
Münster. Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen warnt vor einem massiven Versorgungsmangel in Alten- und Pflegeheimen. Nach einer aktuellen Datenauswertung gehört Münster zu den zehn Städten in Nordrhein-Westfalen, die besonders stark vom bevorstehenden Fachkräftemangel betroffen sind. Im landesweiten Vergleich liegt Münster auf Platz 9.
Laut Pflegekammer sind in der stationären Langzeitpflege nur rund acht Prozent der Beschäftigten zwischen 19 und 30 Jahren alt, während mehr als 41 Prozent bereits das 55. Lebensjahr überschritten haben. Damit droht der Stadt innerhalb weniger Jahre ein erheblicher Personalverlust: Rund vier von zehn Pflegefachpersonen werden voraussichtlich bald in Rente gehen. Nachwuchs komme dagegen nur in geringem Maß nach, heißt es in der Analyse.
Die Ergebnisse basieren auf dem neuen landesweiten Pflegefachpersonen-Register, das die Pflegekammer NRW seit Ende 2022 führt. Erstmals ermöglicht es eine flächendeckende Einschätzung der Altersstruktur in der stationären Pflege. An der Spitze der Rangliste stehen Bochum, Soest und Minden-Lübbecke – Münster liegt im Mittelfeld, aber deutlich im Bereich der besonders betroffenen Regionen.
Landesweit ist der Anteil älterer Pflegekräfte deutlich höher als der jüngeren Kolleginnen und Kollegen. In zahlreichen Regionen liegt der Unterschied bei über 30 Prozentpunkten. Besonders betroffen sind stationäre Einrichtungen, die auf kontinuierliche Personalbesetzung angewiesen sind.
Für Münster bedeutet das: Schon in wenigen Jahren werden viele erfahrene Pflegekräfte altersbedingt ausscheiden. Laut Pflegekammer droht dadurch ein spürbarer Engpass, weil gleichzeitig zu wenig Nachwuchs aus der Ausbildung in den Beruf wechselt. Die Kammer betont, dass dieser Mangel nicht erst in ferner Zukunft spürbar werde, sondern sich bereits in den nächsten fünf Jahren deutlich auswirken könne.
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Auch auf kommunaler Ebene sei Handlungsbedarf vorhanden. Die Stadt müsse die demografische Entwicklung im Pflegebereich stärker in ihre Gesundheits- und Sozialplanung einbeziehen. Fachleute fordern, Pflegeberufe attraktiver zu gestalten und berufliche Übergänge zu erleichtern, um den drohenden Engpass abzufedern.
Zusätzlich zur Überalterung der Pflegeberufe verweist die Pflegekammer auf den wachsenden Bedarf an Pflegeleistungen. Schon 2023 lebten in Nordrhein-Westfalen rund 1,38 Millionen Pflegebedürftige – fast acht Prozent der Bevölkerung. Damit liegt der Anteil doppelt so hoch wie in Bayern. Nach Zahlen von IT.NRW ist die Zahl der Pflegeversicherten seit 2013 um rund 137 Prozent gestiegen.
Dieser Trend dürfte sich fortsetzen und auch Münster betreffen. Ohne mehr Fachkräfte drohen längere Wartezeiten, höhere Arbeitsbelastung und eine Schwächung der pflegerischen Versorgung. Die Pflegekammer fordert deshalb, die ambulante Pflege auszubauen und die sogenannte Quartierspflege zu fördern, bei der Nachbarn und Angehörige stärker eingebunden werden. Außerdem sollen regionale Gremien mit Vertreterinnen und Vertretern der Pflegepraxis geschaffen werden, um Erfahrungen aus dem Berufsalltag in politische Entscheidungen einfließen zu lassen.
Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen wurde Ende 2022 gegründet und ist mit mehr als 220 000 Mitgliedern die größte Heilberufskammer Deutschlands. Präsidentin ist Sandra Postel, Vizepräsident Jens Albrecht. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts vertritt sie die beruflichen Interessen der Pflegefachpersonen, legt Berufsnormen fest und wirkt in landesweiten Ausschüssen mit.
Dank des neu aufgebauten Registers über alle Pflegefachpersonen verfügt das Land erstmals über verlässliche Daten zur Alters- und Beschäftigungsstruktur. Die Pflegekammer will diese Erkenntnisse nutzen, um Politik und Kommunen frühzeitig auf Versorgungsrisiken aufmerksam zu machen – auch in Münster, wo die Belastung in der stationären Pflege bereits deutlich spürbar ist.