
Münster. Die US-Zollpolitik unter Donald Trump und ihre Folgen für Europa standen im Mittelpunkt einer hochkarätig besetzten Diskussion im Franz-Hitze-Haus in Münster. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur stellte sich am 31. Oktober gemeinsam mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche der Frage, wie Europa seine wirtschaftliche Widerstandskraft bewahren kann. Unter dem Titel „Verantwortung in Zeiten globaler Spannungen“ ging es um nicht weniger als die Zukunft der europäischen Wirtschaft in einem sich wandelnden Welthandel.
Gleich zu Beginn betonte Neubaur, dass ehrliche Politik auch die Bereitschaft zur gemeinsamen Verantwortung verlange. Mit Blick auf den Handelskonflikt mit den USA sprach sie von einem „Zeitalter tiefgreifender Erschütterungen“: Billige Energie, technologische Überlegenheit und Vertrauen in die Verlässlichkeit der USA seien verloren gegangen. Die Wirtschaftspolitik Trumps habe das regelbasierte System des Welthandels beschädigt und „das Recht des Stärkeren“ wieder in den Vordergrund gerückt.
In ihrer Rede warb Mona Neubaur in Münster für ein selbstbewussteres Europa, das sich seiner Stärken bewusst ist. NRW müsse auf internationale Herausforderungen nicht mit Abschottung, sondern mit Offenheit reagieren. „Wir sollten nicht entkoppeln, sondern Bündnispartner finden – in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“, forderte sie. Nur so könne Europa Wohlstand, Sicherheit und Frieden erhalten.
Mit dem Leitsatz „Europe First“ plädierte Neubaur dafür, eigene Regeln und Werte zu schützen, ohne sich vom Welthandel abzukehren. Europa solle sich seiner Innovationskraft und Produktivität erinnern – und lernen, wirtschaftliche Macht mit sozialer Verantwortung zu verbinden.
Der Abend war auch geprägt von der sozialethischen Perspektive der Kirche. Diözesanadministrator Dr. Antonius Hamers erinnerte daran, dass Wirtschaftsethik kein Randthema, sondern zentraler Bestandteil kirchlicher Verantwortung sei. Wenn über Zölle, Handel und Wettbewerb gesprochen werde, gehe es immer auch um Gerechtigkeit und Menschenwürde. Wirtschaft, so Hamers, müsse „Raum der Kooperation und des Gemeinwohls“ bleiben.
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Wie sich die US-Zollpolitik konkret auswirkt, zeigte Dr. Marcus Wirtz, Geschäftsführer der Jöst GmbH + Co. KG, einem Maschinenbauunternehmen mit Sitz in NRW und zwölf Tochtergesellschaften weltweit. Er berichtete von massivem bürokratischem Aufwand und empfindlichen Zöllen auf Aluminium, wenn Herkunftsnachweise fehlen. „Beim Aluminium müssen wir nachweisen, wo die erste und zweite Schmelze herkommen – sonst drohen 200 Prozent Zoll“, erklärte Wirtz.
Er forderte, Europa müsse „selbstbewusster verhandeln“ und sich auf Augenhöhe mit den USA positionieren. Nur ein geeintes Auftreten von Politik und Wirtschaft könne dem Handelsdruck standhalten.
Prof. Dr. Bernhard Emunds vom Nell-Breuning-Institut brachte eine ethische und zugleich praktische Perspektive ein. Trotz Herausforderungen wie schleppender Digitalisierung und Investitionsrückständen stehe Deutschland wirtschaftlich solide da, sagte er. Die Handelspolitik der USA jedoch gefährde fairen Wettbewerb.
Emunds plädierte für eine gerechtere und ökologisch nachhaltigere Globalisierung: Lieferketten sollten soziale und Umweltstandards sichern, statt sie zu untergraben. Langfristig brauche es „regionalere Kreisläufe“, um Abhängigkeiten zu verringern und den Welthandel zukunftsfähig zu machen.