
Eine neue Analyse des Vereins Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) sorgt bundesweit für Aufsehen. Zum ersten Mal hat die Organisation detailliert aufgeführt, in welchen Einrichtungen in Deutschland Affen in Tierversuchen eingesetzt werden. Besonders in den Blickpunkt rückt dabei Münster: Nach Einschätzung der NGO betreibt der internationale Konzern Labcorp hier das größte Affenlabor Deutschlands. Jahr für Jahr würden in Münster weit über tausend Javaneraffen und zahlreiche Weißbüscheläffchen für regulatorische Tests eingesetzt. Offizielle Behördenzahlen zu einzelnen Laboren gibt es zwar nicht, doch die NGO bewertet Münster als traurige Spitzenreiter-Stadt.
Die Analyse nennt insgesamt 14 Einrichtungen in acht Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen sticht Münster besonders hervor. Während an anderen Standorten vergleichsweise kleinere Zahlen von Affen eingesetzt werden, ist Labcorp Münster nach Angaben von ÄgT der Standort mit dem größten Verbrauch. Zahlen aus einer Informationsfreiheitsanfrage an das NRW-Ministerium untermauern diese Einschätzung: 2022 waren in Münster über 1.800 Javaneraffen gemeldet, 2023 rund 1.360. Für 2025 liegt die Zahl bei 1.359 Tieren dieser Art sowie 199 Weißbüscheläffchen. Damit entfallen fast 85 Prozent aller in Deutschland eingesetzten Affen auf Nordrhein-Westfalen – mit Münster als Zentrum.
Besonders kritisiert werden sogenannte Reproduktions- und Entwicklungstests (DART), bei denen schwangeren Affen potenziell giftige Substanzen verabreicht werden. Diese Verfahren gelten als besonders belastend und werfen nach Ansicht von Tierschutzorganisationen massive ethische Fragen auf.
Die offizielle Bundesstatistik weist jährlich zwischen 1.700 und 3.500 eingesetzte Affen aus, nennt jedoch keine Standorte. Nach Einschätzung von ÄgT bleibt damit ein großer Teil der Realität unsichtbar. Viele Affen würden in sogenannten „kontinuierlichen Versuchen“ über Jahre hinweg eingesetzt und tauchten in den Statistiken nicht auf. Das betrifft laut der NGO auch Einrichtungen in Bremen, wo seit Jahrzehnten Affenhirnforschung betrieben wird. Diese Intransparenz mache es für die Öffentlichkeit nahezu unmöglich, das tatsächliche Ausmaß der Tierversuche zu erfassen.
Dr. Corina Gericke, Tierärztin und Vizevorsitzende von ÄgT, kritisiert die Zustände scharf: „Unsere Analyse zeigt das Ausmaß des Leids von Affen in deutschen Laboren. Es ist erschütternd, dass unsere nächsten Verwandten oftmals über Jahrzehnte hinweg in Experimenten gequält werden. Zudem haben die Ergebnisse keinerlei Nutzen für den Menschen.“
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Neben Münster finden sich weitere Schwerpunkte in anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg sind gleich vier Einrichtungen aktiv, darunter drei in Tübingen, die für ihre Affenhirnforschung bekannt sind. In Hessen werden Affen am Ernst Strüngmann Institut in Frankfurt, an der Universität Marburg und am Paul-Ehrlich-Institut in Langen genutzt. Außerdem gibt es Affenlabore in Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Eingesetzt werden neben Javaneraffen auch Rhesusaffen, Totenkopfäffchen, Grüne Meerkatzen und Paviane. Dass gerade Javaneraffen, eine vom Aussterben bedrohte Art, am häufigsten betroffen sind, sorgt bei Tierschutzorganisationen für besondere Empörung.
Auch in Münster gibt es neben Labcorp einen zweiten Standort: Das Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) der Universität Münster setzt Affen in der Grundlagenforschung ein. Dort werden vor allem Weißbüscheläffchen für Studien zur Reproduktionsmedizin genutzt, unter anderem bei Transplantationsexperimenten von Hodengewebe. Die Zahl der eingesetzten Tiere ist dort deutlich geringer, zeigt aber, dass Münster nicht nur in der Auftragsforschung, sondern auch in der akademischen Forschung auf Affenversuche setzt.
ÄgT betont, dass Affenversuche nicht nur grausam, sondern auch wissenschaftlich fragwürdig seien. Stattdessen setzt sich der Verein für humanbasierte Forschung ein. Dazu zählen moderne Methoden wie menschliche Zellkulturen, Mini-Organe oder Multi-Organ-Chips, die nach Einschätzung vieler Experten zuverlässigere und ethisch vertretbare Ergebnisse liefern könnten. Auch eine stärkere Prävention von Krankheiten sei notwendig, um Tierversuche langfristig vollständig zu ersetzen.
Zum Welttierschutztag am 4. Oktober verstärkt die NGO ihren Appell an Politik und Gesellschaft. Gemeinsam mit PETA wurde eine Bundestagspetition gestartet, die noch bis zum 20. Oktober 2025 läuft. Ziel ist es, mindestens 30.000 Unterschriften zu sammeln. Wird diese Hürde erreicht, muss sich der Bundestag offiziell mit den Forderungen nach einem Ende von Affenversuchen befassen. Dr. Gericke ruft die Bevölkerung eindringlich zur Teilnahme auf: „Ihre Unterschrift zählt. Bitte unterstützen Sie die Petition.“