
Münster. Nach rund anderthalb Jahren Arbeit hat der parlamentarische Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags seinen Abschlussbericht zur sogenannten NRW-Justizaffäre vorgelegt. Im Mittelpunkt der Affäre stand die umstrittene Besetzung der Spitze des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster. Der Bericht umfasst mehr als 400 Seiten und dokumentiert detailliert die politischen, juristischen und verwaltungsinternen Abläufe rund um das Verfahren.
Ausgangspunkt der Untersuchung war ein Personalverfahren, das landesweit für Aufmerksamkeit sorgte. Der Posten der Präsidentin oder des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts NRW war seit dem Sommer 2021 unbesetzt. Im Zuge des Auswahlverfahrens bewarben sich mehrere Kandidaten, darunter auch eine Juristin aus dem Innenministerium, die dem damaligen Justizminister Benjamin Limbach persönlich bekannt war.
Besondere Brisanz erhielt der Vorgang, weil diese Kandidatin sich erst nach Ablauf der offiziellen Bewerbungsfrist meldete, später jedoch dennoch berücksichtigt wurde und schließlich den Kabinettszuschlag erhielt. Der unterlegene Bewerber, Bundesrichter Carsten Günther, ging juristisch gegen die Entscheidung vor.
Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses kommt zu deutlich unterschiedlichen Bewertungen – abhängig von der politischen Perspektive. Die Fraktionen von CDU und Grünen sehen keine gezielte politische Steuerung und keine rechtswidrige Einflussnahme auf das Verfahren. Sie kritisieren jedoch Defizite bei Transparenz, Aktenführung und Dokumentation. Zudem wird eine fehlerhafte Bewertung aus dem Innenministerium benannt, die das Verfahren beeinflusst habe.
SPD und FDP kommen in einem Sondervotum zu einer gegenteiligen Einschätzung. Sie sprechen von einer gezielten manipulativen Gestaltung des Auswahlverfahrens und werfen mehreren Stellen vor, bewusst auf ein bestimmtes Ergebnis hingearbeitet zu haben.
Parallel zur politischen Aufarbeitung beschäftigte der Fall auch mehrere Gerichte. In erster Instanz äußerten Verwaltungsgerichte deutliche Kritik an der Verfahrensgestaltung und sprachen von möglichen Manipulationen. Diese Einschätzung wurde später vom Oberverwaltungsgericht aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht griff den Fall schließlich teilweise auf und sah Anhaltspunkte für eine unzulässige Vorfestlegung im Auswahlprozess.
Ein besonderer Moment im Untersuchungsausschuss war die Aussage des Gutachters Jürgen Lorse. Er kritisierte, dass die Kandidatin sehr gute Bewertungen von einer Staatssekretärin erhalten habe, die erst kurze Zeit ihre Vorgesetzte war, während ein langjähriger unmittelbarer Vorgesetzter nicht einbezogen worden sei.
Die Affäre hatte am Ende spürbare Folgen. Justizminister Limbach stoppte das laufende Verfahren, der Kabinettsbeschluss wurde aufgehoben und die betreffende Kandidatin zog ihre Bewerbung zurück. Der lange vakante Spitzenposten am Oberverwaltungsgericht Münster wurde schließlich im August 2025 neu besetzt: Carsten Günther, der zuvor geklagt hatte, wurde zum Präsidenten des OVG NRW ernannt.
Der nun vorliegende Abschlussbericht liegt offiziell als Landtagsdrucksache vor und dokumentiert detailliert den Ablauf der Affäre, von ersten Gesprächen im Sommer 2022 bis zu den gerichtlichen und politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre.