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Macht, Pferde, Prestige: Das steckt hinter dem neuen Namen „Al Shira’aa Turnier der Sieger“

Das Al Shira’aa Turnier der Sieger in Münster 2025: Hintergründe zum Engagement der Herrscherfamilie aus Abu Dhabi, Kritik am Distanzreiten, Dressur und mögliche Machtambitionen.
Foto: TheOtherKev

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Münster. Das Turnier der Sieger gehört seit Jahrzehnten zu den festen Größen im deutschen Reitsportkalender. Jedes Jahr zieht es Tausende Besucherinnen und Besucher auf den Schlossplatz in Münster, wo Spring- und Dressurprüfungen vor historischer Kulisse stattfinden. 2025 trägt das Turnier jedoch erstmals einen neuen Namen: Al Shira’aa Turnier der Sieger. Damit tritt ein Sponsor auf den Plan, der nicht nur Geld mitbringt, sondern auch Fragen aufwirft. Hinter Al Shira’aa steht die Herrscherfamilie Al Nahyan aus Abu Dhabi. Sie investiert seit Jahren große Summen in den Pferdesport weltweit – von Europa über den Nahen Osten bis nach Großbritannien. Münster ist nun Teil dieser internationalen Strategie.

Für viele Reitsportfreunde ist das eine erfreuliche Nachricht: Sponsoren aus Abu Dhabi sichern den Fortbestand traditionsreicher Turniere, die sonst womöglich finanzielle Schwierigkeiten hätten. Doch andere fragen: Wird der deutsche Pferdesport abhängig von Geldgebern aus dem Ausland? Und welche Absichten stehen hinter dem Engagement, das in so kurzer Zeit enorme Reichweite gewonnen hat?

Turnier der Sieger: Wer steckt hinter Al Shira’aa?

Gegründet wurde Al Shira’aa von Sheikha Fatima bint Hazza Al Nahyan, Enkelin des Staatsgründers der Vereinigten Arabischen Emirate und Nichte des heutigen Herrschers von Abu Dhabi. Sie beschreibt sich selbst als leidenschaftliche Reiterin, die den Pferdesport nicht nur als Wettkampf, sondern als kulturelles Erbe begreift.

Ihr Projekt umfasst Ställe, Gestüte und Zuchtzentren in mehreren Ländern. In Spanien liegt der Fokus auf der Zucht, in Irland auf der Ausbildung, in Großbritannien auf der Dressur. Ergänzt wird dieses Netzwerk durch Sponsoring hochkarätiger Turniere. Sheikha Fatima betont regelmäßig, dass ihr Ziel der Schutz von Tradition und das Wohl der Pferde sei – ein Anspruch, der angesichts früherer Skandale im arabischen Pferdesport besonders kritisch geprüft wird.

Engagement in Deutschland: Münster, Hamburg und Warendorf

Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Schwerpunkt von Al Shira’aas Engagement entwickelt. Neben dem Al Shira’aa Turnier der Sieger in Münster tritt die Initiative auch beim Hamburger Spring- und Dressur-Derby auf, das seit 1920 ausgetragen wird. Nach dem Rückzug des Sponsors Darboven sprang Al Shira’aa ein – rund 600.000 Euro jährlich sollen den Fortbestand sichern.

Noch größer war die Erleichterung in Warendorf: Das Bundeschampionat, wichtigste Nachwuchsveranstaltung im deutschen Pferdesport, stand finanziell auf der Kippe. Seit 2025 ist Al Shira’aa Titelsponsor und Sheikha Fatima Ehrenpräsidentin. FN-Präsident Martin Richenhagen sprach von einer „Rettung des Kulturguts Pferd“. Kritiker halten dagegen: Wer mehrere zentrale Turniere mit Millionen absichert, baut zwangsläufig Einfluss auf.

Distanzreiten: Von Erfolgen zu Skandalen

Die Wurzeln der Familie Al Nahyan liegen im Distanzreiten, das in den Emiraten Nationalsport ist. Über Jahrzehnte feierten Mitglieder große Erfolge, doch wiederholt wurden Siege durch Dopingfälle überschattet. Besonders Sheikh Hazza bin Sultan Al Nahyan sorgte 2005 und 2012 für Skandale, als seine Titel wegen verbotener Medikation aberkannt wurden.

Diese Vorfälle verdeutlichen ein grundsätzliches Problem: Distanzreiten steht weltweit in der Kritik. Pferde müssen bis zu 160 Kilometer an einem Tag zurücklegen, was oft zu Dehydrierung, Lahmheiten oder sogar Todesfällen führt. Tierschutzorganisationen werfen der Disziplin systematische Überforderung der Tiere vor – ein Vorwurf, der in den Golfstaaten besonders scharf erhoben wird.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass Al Shira’aa heute den Schwerpunkt auf Springen und Dressur legt. Sheikha Fatima grenzt sich klar von den Skandalen ab, betont „Clean Sport“ und pferdefreundliche Ausbildung. Kritiker sehen darin jedoch auch den Versuch, das beschädigte Image durch Engagement in prestigeträchtigeren Disziplinen aufzupolieren.

Dressursport: Zwischen Faszination und Kritik

Doch auch die Dressur, auf die Sheikha Fatima setzt, ist nicht frei von Kritik. Besonders die Rollkur – eine extreme Beugung des Pferdehalses – gilt als tierschutzwidrig. Studien, zuletzt 2024 im Fachmagazin Nature, belegten, dass die Methode Schmerzen und gesundheitliche Schäden verursacht.

Al Shira’aa versucht, hier bewusst ein anderes Bild zu zeichnen. In den eigenen Ställen steht abwechslungsreiches Training auf dem Plan: Ausritte, Cavaletti-Arbeit und ausreichend Ruhezeiten. Pferde sollen langfristig aufgebaut werden, nicht durch Druck. Damit positioniert sich Sheikha Fatima als Botschafterin eines pferdefreundlichen Dressursports – eine Haltung, die in Europa Sympathien weckt, aber zugleich den Verdacht nährt, es handele sich auch um gezielte Imagepolitik.

Sportswashing oder echte Leidenschaft?

Dass Al Shira’aa nicht überall willkommen ist, zeigte 2025 das Beispiel Schweden. Die geplante Partnerschaft mit der Falsterbo Horse Show scheiterte an massiven Protesten. Kritiker warfen „Sportswashing“ vor – also den Versuch, das Image der Emirate über den Pferdesport zu verbessern. Unter Drohungen und Anfeindungen zog sich Al Shira’aa zurück.

Auch in Deutschland wird diese Debatte geführt, wenn auch leiser. Das die Reaktionen in Deutschland bisher weniger kritisch ausfallen liegt wohl auch daran, dass hier wichtige Veranstaltungen ohne diese Gelder kaum überleben würden. Doch die Frage bleibt: Geht es wirklich um den Erhalt des Sports oder auch um politische Einflussnahme?

Verbindung zur FN und Machtfragen

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) steht im Zentrum dieser Diskussion. Offiziell ist Al Shira’aa lediglich ein externer Partner der FN und in keinem Gremium vertreten. Doch die enge Kooperation, etwa beim Bundeschampionat in Warendorf, das 2025 erstmals den Namenszusatz „Al Shira’aa“ trägt, zeigt, wie stark die FN inzwischen von diesem Sponsoring profitiert. Ohne die Millionen aus Abu Dhabi wäre die wichtigste Nachwuchsveranstaltung im deutschen Pferdesport kaum zu halten gewesen. Kritiker warnen daher vor einer schleichenden Abhängigkeit: Wer zentrale Turniere finanziert, hat automatisch auch Einfluss – selbst wenn dieser nicht offiziell ist.

Genau darin sehen Beobachter langfristige Machtfragen. Schon einmal stand mit Prinzessin Haya von Jordanien eine arabische Royal an der Spitze des Weltreiterverbandes FEI (2006–2014). Sheikha Fatima dementiert zwar Ambitionen, doch ihr wachsender Einfluss nährt Spekulationen über eine mögliche Kandidatur in der Zukunft. Denn jede Föderation, die von Al Shira’aas Engagement profitiert, könnte bei Abstimmungen im FEI wohlwollend reagieren. Für die FN bedeutet das ein Spannungsfeld: Einerseits rettet das Sponsoring traditionsreiche Turniere, andererseits wirft es die Frage auf, wie unabhängig der deutsche Pferdesport bleibt. Schon jetzt gilt Sheikha Fatima als Machtfaktor im internationalen Reitsport – ganz ohne offizielles Amt.

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