Branche unter Druck: Prüfungen zeigen massive Probleme bei Zustellern

Kontrollen in NRW zeigen massive Verstöße bei Paketdiensten – lange Arbeitszeiten, fehlender Schutz und hoher Druck.
Foto: José Miguel

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Die Bedingungen, unter denen Paketzusteller in NRW arbeiten, stehen nach einer aktuellen Kontrollaktion des Arbeitsministeriums stärker denn je im Blick der Öffentlichkeit. Die Ergebnisse offenbaren eine Branche, in der hoher Zeitdruck, körperliche Belastung und fehlende Schutzmaßnahmen zum Alltag gehören. Besonders in den Wochen rund um Black Week und Weihnachten spitzt sich die Situation weiter zu, weil die Zustellmengen sprunghaft ansteigen und strukturelle Defizite sichtbarer werden.

Kontrollaktion deckt massive Verstöße bei Subunternehmen auf

Zwischen Mai und August 2025 ließ das NRW-Arbeitsministerium 54 Subunternehmen überprüfen und 225 Beschäftigte befragen. Das Ergebnis ist alarmierend: Mehr als die Hälfte der Firmen wies schwere Arbeitsschutzmängel auf, weitere 35 Prozent lagen im mittleren Problembereich. Lediglich sechs Prozent erfüllten die gesetzlichen Anforderungen ohne nennenswerte Defizite.

Besonders gravierend ist, dass Arbeitszeiten vielfach unvollständig oder gar nicht erfasst werden. Tätigkeiten wie Be- und Entladen, Fahrzeugpflege oder das Tanken gelten bei vielen Subunternehmen nicht als Arbeitszeit. Auch Pflichtunterweisungen fehlen häufig, und bei schweren Paketen werden notwendige Hilfsmittel wie Sackkarren nicht bereitgestellt.

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Alltag der Zusteller: Extreme Belastungen und hoher Krankenstand

Die befragten Zusteller berichten von täglichen Touren mit bis zu 300 Paketen und Schichten von bis zu zehn Stunden, obwohl gesetzlich maximal acht zulässig sind. Pro Sendung bleiben oft nur wenige Minuten. Wiederholungszustellungen, größere Bezirke und fehlende Schutzausrüstung verschärfen den Druck zusätzlich. Manche Fahrer nutzen mangels Firmenfahrzeugen sogar ihre privaten Autos.

Subunternehmer-System als strukturelle Schwachstelle

Arbeitsminister Karl-Josef Laumann sieht die Hauptursache im weit verzweigten Subunternehmer-System. Große Paketdienste wie DPD, GLS und Hermes beauftragen oft mehrere Ebenen von Sub- und Subsubunternehmen. Die tatsächliche Anzahl dieser Firmen ist kaum erfassbar. Dazwischen finden sich Betriebe mit hunderten Beschäftigten ebenso wie Ein-Mann-Unternehmen oder Taxiunternehmen, die nebenbei Pakete zustellen.

Eine Ausnahme bildet DHL: Der Marktführer arbeitet überwiegend mit eigenen Zustellern und galt in der Auswertung als unauffällig. Genau diese Struktur aus festen Beschäftigungsverhältnissen bewertet das Ministerium als stabiler und weniger fehleranfällig.

Forderung nach Reformen: Digitale Zeiterfassung und Verbot von Werkverträgen

Für Minister Laumann steht fest, dass digitale Arbeitszeiterfassung verpflichtend werden muss. Die Technik ist vorhanden, wird aber bisher fast ausschließlich für Pakettracking genutzt. Außerdem fordert er ein Verbot von Werkverträgen in der KEP-Branche – ähnlich wie in der Fleischindustrie, wo ein solcher Schritt zu messbaren Verbesserungen führte. Auf Bundesebene fehlt dafür allerdings die politische Mehrheit.

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