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Thomas Lemke: Der mörderische Weg eines Neonazis

Serienmörder Thomas Lemke erschießt Martin K. im Treppenhaus.
Symbolbild

Am Abend des 15. März 1996 besucht André Luisetti, ein 73-jähriger Franzose mit nationalsozialistischem Hintergrund, Thomas Lemke, einen jungen Mann aus der rechtsextremen Szene. Luisetti lebt seit den 1980er Jahren im Ruhrgebiet und war in der Vergangenheit Mitglied der faschistischen „Chemise bleue“ in Frankreich. Der Besuch endet mit einer verstörenden Aussage: Lemke behauptet, bereits jemanden erschossen zu haben und plant, einen weiteren Mord zu begehen. Dieser Abend markiert den Beginn einer brutalen Mordserie, die das Land erschüttern wird.

Ein Mord im Treppenhaus

Nur wenige Stunden nach diesem Gespräch erschießt Thomas Lemke den 26-jährigen Martin K. im Treppenhaus eines Wohnhauses in Dorsten-Rhade. K., der aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen war und bereits gegen Lemke ausgesagt hatte, wird das Opfer von Lemkes Hass. Mit einem Schrotgewehr, geladen mit Munition, die eigentlich für die Jagd auf Wildschweine gedacht ist, tötet Lemke K. durch zwei Schüsse. Die Tat ist kaltblütig und geplant. Helga K., die Mutter der Freundin von Martin K., hört die Schüsse und ruft sofort den Namen „Lemke“ – sie wusste, wer hinter dem Mord steckte. Ihre Tochter hatte von Drohbriefen und Bedrohungen berichtet, die nach Lemkes Entlassung aus dem Gefängnis an Martin K. gerichtet waren. Der Mord an K. war das tragische Ende einer langen Fehde zwischen den beiden Männern.

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Der Beginn der Mordserie

Thomas Lemke wurde 1968 in Westdeutschland geboren. Als uneheliches Kind wuchs er ohne Kontakt zu seinem früh verstorbenen Vater auf. Schon früh geriet er in die rechtsextreme Szene. Seine schulische Laufbahn scheiterte, und auch beruflich blieb er erfolglos – mehrere Lehren brach er ab, und schließlich wurde er von der Bundeswehr ausgemustert. Ohne Perspektive wandte er sich immer stärker der Neonazi-Szene zu. Lemke, der sich selbst als „Nationalsozialist im Sinne der Genfer Konvention“ bezeichnete, posierte mit Hitlergruß, Kampfanzug und Panzerfaust für Fotos und sammelte Vorstrafen für Brandstiftung, Volksverhetzung, Körperverletzung und illegalen Waffenbesitz. Zeitweise war er auch als Söldner im Balkankrieg aktiv.

Im Jahr 1995 begann Lemke seine brutale Mordserie. Am 16. Juli dieses Jahres verabredete er sich mit seiner Freundin Bianka W. und einer Bekannten, Dagmar Kohlmann. Zusammen verschleppten sie Dagmar in ein Waldstück bei Altena. Dort wurde sie gefesselt, geknebelt und schließlich mit einem Seil erdrosselt. Lemke schlug anschließend mehrmals mit einem Klappspaten auf ihren Kopf ein, bevor er die Leiche in einem Erdloch verscharrte. Dieser Mord war nicht nur Ausdruck seiner Macht, sondern sollte auch Bianka an ihn binden. Bianka war von Lemke emotional abhängig – er war ihr erster und einziger Freund. Trotz seiner Gewalt und Misshandlungen hielt sie zu ihm.

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Der Mord in Bergisch Gladbach

Nur wenige Monate später, am 3. Februar 1996, verübte Lemke gemeinsam mit einem Komplizen, Marcel M., einen weiteren Mord. Zusammen drangen sie in die Wohnung von Patricia Wright in Bergisch Gladbach ein, einer jungen Frau, die er zuvor wegen eines „Nazis raus“-Buttons am Bahnhof Hagen angesprochen hatte. Patricia wurde zum Ziel von Lemkes brutaler Gewalt. Nachdem sie gefesselt und misshandelt wurde, vergewaltigte Lemke sie und stach insgesamt 91 Mal auf sie ein. Die beiden Männer flohen nach der Tat, aber die Gewaltspur, die Lemke hinterließ, war unübersehbar.

Ein erschütternder Abschluss

Am 15. März 1996 – nur wenige Stunden nach dem Gespräch mit Luisetti – erschoss Lemke schließlich Martin K. K. hatte zuvor gegen Lemke ausgesagt und ihn wegen Bedrohung angezeigt. Der Mord an K. markierte den Höhepunkt einer Serie von Gewalttaten, die Lemke aus tiefem Hass und seiner rechtsextremen Ideologie heraus verübte. Trotz mehrfacher Vorwarnungen und Drohungen gelang es den Behörden nicht, Lemke rechtzeitig festzunehmen.

Verhaftung und Verurteilung

Im März 1997 wurde Thomas Lemke wegen dreifachen Mordes, Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Das Landgericht Essen stellte die besondere Schwere der Schuld fest, was eine vorzeitige Haftentlassung ausschließt. Es wurde zudem seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in Sicherungsverwahrung angeordnet, die nach Verbüßung der Haftstrafe erfolgen soll. Es war die höchstmögliche Strafe, die das Landgericht Essen nach dem Zweiten Weltkrieg verhängt hat. Die Begründung des Urteils zählt zu den eindringlichsten und bedeutsamsten in einem Prozess dieser Art.

Richter Rudolf Esders erklärte, dass Lemkes Verhalten während der Hauptverhandlung von Hass geprägt war – ein Hass, der sich fast auf archaische Weise auf die Familien seiner Opfer ausdehnte. Der psychiatrische Gutachter bestätigte, dass Lemke an einer schweren psychischen Störung leide. Dies mache sein Verhalten in gewisser Weise erklärbar, obwohl die Brutalität seiner Taten unentschuldbar bleibt. Lemke zeigte während des Prozesses keine Reue und machte antisemitische Kommentare, die von einigen Neonazis im Gerichtssaal mit Applaus bedacht wurden. Diese Störer wurden jedoch umgehend zur Ordnung gerufen und für mehrere Tage in Haft genommen.

Lemkes beiden Komplizen, Bianka W. und Marcel M., wurden ebenfalls verurteilt: Bianka erhielt sechs Jahre Haft, Marcel fünf Jahre. Während des gesamten Prozesses zeigte Lemke eine verstörende Kaltschnäuzigkeit und genoss es offenbar, besonders grausam zu erscheinen. In einem Verhör schilderte er ohne jede Regung, wie das Blut und die Därme aus dem Bauch seines letzten Opfers quollen, obwohl er Martin K. tatsächlich in die Brust geschossen hatte.

Psychologische Hintergründe

Lemke hatte über Jahre hinweg eine Fassade aufgebaut, die seine tiefen Defizite verdecken sollte. Der psychiatrische Gutachter stellte fest, dass seine rechtsextreme Ideologie ihm als Versteck und Tarnung diente. Durch seine Zugehörigkeit zur Neonazi-Szene fand er eine vermeintliche Rechtfertigung für die Ausgrenzung, die er durch seine Umwelt erfuhr. Dies machte seine psychischen Unzulänglichkeiten für ihn erträglicher: Nicht seine Persönlichkeit oder seine eigenen Schwächen waren in seinen Augen der Grund für seine Isolation, sondern seine „Kampfbereitschaft“ für die „gute Sache“.

Lemkes Kindheit war von emotionaler Vernachlässigung geprägt. Er wurde als unerwünschtes Kind geboren, das Produkt einer flüchtigen Urlaubsbekanntschaft. Seine Eltern heirateten nicht, und seine Mutter war gezwungen, den Sohn alleine großzuziehen. Durch ihre berufliche Belastung hatte sie wenig Zeit für ihn, und möglicherweise fehlte es ihr auch an der Fähigkeit zu liebevoller Zuwendung. Lemke wuchs ohne klare Strukturen und emotionale Sicherheit auf – ein Nährboden für seine spätere Radikalisierung.

Der Fall Lemke zeigt, wie gefährlich solche Ideologien werden können, wenn sie auf Menschen mit psychischen Störungen treffen. Während Lemkes Geschichte hinter Gittern endet, bleiben die schmerzhaften Erinnerungen an seine Taten bestehen. Seine Verbrechen verdeutlichen die zerstörerische Macht des Hasses und der Radikalisierung.