Vom Krisenmanager zum Stadtgestalter: Ein Rückblick auf 16 Jahre Markus Lewe

Rückblick auf 16 Jahre Markus Lewe als Oberbürgermeister von Münster – Stadtentwicklung, Krisen, Klima und die Zukunft nach seinem Amtsende.
Im Oktober 2009 übergab der damalige Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann (l.) den Rathaus-Schlüssel an seinen Nachfolger Markus Lewe. ©Stadt Münster

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Münster. „Politik wird lebendig, wenn Menschen ihre Ideen einbringen … Ich bin dankbar, unsere Stadt mitgestaltet zu haben.“ Mit diesen Worten zieht Markus Lewe am Ende seiner Amtszeit Bilanz. Nach 16 Jahren an der Spitze der Stadt Münster verabschiedet sich der CDU-Politiker – und übergibt an Tilman Fuchs, der in der Stichwahl 57,91 Prozent der Stimmen erhielt. Lewe geht mit Dankbarkeit, aber auch mit einer Stadt, die sich tiefgreifend verändert hat – in Teilen erfolgreich, in Teilen mit offenen Baustellen.

Ein Oberbürgermeister mit Ausdauer und Einfluss

Als Markus Lewe am 21. Oktober 2009 erstmals zum Oberbürgermeister gewählt wurde, begann eine Phase, die Münster stärker geprägt hat als viele zuvor. Er wurde zweimal wiedergewählt, 2015 und 2020, und stand mehr als anderthalb Jahrzehnte an der Spitze von Verwaltung und Rat. Seine Amtszeit war von Kontinuität, Bürgernähe und Krisenmanagement geprägt.

Überregional gewann Lewe Gewicht, als er von 2018 bis 2019 und erneut von November 2021 bis Mai 2025 den Deutschen Städtetag leitete. Dort vertrat er die Interessen der Kommunen gegenüber Bund und EU – ein Amt, das ihm in Fachkreisen Anerkennung einbrachte. 2025 ernannte ihn der Verband zum Ehrenmitglied. Doch während Lewe in Berlin und Brüssel Netzwerke ausbaute, wuchs in Münster mitunter die Kritik, er habe zu oft vermittelt, statt klare Entscheidungen zu treffen.

Stadtentwicklung zwischen Wachstum und Widerstand

In Lewes Amtszeit wuchs Münster um rund 40.000 Einwohner. Neue Quartiere auf ehemaligen Kasernenflächen – etwa Oxford und York – sollten Entlastung schaffen. Das Oxford-Quartier in Gievenbeck bietet künftig Wohnraum für bis zu 4.000 Menschen, das York-Quartier in Gremmendorf soll auf 50 Hektar rund 5.000 Bewohner aufnehmen. Beide Projekte gelten als Vorzeigevorhaben, stehen aber auch für lange Planungsprozesse und steigende Baukosten.

Der Wandel am Hafen zeigte ebenfalls die Ambivalenz seiner Amtsführung. Das ursprünglich geplante „Hafencenter“ wurde 2019 nach massiver Kritik gestoppt. Das verkleinerte Nachfolgeprojekt „Hafenmarkt“ eröffnete 2024, begleitet von Rechtsstreitigkeiten. Heute gilt das Areal als Erfolg – doch die jahrelange Auseinandersetzung offenbarte auch, wie mühsam Stadtentwicklung in Münster sein kann.

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Wohnen und Mieten bleiben Problemzonen

Trotz neuer Flächen blieb der Wohnungsmarkt angespannt. Der Mietspiegel 2025 weist ein Plus von 5,1 Prozent binnen zwei Jahren aus. Besonders Studierende und Familien spüren die Engpässe. Zum Semesterstart 2024/25 mussten einzelne Studierende in Notunterkünften schlafen. Lewe betonte, die Stadt könne die Preisentwicklung nicht allein steuern, forderte aber konsequent neue Wohnbauflächen und Sozialwohnungen. Kritiker bemängelten, dass Münster zu stark auf hochpreisige Neubauten setzte und die soziale Mischung zu wenig gesichert wurde.

Mobilität und Klima: ehrgeizig, aber langwierig

Lewe trieb die Mobilitätswende voran – mit 14 geplanten Velorouten über 218 Kilometer und einer schnell wachsenden E-Bus-Flotte. Mitte 2025 fuhren bereits 97 der rund 120 Linienbusse elektrisch. Auch die Planungen zur S-Bahn Münsterland wurden unter seiner Leitung konkretisiert.

Im Klimaschutz verfolgte Lewe ambitionierte Ziele. Der Rat beschloss, Münster solle „möglichst bis 2030“ klimaneutral werden. Dafür erhielt die Stadt 2024 das EU-Mission-Label und 2025 den European Climate Adaptation Award in Gold. Dennoch blieb der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit bestehen: Der Klimabeirat warnte 2023, Münster könne ohne deutlich schnelleres Handeln erst 2090 klimaneutral werden.

Krisenjahre als Prüfstein

„Jede Krise hat unsere Verwaltung geprüft“ – dieser Satz beschreibt Lewes Amtszeit vielleicht am besten. Die Schneekatastrophe 2010, der Starkregen 2014, die Amokfahrt 2018 mit vier Toten, die Corona-Pandemie ab 2020 oder die Ukraine-Krise 2022 – alle stellten Verwaltung und Stadtgesellschaft auf die Probe.

Während der Pandemie organisierte die Stadt Test- und Impfzentren, digitale Angebote und Hilfsprogramme. Beim Starkregen koordinierte die Verwaltung Soforthilfen. Die Krisenpolitik der Stadt galt bundesweit als Beispiel für funktionierendes kommunales Management. In der Ukraine-Krise stellte Münster die Blücherkaserne für Geflüchtete zur Verfügung – sie dient bis heute als Unterkunft.

Auch das Thema Sicherheit prägte die letzten Jahre. Nach mehreren Gewaltereignissen diskutierte Münster über Waffenverbotszonen an der Promenade und im Bahnhofsviertel. Polizei und Stadt setzten auf konsequente Kontrollen, um das Sicherheitsgefühl zu stärken.

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Sicherheit, Finanzen und internationale Bühne

Die Amokfahrt 2018 veränderte Münsters Sicherheitsverständnis. In den Folgejahren führte die Stadt Diskussionen über Waffenverbotszonen, insbesondere rund um Promenade und Hauptbahnhof. Diese Maßnahmen blieben umstritten, fanden aber Unterstützung von Polizei und Landespolitik.

Finanziell stand Münster trotz solider Einnahmen unter Druck. Wie viele Großstädte kämpfte die Stadt mit steigenden Sozialausgaben und Investitionsstaus. Im bundesweiten Vergleich galt Münster als handlungsfähig, doch Sparmaßnahmen und Prioritätensetzungen prägten die Debatten. Digitalisierung galt als Ausweg – Lewe setzte verstärkt auf digitale Verwaltungsprozesse, um Kosten zu senken und Bürgernähe zu erhöhen.

Auf internationaler Ebene machte Münster 2022 Schlagzeilen, als die Stadt Gastgeber des G7-Außenministertreffens wurde. Der Streit um das abgehängte Ratskreuz im Friedenssaal zeigte zugleich, wie eng politisches Protokoll und lokale Identität beieinander liegen. Neue Partnerschaften mit Enschede, Bologna, Rochester und Winnyzja stärkten Münsters europäische Rolle.

Sport, Identität und regionale Vernetzung

Auch der Sport war Teil von Lewes Handschrift. Nach Jahrzehnten der Diskussion begann 2024 der Ausbau des Preußenstadions an der Hammer Straße. Die erste neue Tribüne konnte 2025 genutzt werden – ein emotionales Projekt, das Lewe persönlich begleitete.

Darüber hinaus baute Münster seine Zusammenarbeit mit den umliegenden Kreisen aus – etwa beim Telenotarzt-Projekt, das 2024 startete und binnen eines Jahres rund 1.000 Einsätze verzeichnete. Diese Kooperationen machten Münster zum Knotenpunkt regionaler Entwicklung, aber auch abhängig von gemeinsamer Finanzierung.

„Mit Dankbarkeit und Zuversicht“

Am Ende von 16 Jahren Amtszeit bleibt ein differenziertes Bild. Markus Lewe hat Münster sichtbar verändert: Die Stadt ist gewachsen, internationaler und digitaler geworden. Infrastruktur, Verwaltung und Krisenmanagement wurden modernisiert. Doch viele seiner Projekte bleiben unvollendet oder umstritten – etwa die Klimaziele, die Verkehrswende und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.

„Ich gehe mit Dankbarkeit und Zuversicht“, sagte Lewe bei seiner Verabschiedung. „Ich bin stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben.“ Münster blickt auf eine Ära zurück, in der Verwaltung, Politik und Bürgerschaft eng zusammengerückt sind – und auf eine Zukunft, die auf diesen Fundamenten weiterbauen kann.

In seiner 16-jährigen Amtszeit suchte Markus Lewe stets den Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern. So tauschte er sich im Mai mit Schülerinnen und Schülern der Melanchthonschule über ihre Ideen für die Zukunft des Stadtteils Coerde aus. ©Stadt Münster / MünsterView
Foto: Amt für Kommunikation / MünsterView / Witte

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