
Münster/AI. In Münster sorgt ein Bürgerbegehren zu Straßennamen für intensive Debatten. Hintergrund ist der Beschluss der Bezirksvertretung Münster-Mitte vom 6. Mai 2025, fünf Straßen wegen ihrer NS-bezogenen Namensgeber umzubenennen. Betroffen sind die Admiral-Scheer-, Skagerrak-, Admiral-Spee-, Otto-Weddigen- und Langemarckstraße. Am 5. August hat die Bürgerinitiative „Für Münsters Straßen“ der Stadt mehr als 8.000 Unterschriften übergeben. Ziel: Die Umbenennung zu verhindern. Die Stadtverwaltung prüft derzeit die formale Zulässigkeit des Begehrens.
Die rechtlichen Hürden für ein Bürgerbegehren sind klar geregelt. In Münster-Mitte, mit rund 107.000 Wahlberechtigten, müssen mindestens 5.356 gültige Unterschriften eingereicht werden – die Initiative geht davon aus, diese Zahl erreicht zu haben. Nun prüft die Verwaltung, ob alle Unterzeichnenden tatsächlich im Bezirk wohnen. Fällt die Prüfung positiv aus, muss der Stadtrat am 5. November 2025 über die formale Zulässigkeit entscheiden.
Ist das Begehren zulässig, kann die Bezirksvertretung ihren Umbenennungsbeschluss zurückziehen. Hält sie daran fest, kommt es innerhalb von drei Monaten zu einem Bürgerentscheid. Dann dürfen alle Wahlberechtigten im Bezirk mit „Ja“ oder „Nein“ über den Erhalt der Straßennamen abstimmen. Gültig wäre der Entscheid nur, wenn mindestens 10.712 Personen zustimmen – das sogenannte Quorum liegt bei 10 Prozent.
Die Debatte um die betroffenen Straßennamen läuft bereits seit 2020. Damals beantragte die Bezirksvertretung eine Überprüfung aller zwischen 1933 und 1945 vergebenen Straßennamen. Die fünf nun zur Diskussion stehenden Namen weisen laut einem Gutachten des Stadtarchivs einen engen Bezug zur NS-Propaganda auf. So wurden etwa Admiral Scheer und Otto Weddigen im Nationalsozialismus als militärische Helden verehrt – ihre Namen dienten der ideologischen Aufladung von Opfertod, Gehorsam und Angriffsmut. Besonders der Begriff „Langemarck“ wurde nach dem Ersten Weltkrieg im NS-Staat zur Opfertod-Legende stilisiert.
Die Bezirksvertretung stimmte mit den Stimmen von Grünen, SPD, Volt und Linke für die Umbenennung. Sie berufen sich auf das Gutachten des Stadtarchivs und auf 2024 verabschiedete städtische Leitlinien zur Erinnerungskultur. Die CDU forderte hingegen eine vorherige Anwohnerbefragung und sprach sich für erklärende Zusatztafeln aus. Die Bürgerinitiative kritisiert vor allem den organisatorischen Aufwand sowie den Verlust historischer Identität. Unterstützt wird sie unter anderem vom CDU-nahen Lager.
Scharfe Kritik an dem Begehren kommt dagegen von NS-Verfolgtenverbänden wie dem VVN-BdA. Sie bezeichnen die Aktion als „perfide Geschichtstäuschung“ und fordern die konsequente Entfernung aller NS-nahen Ehrungen aus dem öffentlichen Raum.
Die Stadtverwaltung schätzt, dass die Umstellung von Ausweisdokumenten, Fahrzeugpapieren und Melderegistern für Privatpersonen kostenfrei bleibt. Für Unternehmen entstünden allerdings Kosten durch neue Beschilderung, Drucksachen und digitale Adressdaten. Die Gesamtkosten für die Stadt belaufen sich nach eigenen Angaben auf einen mittleren fünfstelligen Betrag – insbesondere für den Tausch der Straßenschilder und die Aktualisierung zentraler Datenbanken.
Auch andere Städte in Deutschland haben in den letzten Jahren historisch belastete Straßennamen umbenannt – etwa Augsburg, das 2021 aus der Langemarckstraße die Familie-Einstein-Straße machte.