
In vielen Regionen Nordrhein-Westfalens ist der Mangel an Lehrkräften nach wie vor deutlich spürbar. Besonders betroffen sind Grundschulen im Emscher-Lippe-Raum und im südwestlichen Kreis Borken. Um kurzfristig handlungsfähig zu bleiben, greift die Bezirksregierung Münster auch im Schuljahr 2025/2026 auf Abordnungen zurück. Insgesamt 124 Lehrkräfte aus dem Münsterland werden an unterversorgte Schulen abgeordnet. Die Lehrkräfte-Abordnungen aus dem Münsterland sollen sicherstellen, dass alle Kinder im neuen Schuljahr eine feste Klassenleitung erhalten. Dabei setzt die Bezirksregierung diesmal verstärkt auf einvernehmliche Lösungen – im Gegensatz zum Vorjahr, das stark von juristischen Auseinandersetzungen geprägt war.
Im Schuljahr 2023/2024 wurden über 250 Lehrkräfte teils ohne ihre Zustimmung an andere Schulstandorte versetzt. Das Vorgehen stieß auf großen Widerstand. Lehrkräfte und Gewerkschaften kritisierten die fehlende Freiwilligkeit, das überhastete Verfahren und die Belastung für betroffene Schulen. In einzelnen Fällen griff sogar das Verwaltungsgericht ein und stoppte Abordnungen wegen formaler Mängel. Regierungspräsident Andreas Bothe räumte damals Versäumnisse ein. Für das aktuelle Schuljahr wurde das Verfahren daher grundlegend überarbeitet – mit Erfolg: Alle 124 Lehrkräfte-Abordnungen aus dem Münsterland wurden diesmal freiwillig vereinbart.
Die jetzt geplanten Abordnungen basieren auf dem Handlungskonzept Unterrichtsversorgung der Landesregierung, das seit 2022 gilt. Ziel ist es, Lehrkräfte temporär in Regionen mit besonders hohem Bedarf einzusetzen – etwa im nördlichen Ruhrgebiet. Der Unterschied zum Vorjahr: Statt Zwang und Ad-hoc-Entscheidungen gab es frühzeitige Gespräche mit den Betroffenen. 44 erfahrene Lehrkräfte von Grundschulen im Münsterland haben sich freiwillig für einen befristeten Einsatz entschieden. Hinzu kommen 15 Lehrkräfte aus anderen Schulformen, die in die Grundschule wechseln. Besonders auffällig: 65 neu eingestellte Lehramtsanwärter:innen übernehmen Stellen in Bedarfsregionen mit der Zusage, nach drei Jahren an ihre Wunschschule wechseln zu können.
Dieses Modell, das gezielte Anreize mit klaren Einsatzbedingungen verbindet, hat sich bewährt. Es wird inzwischen landesweit angewendet und ermöglicht mehr Planungssicherheit für Schulen wie Lehrkräfte. Alle 405 Grundschulen im Regierungsbezirk Münster können im neuen Schuljahr mit festen Klassenleitungen arbeiten – das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Kaskadenabordnungen, also das Nachziehen von Vertretungen über mehrere Ebenen hinweg, wurden vollständig vermieden.
Trotz der positiven Entwicklungen gibt es auch kritische Stimmen. Die GEW NRW sieht die zusätzliche Belastung für Lehrkräfte weiterhin kritisch. Auch Doris Feldmann, Vorsitzende des Bezirkspersonalrats, sieht die Situation ambivalent: „Abordnungen sind eine Belastungsprobe, aber aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit mitzutragen.“
Schulleiterin Margit Hirtzbruch-Dieker von der Grundschule Wiehagen in Gelsenkirchen profitiert direkt von der Unterstützung: „Ohne diese Abordnungen könnten wir keinen verlässlichen Unterricht gewährleisten.“ Dezernentin Alice Lennartz betont, dass nur schulamtsübergreifende Versetzungen vorgenommen wurden. Die Bezirksregierung sieht im neuen Verfahren einen langfristig tragfähigen Weg. Auch die Zahlen geben Grund zur Hoffnung: Seit 2022 sind 9.500 neue Lehrkräfte in den Schuldienst eingetreten. Die Zahl der offenen Stellen im Regierungsbezirk Münster sank von 1.020 im Jahr 2024 auf 651 in 2025.