete sich am 24. Februar 2025: Als S. in Abschiebehaft genommen werden sollte, verschanzt er sich mit einem Cuttermesser in der Polizeiwache Oelde. Erst nach rund drei Stunden beendete ein SEK-Einsatz die Eskalation.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte die geplante Abschiebung am 27. Februar 2025 im Eilverfahren gestoppt. Grund: In Tadschikistan sei Folter nicht auszuschließen. Diese Einschätzung stützt sich auf aktuelle Berichte, etwa von Human Rights Watch, die von Repressionen, willkürlichen Verhaftungen und Misshandlungen berichten. Für August 2025 ist nun das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Münster angesetzt. Der genaue Termin wurde noch nicht veröffentlicht.
Im Raum steht ein zentraler Zielkonflikt: Einerseits das Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit, andererseits das völkerrechtlich garantierte Folterverbot. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf niemand abgeschoben werden, wenn ihm Folter droht. Das VG Gelsenkirchen urteilte bereits 2024 in einem ähnlichen Fall, dass Tadschikistan gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße. Zwar erlaubt Artikel 33 Absatz 2 der Genfer Flüchtlingskonvention Ausnahmen bei Gefährdern. Doch das absolute Folterverbot hat rechtlich Vorrang.
Landrat Olaf Gericke (CDU) forderte bereits im April 2025 in einem offenen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock belastbare diplomatische Zusagen aus Tadschikistan. Ziel ist es, eine rechtskonforme Rückführung zu ermöglichen. Sollte das Verwaltungsgericht Münster keine neuen Garantien erhalten, droht ein dauerhafter Abschiebungsstopp. Alternativen wären eine Duldung mit Meldepflichten, Aufenthaltsauflagen oder elektronische Fußfesseln.
Der Fall offenbart die rechtlichen Grenzen deutscher Sicherheitsbehörden im Umgang mit Rückkehrern aus islamistischen Kampfgebieten. Eine Abschiebung kann nur erfolgen, wenn Tadschikistan glaubwürdige Zusicherungen gegen Folter vorlegt – was bislang nicht geschehen ist. Damit steht das Verwaltungsgericht Münster vor einer schwierigen Entscheidung, die bundesweite Signalwirkung entfalten könnte.