
Ein beispielloser Finanzskandal zieht derzeit weite Kreise in Münster: Der ehemalige Vorsitzende des Heinrich-Piepmeyer-Hauses, einer bekannten integrativen Kindertagesstätte, steht im Zentrum schwerer Untreuevorwürfe. Der 44-jährige Lehrer soll über 700.000 Euro, die für wichtige Kita-Projekte vorgesehen waren, auf sein Privatkonto transferiert haben. Statt der vom Vorstand genehmigten Anlage auf einem Tagesgeldkonto, verschwand das Geld spurlos – bis eine Kassenprüfung den Stein ins Rollen brachte. Die Affäre um die Veruntreuung beim Heinrich-Piepmeyer-Haus erschüttert nicht nur Eltern und Mitarbeiter, sondern wirft auch juristische und moralische Fragen auf.
Erst eine reguläre Kassenprüfung brachte die mutmaßliche Unterschlagung ans Licht. Als der damalige Vorsitzende keine Unterlagen vorlegen konnte, die belegten, wo sich die überwiesenen Gelder befanden, wurde der Trägerverein stutzig. Im Februar 2024 erfolgte die Strafanzeige. Die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Münster zogen sich über ein ganzes Jahr hin, jetzt wurde Anklage erhoben. Schnell wurde deutlich: Das Geld war nie auf dem geplanten Tagesgeldkonto angekommen. Stattdessen soll es auf das private Konto des Beschuldigten geflossen sein – offenbar mit der Absicht, persönliche Verluste aus Aktienspekulationen auszugleichen.
Laut Ermittlern geriet der Mann in finanzielle Schieflage durch riskante Börsengeschäfte. In einem Akt der Verzweiflung, so die Theorie der Staatsanwaltschaft, griff er auf Kita-Gelder zurück, um seine Verluste auszugleichen. Bei einer Hausdurchsuchung im März 2024 gestand er, das Geld in Aktien investiert zu haben – angeblich, um durch Gewinne der Kita langfristig zu helfen. Doch zu diesem Zeitpunkt war sein Konto nahezu leer. Trotz der dubiosen Vorgehensweise geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Angeklagte die Rückzahlung plante. Ob dies tatsächlich glaubwürdig ist, muss ein Gericht entscheiden.
Die Auswirkungen des Skandals sind für die Kindertagesstätte dramatisch. Zwei zentrale Projekte mussten gestoppt werden: die dringend benötigte Sanierung des Gebäudes sowie der barrierefreie Umbau des Spielplatzes. Für beide Vorhaben waren die Mittel, die nun fehlen, fest eingeplant. Die Veruntreuung beim Heinrich-Piepmeyer-Haus in Münster hat nicht nur die finanzielle Basis der Einrichtung erschüttert, sondern auch das Vertrauen der Eltern und Unterstützer schwer beschädigt.
Das Heinrich-Piepmeyer-Haus blickt auf eine lange Geschichte zurück. Gegründet wurde die Kita 1961 durch eine Elterninitiative, seit den frühen 1990er Jahren arbeitet sie integrativ und setzt sich für die gleichberechtigte Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung ein. Umso schockierender ist es, dass gerade eine so engagierte und traditionsreiche Einrichtung Opfer eines mutmaßlichen Finanzvergehens wurde – zumal der Beschuldigte selbst einmal Vater eines Kita-Kindes war.
Die juristische Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen. Das Landgericht Münster muss zunächst die Anklage wegen Untreue zulassen. Ein konkreter Termin für den Prozess steht bislang nicht fest. Die Entscheidung über Schuld oder Unschuld und die Frage, ob die Kita ihr Geld jemals wiedersieht, liegt nun in den Händen der Justiz. Die Öffentlichkeit verfolgt den Fall mit großem Interesse – nicht zuletzt wegen seiner moralischen Brisanz.