
Münster. Das Al Shira’aa Turnier der Sieger 2025 ist für Münster weit mehr als ein gewöhnliches Sportereignis. Seit Jahrzehnten gilt es als Aushängeschild des deutschen Reitsports und lockt jedes Jahr zehntausende Zuschauerinnen und Zuschauer an den Schlossplatz. Vor der barocken Kulisse treten die besten Reiterinnen und Reiter der Welt gegeneinander an – im Springen ebenso wie in der Dressur. Doch 2025 steht die Veranstaltung zunehmend in der Kritik. Mit dem neuen Sponsor Al Shira’aa Stables rückt eine kontroverse Debatte in den Mittelpunkt, die über den Pferdesport hinausgeht.
Seit November 2024 trägt das traditionsreiche Turnier den Namen Al Shira’aa Turnier der Sieger. Möglich wurde dies durch das Engagement der Al Shira’aa Stables aus Abu Dhabi, gegründet von Sheikha Fatima bint Hazza bin Zayed Al Nahyan. Das Gestüt ist international vernetzt und unterstützt zahlreiche prestigeträchtige Veranstaltungen, etwa das Hamburg Derby oder die Bundeschampionate in Warendorf. Für Münster eröffnet diese Partnerschaft neue Chancen: Ab 2026 soll das Turnier in die Fünf-Sterne-Kategorie aufsteigen und damit endgültig zu den wichtigsten Reitsport-Events Europas zählen. Für die Organisatoren bedeutet das finanzielle Sicherheit und internationale Sichtbarkeit. Gleichzeitig stellt die Namensänderung für viele Unterstützer einen Bruch dar. Sie fragen sich, ob die Identität des Turniers gewahrt bleibt, wenn internationale Geldgeber den Ton angeben.
Die neue Partnerschaft ist nicht unumstritten. Kritiker werfen dem Sponsor vor, sogenanntes Sportswashing zu betreiben – also mit Hilfe von Sportveranstaltungen das eigene Image aufzupolieren und von politischen Fragen abzulenken. Besonders in Schweden und Dänemark sorgte Al Shira’aa bereits für Kontroversen. Bei der Falsterbo Horse Show wurde das Unternehmen nach nur einem Monat wieder ausgeladen, auch bei den Bundeschampionaten gab es Proteste. Beobachter bemängeln, dass durch die Zusammenarbeit mit autoritären Regimen Sportereignisse instrumentalisiert werden. In Münster äußern sich zwar viele Verantwortliche zurückhaltend, doch die Diskussion ist präsent.
Seit 1955 findet das Turnier der Sieger regelmäßig in Münster statt. Veranstalter ist der Westfälische Reiterverein von 1835, einer der ältesten Reitvereine Deutschlands. Das Besondere an diesem Event ist sein Einladungscharakter. Reiterinnen und Reiter zahlen keine Start- oder Unterbringungsgebühren, alle Kosten werden vom Veranstalter übernommen. Dieses Konzept, getragen von ehrenamtlichem Engagement, unterscheidet Münster von vielen anderen Reitsportveranstaltungen, die stärker kommerzialisiert sind. Über Jahrzehnte hinweg hat das Turnier dadurch einen familiären, fast festlichen Charakter bewahrt, den Fans und Sportler gleichermaßen schätzen. Für viele gilt es deshalb als das schönste Freiluftturnier Deutschlands. Die große Frage lautet nun: Kann dieser besondere Geist auch in Zeiten internationaler Sponsorenverträge erhalten bleiben?
Sportlich bietet das Turnier 2025 wieder ein hochkarätiges Programm. Von Donnerstag bis Sonntag finden auf dem Schlossplatz Dressur- und Springprüfungen in verschiedenen Klassen statt. Der Donnerstag eröffnet mit dem Grand Prix de Dressage, dem „Münsterländer Pferdestärken Cup“ und Nachwuchsprüfungen. Der Freitag bietet internationale Springprüfungen bis 1,50 Meter Höhe und endet mit dem Showabend „Das Freundebuch der Pferdewelt“, der traditionell emotionale Momente für Fans und Reiter bereithält. Am Samstag stehen Nachwuchsförderung, Amateurklassen und die berühmte Grand Prix Kür unter Flutlicht auf dem Programm – ein Höhepunkt, der tausende Besucherinnen und Besucher in den Bann zieht. Der Sonntag krönt das Turnier mit dem Großen Preis von Münster, einer CSI4*-Springprüfung über 1,60 Meter, bevor die feierliche Parade der Sieger den Schlusspunkt setzt.
Neben den sportlichen Wettbewerben ist das Rahmenprogramm ein wichtiger Bestandteil des Turniers. Rund 30 Stände bieten Reitsportartikel, kulinarische Spezialitäten und Unterhaltung für die ganze Familie. Kinder können bei Mitmachaktionen erste Erfahrungen mit Pferden sammeln, während Profis in den Amateur- und Nachwuchsklassen antreten. Für die Region ist das Turnier ein Aushängeschild, das weit über den Reitsport hinausstrahlt. Doch auch hier steht die Frage im Raum, ob dieser familiäre Charakter langfristig bestehen bleibt. Wird das Turnier in Zukunft stärker auf internationale Investoren zugeschnitten sein, oder kann es weiterhin seine Verwurzelung in Münster und im Münsterland bewahren?
Neben der Debatte um den neuen Sponsor sehen sich die Veranstalter auch mit wachsender Kritik von Tierrechtsorganisationen konfrontiert. In den Wochen vor dem Al Shira’aa Turnier der Sieger 2025 in Münster tauchten in der Innenstadt überklebte Plakate auf, auf denen fälschlicherweise „Abgesagt“ stand. Mit dieser Stickeraktion wollten Aktivistinnen und Aktivisten den Eindruck erwecken, das Turnier sei gestrichen – eine gezielte Provokation, die bei Passantinnen und Passanten für Verwirrung sorgte. Tatsächlich handelt es sich um eine Protestaktion, mit der auf Tierleid im Leistungssport hingewiesen werden soll.
Die Kritik der Aktivisten richtet sich gegen das Grundprinzip von Spring- und Dressurprüfungen. Sie argumentieren, dass Pferde durch enge Hilfszügel, Sporen und harte Gebisse Schmerzen erleiden und unter hohem Trainingsdruck stehen. Besonders umstritten ist die Rollkur, eine extreme Beizäumung, die zu Atemnot und Verspannungen führen kann und seit Jahren von Fachleuten kritisch gesehen wird. Wissenschaftliche Untersuchungen verweisen zudem auf Gelenkverschleiß, Rückenprobleme und Stresssymptome bei Turnierpferden. Die Aktivisten gehen so weit, den Spitzensport pauschal als Tierquälerei zu bezeichnen.
Konkret haben Gruppen wie der Tierbefreiungstreff Münster für das Turnier drei Demonstrationen angekündigt. Die Kundgebungen sollen direkt am Schlossplatz stattfinden: am Donnerstag (21. August, 17–18 Uhr), am Samstag (23. August, 12–15 Uhr) und am Sonntag (24. August, 12–14 Uhr). Ziel sei es, die Schattenseiten des Pferdesports sichtbar zu machen.