Provinzial Logo
Consident.de

Streit um Straßennamen in Münster-Mitte: Bezirksvertretung beschließt Umbenennung

In Münster-Mitte spitzt sich der Streit um Straßenumbenennungen mit dem Beschluss der Bezirksvertretung zu.
Symbolbild

Teilen:

Im Streit um Straßenumbenennungen in Münster-Mitte hat die Bezirksvertretung Mitte am 6. Mai 2025 eine Entscheidung getroffen. Trotz kontroverser Debatten und Protesten aus der Bevölkerung beschloss die lokale Politik, mehrere historisch belastete Straßennamen im Stadtbezirk umzubenennen. Damit erreicht die Auseinandersetzung um die Straßennamen in Münster-Mitte einen neuen Höhepunkt, da nun ein Bürgerbegehren gegen diesen Beschluss vorbereitet wird.

Beschluss im Streit um Straßenumbenennungen in Münster-Mitte

In der Sitzung vom 6. Mai 2025 sprach sich die Bezirksvertretung Münster-Mitte mehrheitlich für die Umbenennung von mehreren Straßen aus der NS-Zeit aus. Die Fraktionen von Grünen, SPD und Volt stimmten – unterstützt von der Linken – dafür, die Stadtverwaltung mit der Änderung der betreffenden Straßennamen zu beauftragen. Konkret sollen die Admiral-Scheer-Straße, Admiral-Spee-Straße, Otto-Weddigen-Straße und Skagerrakstraße umbenannt werden, da diese Straßennamen als „aus der Nazizeit belastet“ gelten. Auch die Langemarckstraße ist betroffen – hier soll das historische „c“ im Namen gestrichen werden (künftig „Langemarkstraße“).

Nicht alle diskutierten Straßennamen werden jedoch geändert. Die Tannenbergstraße und Prinz-Eugen-Straße bleiben nach dem Beschluss erhalten. Diese beiden Namen standen zwar ebenfalls zur Debatte, doch fand sich dafür keine politische Mehrheit. „Wir sind davon überzeugt, dass die Umbenennung nationalsozialistisch belasteter Straßennamen nach langer Diskussion und Bürgerbeteiligung ein notwendiger Schritt ist, um Verantwortung für unsere Geschichte zu übernehmen“, begründete Münsters Grünen-Sprecher Jörg Rostek die Entscheidung. Aus Sicht der Befürworter ist die Bereinigung des Straßenbildes ein wichtiger Akt der historischen Aufarbeitung und Distanzierung von NS-Ideologie.

Der Beschluss fiel gegen den Rat der Stadtverwaltung, die zuvor empfohlen hatte, keine Änderungen vorzunehmen. Die Verwaltung hatte einen umfassenden Bericht zu den betreffenden Straßen erstellt und anhand städtischer Leitlinien keine zwingende Notwendigkeit für Umbenennungen gesehen. Unterstützung erhielt sie dabei von der oppositionellen CDU: So erklärte Münsters CDU-Oberbürgermeisterkandidat Georg Lunemann bereits im Vorfeld, die Verwaltung habe „saubere Arbeit geleistet“ und man solle den Straßennamenwechsel unterlassen. Auch die CDU-Ratsfraktion positionierte sich deutlich gegen eine „umstrittene Umbenennungswelle“ und forderte, keine Entscheidung „über die Köpfe der betroffenen Anlieger hinweg“ zu treffen. CDU-Fraktionschef Stefan Weber betonte etwa, es gebe „keine Notwendigkeit“ für derartige Änderungen. Sein Parteikollege Stefan Leschniok warnte, das erneute Aufrollen der Straßennamen-Debatte habe die „Büchse der Pandora“ geöffnet – ein Hinweis darauf, wie emotional aufgeladen das Thema in Münster ist.

Bürgerinitiative „Stoppt Umbenennungen“ will Bürgerbegehren erzwingen

Der Beschluss der Bezirksvertretung hat umgehend Gegenreaktionen in der Bürgerschaft ausgelöst. Die neu gegründete Bürgerinitiative „Stoppt Umbenennungen“ – die sich formal „Bürgerinitiative für Münsters Straßen“ nennt – kündigte an, ein Bürgerbegehren gegen die Entscheidung auf den Weg zu bringen. Dazu müssen zunächst rund 6.000 Unterschriften von wahlberechtigten Münsteraner:innen gesammelt werden. Bereits im Vorfeld hatten die Gegner der Straßenumbenennungen mit einer Online-Petition versucht, den politischen Druck zu erhöhen. Diese Petition zum Erhalt der historischen Straßennamen fand innerhalb weniger Wochen großen Zuspruch: Anfang April 2025 lagen bereits über 1.600 Unterschriften vor, und aktuell (Anfang Mai) nähert sich die Unterstützerzahl der 2.000-Marke. Die Initiatoren sehen darin ein deutliches Signal, dass viele Münsteraner – insbesondere Anwohner der betroffenen Straßen – ihr Anliegen teilen.

Straßenumbenennungen in Münster: Die Argumente der Gegner

Die Bürgerinitiative und ihre Unterstützer führen mehrere Gründe an, warum die Umbenennungen gestoppt werden sollten. Zu den zentralen Punkten gehören:

  • Kosten: Eine Straßenumbenennung verursacht erhebliche Kosten – von neuen Schildern bis zum Verwaltungsaufwand. Steuergelder sollten aus Sicht der Initiative lieber für dringendere lokale Herausforderungen eingesetzt werden, statt für aus ihrer Sicht unnötige Symbolpolitik.

  • Bürokratie: Mit den neuen Straßennamen geht ein hoher bürokratischer Aufwand einher. Anwohner müssten ihre Ausweisdokumente und Adressdaten ändern lassen, Unternehmen Briefpapier und Websites anpassen. Zahlreiche öffentliche und private Stellen wären zu informieren, was Zeit und Ressourcen bindet.

  • Identitätsverlust: Viele Anwohner fühlen eine enge Bindung an ihren Straßennamen. Eine von „oben“ verordnete Änderung ruft bei langjährigen Bewohnern Gefühle der Entwurzelung hervor. Die vertraute Adresse ist Teil der eigenen Identität, argumentiert die Initiative, und ein abruptes Tilgen historischer Namen zerstöre ein Stück dieser gewachsenen Identität.

  • Erinnerungskultur: Statt Straßennamen aus dem Stadtbild zu entfernen, plädieren die Umbenennungsgegner für einen aufklärenden Umgang mit der Geschichte. Die fraglichen Namen – wie etwa Skagerrak oder Tannenberg – beziehen sich auf Orte und Personen der deutschen Geschichte, die nicht unmittelbar mit dem Nationalsozialismus in Verbindung stehen. Eine Umbenennung käme einer „Umschreibung der Geschichte“ gleich, so ihr Tenor. Besser sei es, durch Zusatzschilder oder Bildungsarbeit den historischen Kontext der Straßennamen zu erläutern, anstatt sie einfach zu tilgen.

  • Demokratieverständnis: Die Bürgerinitiative kritisiert zudem das Vorgehen der Politik. Nach der umstrittenen Umbenennung des Hindenburgplatzes in Schlossplatz im Jahr 2012 habe ein parteiübergreifender Konsens gegolten, dieses Thema nicht weiter zu verfolgen. Dass nun doch erneut Straßen umbenannt werden sollen, sehen die Kritiker als Wortbruch und als Ignorieren des Bürgerwillens. Sie pochen auf mehr direkte Mitbestimmung – notfalls per Bürgerentscheid.

Befürworter der Umbenennung: Verantwortung für die Geschichte

Auf der anderen Seite halten die Befürworter der Straßenumbenennungen in Münster den Schritt für längst überfällig. Auslöser der aktuellen Initiative war ein städtischer Bericht aus dem Jahr 2022, der mehrere Straßen im Bezirk Mitte als historisch belastet einstufte. So tragen etwa Admiral-Scheer-Straße, Admiral-Spee-Straße oder Langemarckstraße eindeutig die Handschrift der NS-Zeit. Die rot-grün-violette Ratsmehrheit (Grüne, SPD, Volt) hatte diesen Prüfprozess angestoßen und sieht es als ihre Pflicht, Straßen mit direktem NS-Bezug oder propagandistischer Funktion umzubenennen. In ihren Augen ist es ein Zeichen verantwortungsbewusster Erinnerungspolitik, solche Namen aus dem heutigen Stadtbild zu entfernen. Die berechtigten Interessen der Anwohner habe man zwar angehört, am Ende müsse jedoch „eine Abwägung erfolgen, bei der die historischen Gutachten und der Bildungsauftrag berücksichtigt werden“, argumentieren Vertreter der Ampel-Koalition. Das heißt: Das allgemeine Interesse an einer kritischen Aufarbeitung der Stadtgeschichte wiegt für sie schwerer als die Komfortzone einzelner Straßenzüge.

Auch viele Historiker und Teile der Stadtgesellschaft unterstützen den Kurs der Bezirksvertretung. Sie verweisen darauf, dass Münster mit der Umbenennung ein Zeichen setzt, sich von der NS-Ideologie zu distanzieren und Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen. Die Gegen-Petition der Bürgerinitiative wird von diesen Stimmen als rückwärtsgewandt kritisiert – schließlich wolle sie an Namen festhalten, die erst während der NS-Herrschaft eingeführt wurden. „Vergangenheit darf nicht ausradiert – sie muss erklärt werden“, lautet zwar das Motto der Initiative, doch die Befürworter entgegnen, dass Erklären und Umbenennen einander nicht ausschließen. Vielmehr könne durch neue, unbelastete Straßennamen in Kombination mit Gedenktafeln ein konstruktiverer Umgang mit der Geschichte erreicht werden, der weder verdrängt noch verherrlicht.

Ausblick: Mögliche nächste Schritte

Der Streit um Straßenumbenennungen in Münster-Mitte ist mit dem BV-Beschluss vom 6. Mai noch lange nicht beendet. In den kommenden Monaten wird die Stadtverwaltung nun Ersatznamen für die umzubenennenden Straßen suchen. Bürgerinnen und Bürger – insbesondere die direkten Anwohner – sollen dabei Vorschläge einbringen können, um eine breite Akzeptanz für die neuen Namen zu erreichen. Erst wenn passende neue Bezeichnungen gefunden und beschlossen sind, würden die Schilder ausgetauscht und die Änderungen offiziell wirksam.

Gleichzeitig läuft der Countdown für die Gegner der Umbenennung. Die Bürgerinitiative „Stoppt Umbenennungen“ hat bereits Unterschriftenlisten vorbereitet und will den Protest auf die Straße tragen. Gelingt es ihr, ausreichend Unterstützer zu mobilisieren (rund 6.000 Unterschriften), käme es voraussichtlich zu einem Bürgerentscheid in Münster. Bei diesem hätten dann alle Wahlberechtigten der Stadt das letzte Wort, ob die genannten Straßennamen tatsächlich geändert werden oder doch bestehen bleiben. Ein solcher Bürgerentscheid könnte die Entscheidung der Bezirksvertretung kippen – vergleichbar mit dem Votum im Jahr 2012, als die Bürger Münsters letztlich entschieden, dass der zentral gelegene Schlossplatz nicht wieder „Hindenburgplatz“ heißen soll. Bis es soweit kommt, dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen.

Teilen:

Münster Map
Route anzeigen

Mehr Beiträge: