
NRW. Die ELSA-Studie 2025 („Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“) ist die bisher umfassendste Untersuchung zur Versorgungslage rund um Schwangerschaftsabbrüche. Über 4.500 Frauen wurden befragt, ergänzt durch Stellungnahmen von Fachkräften und umfangreiche Statistiken. Veröffentlicht wurde der Abschlussbericht durch das Bundesgesundheitsministerium.
Ziel war es, die reale Situation betroffener Frauen sichtbar zu machen: Wo gibt es Versorgungslücken, welche Hürden erleben die Betroffenen und wie groß sind die regionalen Unterschiede?
Im bundesweiten Vergleich liegt Nordrhein-Westfalen im mittleren Versorgungsbereich. Das bedeutet: Die Lage ist nicht so prekär wie in Bayern oder Baden-Württemberg, aber deutlich schlechter als in vielen nord- und ostdeutschen Bundesländern.
Ein zentrales Problem ist die Erreichbarkeit von Einrichtungen. In acht NRW-Kreisen müssen Frauen mehr als 40 Minuten fahren, um eine Praxis oder Klinik zu erreichen, die Abbrüche vornimmt. Besonders schlecht schneiden die Kreise Kleve, Olpe und Euskirchen ab.
Auch die Beratungsstellen sind stark belastet. Durchschnittlich kommen in NRW über 24.000 Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren auf eine einzige Einrichtung. Damit liegt das Land unter dem Bundesdurchschnitt.
Die ELSA-Studie zeigt deutlich, dass viele Frauen auf Hindernisse stoßen. Vier von fünf Betroffenen berichteten von mindestens einer Barriere im Zugang. Für ein Drittel waren es sogar drei oder mehr Hürden.
Diese Barrieren reichen von organisatorischen Problemen über fehlende Termine bis hin zu finanziellen Schwierigkeiten. Bei knapp sieben Prozent wurde die Kostenübernahme durch die Krankenkasse verweigert, mehr als 20 Prozent bezeichneten ihre Belastung als sehr hoch. Auch Fahrtkosten spielen eine Rolle: Ein Drittel der Frauen musste längere Anfahrten in Kauf nehmen.
Ein weiterer Befund betrifft den Informationszugang. Rund 60 Prozent der Befragten hatten Schwierigkeiten, verlässliche Informationen zu finden. Viele mussten mehrere Stellen kontaktieren, ehe sie einen Termin erhielten.
Nicht nur für die Betroffenen, auch für die Ärzteschaft bestehen große Hürden. Viele Gynäkologinnen und Gynäkologen würden Abbrüche anbieten, können es aber nicht – sei es wegen fehlender Ausstattung, hoher Belastung oder rechtlicher Unsicherheit.
Hinzu kommt ein strukturelles Ausbildungsproblem. Von 631 befragten Ärztinnen und Ärzten gaben 162 an, dass Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Weiterbildung gar nicht vorkamen. Wer es nicht gelernt hat, führt den Eingriff später kaum durch. Bei jenen, die es gelernt hatten, lag die Quote deutlich höher.
Die Studie macht auch die psychische Dimension sichtbar. 83,5 Prozent der Frauen mit Abbruch gaben an, eine Form von Stigmatisierung zu erleben – sei es durch Vorurteile im Umfeld oder durch gesellschaftliche Debatten. 78 Prozent erwarteten negative Reaktionen, selbst wenn diese nicht offen geäußert wurden.
Trotz dieser Belastung waren über 90 Prozent der Frauen überzeugt, im Rückblick die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Das zeigt, wie klar und bewusst die meisten Betroffenen ihre Entscheidung getroffen haben – und wie wenig die gesellschaftliche Stigmatisierung daran ändert.
Für das Münsterland liefert die ELSA-Studie keine eigenen Zahlen. Regionale Analysen deuten jedoch auf angespannte Verhältnisse hin. Beratungsstellen wie Pro Familia berichten von langen Wartezeiten und knappen personellen Ressourcen. Aktivistinnen und Initiativen in Münster verweisen zudem auf Informationsdefizite und fordern mehr wohnortnahe Angebote. Die politische Debatte vor Ort wird stärker geführt, auch weil viele Frauen auf Nachbarstädte ausweichen müssen.