
Der Bund hat den Verkauf mehrerer ehemaliger Kasernengelände in Deutschland vorerst gestoppt – betroffen sind auch zahlreiche Städte in Nordrhein-Westfalen. Geplante Wohnprojekte und Konversionsflächen geraten damit ins Wanken. Grund für die Entscheidung sind sicherheitspolitische Neubewertungen durch das Verteidigungsministerium und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Die Kasernenverkäufe in NRW stehen unter Vorbehalt, bis geprüft ist, ob die Flächen künftig wieder für militärische Zwecke benötigt werden.
Für viele Städte in Nordrhein-Westfalen ist der Verkaufsstopp ein Rückschlag. Auf ehemaligen Bundeswehrstandorten sollten dringend benötigte Wohnungen entstehen – etwa in Bielefeld, Gütersloh oder Paderborn. Auf dem Gelände der früheren Rochdale-Kaserne in Bielefeld war ein neues Wohnquartier mit rund 650 Wohnungen geplant, in Gütersloh standen die Princess-Royal- und die Mansergh-Kaserne kurz vor der Umwandlung. Auch in Paderborn sollte eine Kaserne veräußert werden – der Kaufvertrag war bereits nahezu unterschriftsreif.
All diese Pläne sind nun gestoppt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums werden sämtliche Liegenschaften einer Sonderprüfung unterzogen. Erst wenn feststeht, dass kein militärischer Bedarf besteht, kann die BImA die Grundstücke an Städte oder Investoren verkaufen.
Der Hintergrund des Verkaufsstopps liegt in der veränderten weltpolitischen Lage. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die wachsenden Anforderungen der NATO prüft die Bundeswehr, welche Flächen sie langfristig selbst benötigt. Die einstige Idee, ehemalige Militärgelände flächendeckend in Wohn- oder Gewerbegebiete umzuwandeln, wird damit grundlegend überdacht.
Das Verteidigungsministerium spricht von einem „strategischen Prüfprozess“, um ausreichend Kapazitäten für Ausbildung, Materiallager oder neue Standorte bereitzuhalten. Damit rückt militärische Nutzung vorerst wieder in den Vordergrund – auf Kosten städtischer Entwicklungspläne.
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Besonders in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt wie Ostwestfalen oder dem Ruhrgebiet verschärft der Verkaufsstopp die Situation. Städte hatten die Konversionsflächen fest in ihre Wohnraumentwicklung eingeplant. Die Umwandlung von Kasernen galt als nachhaltige Lösung, um innerstädtisch neue Quartiere zu schaffen, ohne Grünflächen zu bebauen.
Stattdessen müssen Kommunen nun auf Zwischennutzungen ausweichen – etwa Sportvereine oder Start-ups, die leerstehende Hallen vorübergehend belegen. In Bielefeld nutzt der Verein TSVE einen alten Hangar der früheren Kaserne, doch auch das ist nur eine temporäre Lösung.
Die Entscheidung des Bundes markiert einen deutlichen Kurswechsel in der Liegenschaftspolitik. Jahrzehntelang galt die zivile Nachnutzung ehemaliger Militärflächen als Erfolgsmodell der Stadtentwicklung. Nun steht dieses Prinzip auf der Kippe.
Für die Kommunen bedeutet das nicht nur Verzögerungen, sondern auch finanzielle Belastungen. Kosten für Sicherung, Instandhaltung und Zwischennutzung der Areale steigen, während dringend benötigter Wohnraum ausbleibt. Ob und wann die gestoppten Kasernenverkäufe in NRW wieder freigegeben werden, ist derzeit offen.