
Münster. Wie kann die Wärmewende gelingen, wenn Unternehmen, Forschung und Kommunen an einem Strang ziehen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Veranstaltung „Wärmewende made in Münsterland“, die am Freitagabend im Westfalen-Forum Münster stattfand. Rund 160 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung folgten der Einladung der Westfalen AG, der Wirtschaftsinitiative Münster (WIN), der FH Münster und der 2G Energy AG.
Die zentrale Botschaft des Abends: Die Wärmewende ist keine ferne Zukunftsvision, sondern ein Prozess, der im Münsterland bereits konkret begonnen hat. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur zeigte sich beeindruckt vom regionalen Engagement und beschrieb die Region als „konservativ innovativ“ – bodenständig, aber zugleich offen für Wandel.
Nach einem humorvollen Einstieg durch das Placebo Theater Münster, das mit einer kurzen Szene gängige Vorurteile rund um die Wärmewende aufgriff, begrüßte Jesko von Stechow, Finanzvorstand der Westfalen AG, die Gäste im Forum und eröffnete die Veranstaltung als Gastgeber. Er verwies auf die Bedeutung regionaler Kooperationen, um die Wärmewende praktisch voranzubringen.
Der Programmpunkt begann mit einer anschaulichen Vision für das Jahr 2035, in der das Münsterland auf grüne Gewerbegebiete, klimaneutrale Wohnquartiere, Geothermie und digital gesteuerte Energiesysteme setzt. Moderator Kai Tenzer (Cyrano) und Sandra Wulf von der Wirtschaftsinitiative Münster (WIN) führten anschließend die Gespräche, wie mit Jürgen Kroos, Präsident der Handwerkskammer Münster, und Michael Groß von der IHK Nord Westfalen. Gemeinsam diskutierten sie, wie realistisch dieses Zukunftsbild ist und welche Schritte jetzt Priorität haben. Kroos betonte, dass die Umsetzung gelingen könne, wenn Kommunen, Betriebe und Handwerk frühzeitig zusammenarbeiten. Groß hob hervor, dass die Wärmewende nur Erfolg haben wird, wenn mehr junge Menschen für technische Berufe gewonnen werden. Eine geplante H₂-Akademie soll das nötige Know-how frühzeitig in Ausbildungsgänge bringen.
Wie Kommunen die Wärmewende digital gestalten können, zeigte Prof. Dr. Elmar Brügging von der FH Münster. Er präsentierte das neue Open-Source-Programm F|Heat, das Städte und Gemeinden bei der Erstellung ihrer Wärmepläne unterstützt. Das Tool ermöglicht die automatische Auswertung kommunaler Geodaten, erstellt Wärmedichtekarten und erleichtert die Planung von Wärmenetzen.
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F|Heat ist vollständig konform mit dem Landeswärmeplanungsgesetz NRW und richtet sich besonders an kleine und mittlere Kommunen, die ihre Wärmeversorgung selbst planen wollen. In einem Videobeispiel zeigte Brügging, wie eine Kommune mit 8.000 Einwohnern kürzester Zeit eine komplette Wärmeplanung visualisieren kann. Über 1.000 Downloads und Schulungen am FH-Standort Saerbeck belegen das große Interesse.
Im anschließenden Innovationspanel diskutierten Prof. Dr. Elmar Brügging (FH Münster), Friedrich Pehle (CFO 2G Energy AG) und Dominik Wilhelm (Wirtschaftsförderung Münster), wie technische Innovation und wirtschaftliche Umsetzbarkeit zusammenfinden können.
Pehle hob hervor, dass Digitalisierung und Sensorik entscheidende Rollen spielen, um Energieflüsse zu optimieren und Netze effizienter zu betreiben. Brügging betonte, dass vor allem ländliche Kommunen enorme Chancen hätten, eigene Wärmenetze aufzubauen, wenn Wissen und Planungstools zugänglich seien. Wilhelm berichtete aus der Praxis der Wirtschaftsförderung, dass viele Betriebe hohe Bereitschaft zur Innovation zeigten, aber mehr Entwicklungsräume bräuchten, um Pilotprojekte zu testen und umzusetzen.
In ihrem Impulsvortrag sprach NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur von der Wärmewende als „Defossilisierung mit Mut“. Deutschland gebe noch immer hohe Summen für fossile Rohstoffe aus, obwohl Abwärme, Wasserstoff und lokale Wärmenetze große Potenziale böten. Das Münsterland, so Neubaur, zeige, wie stark regionale Kooperation wirken könne, wenn Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunen gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Sie betonte, dass es entscheidend sei, bei Energie- und Infrastrukturprojekten mehr Tempo zu entwickeln und die Verfahren künftig effizienter zu gestalten, auch wenn dies mitunter schwierig sei. Zugleich unterstrich sie, dass der Dialog mit der Bevölkerung dabei unverzichtbar bleibe.
Als Beispiel nannte Neubaur die gute infrastrukturelle Verbindung zu den Niederlanden, wo in einigen Bereichen bereits engere Abstimmungen bestünden als zwischen weiter entfernten Regionen Deutschlands. Diese Nähe biete dem Münsterland wertvolle Chancen, die Wärmewende grenzüberschreitend voranzubringen.
Nach Angaben der Landesregierung fließen in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen in die Modernisierung von Infrastruktur und Energieversorgung. Grundlage dafür ist das vom Deutschen Bundestag beschlossene Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“, das insgesamt 500 Milliarden Euro über zwölf Jahre umfasst. Davon sind 100 Milliarden Euro speziell für Länder und Kommunen vorgesehen. Nordrhein-Westfalen erhält nach dem Königsteiner Schlüssel rund 21,1 Prozent, also etwa 21 Milliarden Euro. Das Land hat dazu den „Nordrhein-Westfalen-Plan für gute Infrastruktur“ aufgelegt, der vorsieht, dass etwa zwei Drittel der Mittel in kommunale Projekte fließen sollen, darunter Verkehr, Energieeffizienz, Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz. Neubaur hob hervor, dass diese Struktur Planungssicherheit und Flexibilität zugleich biete, um gezielt in zukunftsfähige Investitionen zu lenken.
Wie unterschiedlich die Wärmewende in der Praxis aussieht, zeigten die anschließenden Kurzvorträge aus Wirtschaft und Verwaltung.
Markus Fleischer, Leiter Standortbetriebe und -services bei der BASF Coatings GmbH, stellte den Energietransformationsplan des Unternehmens vor. Der Standort Münster soll bis 2045 CO₂-neutral produzieren. Durch die Kombination von Wärmepumpen, Abwärmenutzung und Kooperation mit den Stadtwerken Münster will BASF sowohl Wärme beziehen als auch zurückspeisen.
Verena Gölkel von der St. Franziskus-Stiftung Münster berichtete, wie Nachhaltigkeit in den Klinikalltag integriert wird – von Photovoltaikanlagen über Dachbegrünung bis zur Wärmerückgewinnung. Markus Prior von der FACT GmbH, die zur Stiftung gehört, präsentierte Projekte, mit denen der Energiebedarf in Krankenhäusern um bis zu 40 Prozent gesenkt werden konnte.
Silke Wesselmann, Leiterin des Amts für Klimaschutz und Nachhaltigkeit des Kreises Steinfurt, stellte das Projekt „Wärme umarmen“ vor, das Kommunen und Betriebe in Beratungs- und Austauschformate einbindet. Es gehe darum, Wärmewende erlebbar und umsetzbar zu machen.
In der abschließenden Gesprächsrunde diskutierten Mona Neubaur, Jesko von Stechow (Westfalen AG), Markus Fleischer (BASF Coatings GmbH), Silke Wesselmann (Kreis Steinfurt) und Markus Prior (FACT GmbH) über Chancen und Hürden.
Neubaur betonte, dass Deutschland seine Energiezukunft nicht allein über Fördergelder, sondern durch kluge Allianzen sichern müsse. Von Stechow warb für Technologieoffenheit und stellte die Frage, ob Wärmepumpen allein die Lösung seien oder ob Investitionen in Stromnetze und Speicher wichtiger wären. Fleischer sprach über die Komplexität der industriellen Dekarbonisierung, während Wesselmann auf fehlende Zeitressourcen für Beratung in kleineren Kommunen hinwies.
Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass die Wärmewende nur gelingt, wenn Wirtschaft, Politik und Wissenschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Zum Abschluss griff Jesko von Stechow, Finanzvorstand der Westfalen AG, das Motto der Veranstaltung noch einmal auf: „Wir wollen nicht Teil des Problems sein, sondern Teil der Lösung.“
Mit der „Westfalen Vision 2030“ stellte er die strategische Ausrichtung des Unternehmens vor. Die Vision umfasst die fünf Geschäftsfelder Wärme, Mobilität, Wasserstoff, Kälte und Homecare – mit dem Ziel, in allen Bereichen klimaneutrale Prozesse zu etablieren.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Wärmepumpentechnologie: Die Westfalen AG strebt an, einer der größten Installationspartner in Nordrhein-Westfalen zu werden. Zudem investiert das Unternehmen in Wasserstoff-Infrastruktur, nachhaltige Energieanwendungen und energieeffiziente Mobilitätslösungen.