
NRW. Die Zahl der Medizinstudienplätze in NRW ist bundesweit führend – und dennoch steht das Land im Pro-Kopf-Vergleich nur im Mittelfeld. Laut einem aktuellen Befund des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) gab es im Studienjahr 2024 rund 2.334 Erstsemesterplätze in der Humanmedizin. Absolut gesehen ist das die höchste Zahl aller Bundesländer. Doch umgerechnet auf die Bevölkerung ergibt sich lediglich ein Wert von 13 Studienplätzen je 100.000 Einwohner. Damit rangiert Nordrhein-Westfalen gleichauf mit Baden-Württemberg und Thüringen – und deutlich hinter Ländern wie dem Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern.
Der Blick auf andere Länder macht den Unterschied deutlich: Während das Saarland mit 29 Plätzen je 100.000 Einwohner und Mecklenburg-Vorpommern mit 26 Spitzenwerte erreichen, liegen Berlin, Hamburg und Sachsen-Anhalt immerhin bei 19 bis 21 Plätzen. Hessen kommt auf 18, Rheinland-Pfalz auf 11 und Niedersachsen sogar nur auf 10. Schlusslichter bleiben Brandenburg und Bremen, die bislang gar keine staatlichen Medizinstudienplätze anbieten – wobei Brandenburg ab 2026/27 mit einer neuen Universität in Cottbus nachziehen wird.
Für NRW bleibt festzuhalten: Die schiere Zahl an Studienplätzen täuscht über die relative Versorgung hinweg. Und genau diese relative Größe ist entscheidend, wenn es darum geht, wie viele Ärztinnen und Ärzte später tatsächlich in einem Bundesland praktizieren.
Trotz dieser Ausgangslage arbeitet das Land NRW am Ausbau der Medizinstudienplätze. Ein wichtiger Baustein ist die Universität Bielefeld, die seit dem Wintersemester 2021/22 neu aufgebaut wird. Bis 2026/27 sollen dort 300 Studienanfänger pro Jahr aufgenommen werden – rund 240 mehr als aktuell. Parallel dazu hat die private Universität Witten/Herdecke ihre Plätze auf 168 verdoppelt, unterstützt durch Landesmittel. Auch die Westfälische Wilhelms-Universität Münster bleibt mit 471 Erstsemestern im Jahr 2024 ein zentraler Standort.
Doch trotz dieser Erweiterungen wird die Lücke nicht vollständig geschlossen. Experten gehen davon aus, dass NRW rund 350 bis 400 zusätzliche Studienplätze bräuchte, um im Bundesvergleich von 13 auf 15 Plätze je 100.000 Einwohner zu kommen.
Neben dem quantitativen Ausbau setzt NRW auf gezielte Steuerung: Mit der sogenannten Landarztquote werden 7,8 Prozent der Medizinstudienplätze für angehende Hausärztinnen und Hausärzte reserviert. Rund 190 Studierende pro Jahr profitieren davon, mehr als 1.000 sind bereits eingeschrieben. Erste Absolventinnen und Absolventen werden ab 2026 in die Weiterbildung starten.
Doch der Weg ist lang: Nach sechs Jahren Studium und rund fünf Jahren Facharztweiterbildung vergehen vom Studienstart bis zur vollständigen hausärztlichen Tätigkeit etwa elf Jahre. Angesichts einer alternden Ärzteschaft – rund ein Viertel der Hausärzte will in den kommenden fünf Jahren aufhören – bleibt der Druck hoch.
Bis 2034 droht in NRW ein Minus von fast 2.000 hausärztlichen Vollzeitstellen, wie die Kassenärztlichen Vereinigungen für das Gesundheitsministerium prognostizieren. Besonders ländliche Regionen sind betroffen. Zwar wurden die Förderungen für Weiterbildungsstellen Anfang 2025 auf 5.800 Euro pro Monat erhöht, doch auch das dürfte den Trend nur abmildern.
Hinzu kommt: Viele deutsche Studierende weichen auf ausländische Universitäten aus. Derzeit sind es mindestens 9.100, die ihre medizinische Ausbildung außerhalb Deutschlands absolvieren. Damit verschärft sich der Konkurrenzdruck um den Nachwuchs zusätzlich.