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Autoarme Altstadt Münster: Streit um Parkplätze und Verkehrswende

Technische Probleme bei der Online-Kfz-Zulassung im Münsterland scheinen größtenteils behoben. Münster und Coesfeld melden Fortschritte, während Warendorf noch nachzieht.Mehr Autos denn je
Foto: Nile auf Pixabay

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Münsters Altstadt steht vor einem einschneidenden Wandel. Die Rathauskoalition aus Grünen, SPD und Volt treibt die Verkehrswende in der Innenstadt voran. Sie will eine weitgehend autoarme Altstadt schaffen. Dafür werden aktuell zahlreiche öffentliche Parkplätze im Stadtkern abgebaut. Wo früher Autos am Straßenrand parkten, sollen künftig Fußgänger und Radfahrer mehr Raum erhalten. Dieses Vorhaben sorgt für emotionale Debatten. Während Befürworter eine höhere Lebensqualität erwarten, fürchten Kritiker um die Erreichbarkeit der Innenstadt und sehen bestimmte Gruppen benachteiligt.

Weniger Parkplätze – mehr Lebensqualität

Künftig werden in Münsters historischer Innenstadt deutlich weniger Autos stehen. Das neue Konzept sieht vor, den öffentlichen Parkraum drastisch zu reduzieren. Oberirdische Parkplätze entfallen in vielen Altstadtstraßen; stattdessen sollen Autofahrer auf große Parkhäuser (etwa am Stadtrand oder den Schlossplatz) ausweichen. In einigen Straßenzügen werden nur noch Behindertenparkplätze sowie Ladezonen für Liefer- und Pflegedienste eingerichtet. Im Kiepenkerl-Viertel beispielsweise ist die Durchfahrt bald nur noch für Anwohner und Lieferverkehr erlaubt, eventuell mit Kurzzeitparkmöglichkeiten für Anlieger. Gleichzeitig sperrt die Stadt mehrere Straßen komplett für den Durchgangsverkehr, um den historischen Stadtkern ruhiger und sicherer zu machen. So wird etwa die Königsstraße für den Autoverkehr reguliert und die Aegidiistraße in eine Fahrradstraße umgewandelt. All diese Maßnahmen sollen eine lebendigere, sicherere und umweltfreundlichere Altstadt schaffen.

Die Gründe für diesen Umbau liegen auf der Hand: Täglich quälen sich rund 300.000 Autos über Münsters Stadtgrenzen. Lärm, Abgase und Staus prägen das Bild – obwohl viele PKW die meiste Zeit ungenutzt Fläche blockieren. Die Stadt Münster hat das ehrgeizige Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden. Eine deutliche Reduzierung des innerstädtischen Autoverkehrs gilt als Schlüssel, um dieses Ziel zu erreichen. Weniger Verkehr bedeutet weniger CO2-Ausstoß, weniger Feinstaub und vor allem weniger Lärm. Davon verspricht man sich eine höhere Aufenthaltsqualität für alle, die die Innenstadt zum Einkaufen, Bummeln oder Verweilen besuchen. Das neue Verkehrskonzept wird schrittweise umgesetzt, um eine Übergangsphase zu ermöglichen. Bereits in den vergangenen Jahren gab es Vorboten dieser Entwicklung: So wurde etwa der zentrale Domplatz 2022 per Ratsbeschluss weitgehend autofrei, um mehr Platz für Fußgänger und Märkte zu schaffen.

Zustimmung und Kritik aus der Bevölkerung

Die Vision einer fast autofreien Innenstadt polarisiert die Menschen im Münsterland. Viele Anwohner*innen und Besucher begrüßen den Schritt. Sie freuen sich über weniger Blech in den Gassen und hoffen auf eine attraktivere City mit mehr Fußgängerzonen, Cafés und Grünflächen. „Endlich werden die Versprechen für mehr Radverkehr und Klimaschutz umgesetzt“, sagen Befürworter und verweisen darauf, dass Münster als Fahrradstadt prädestiniert für eine solche Veränderung ist. Tatsächlich sind in Münster bereits jetzt mehr als 100.000 Fahrräder täglich unterwegs, und der ÖPNV soll parallel durch günstigere Tarife und bessere Taktung gestärkt werden. Beispiele aus anderen Städten zeigen ebenfalls positive Effekte: In vergleichbaren Projekten stiegen nach einer Gewöhnungsphase die Besucherzahlen in der Innenstadt, während Schadstoffe und Verkehrsstaus zurückgingen. Solche Argumente nähren die Hoffnung, dass Münsters Altstadt langfristig lebenswerter und auch wirtschaftlich attraktiver wird.

Doch es gibt auch lautstarke Kritik und Sorgen. Vor allem einige Pendler und ältere Menschen aus dem Umland fühlen sich ausgeschlossen. Sie befürchten, künftig nicht mehr bequem ins Zentrum zu gelangen. In Online-Kommentaren bei reddit ist von der „autounfreundlichsten Stadt“ die Rede, die Besucher vergraule. Insbesondere Bürger außerhalb Münsters kündigen an, weniger in die Stadt zu kommen, wenn das Parken am Straßenrand wegfällt. Kritiker monieren, die Innenstadt dürfe nicht nur einer jungen, gesunden und wohlhabenden Klientel vorbehalten sein – auch Senioren, Menschen mit Handicap und Geringverdiener müssten sie erreichen können. Zudem sorgen sich einige Einzelhändler, dass weniger Parkplätze zu Umsatzeinbußen führen könnten, falls Kunden ausbleiben.

Herausforderung: Kompromisse und Lösungen

Stadtverwaltung und Politik bemühen sich, diese Bedenken ernst zu nehmen. Im neuen Konzept sind Ausnahmen vorgesehen, damit etwa Ältere und mobilitätseingeschränkte Personen weiterhin Zugang zur Innenstadt behalten – sei es durch spezielle Genehmigungen, Shuttle-Busse oder Taxi-Halteplätze in Zentrumsnähe. Auch für Gottesdienstbesucher am Dom und Patienten der umliegenden Arztpraxen sollen Lösungen geschaffen werden, etwa reservierte Kurzzeit-Stellflächen. Gleichzeitig wird der Ausbau von Park-and-Ride-Angeboten am Stadtrand vorangetrieben, damit Besucher ihr Auto außerhalb abstellen und bequem per Bus oder Bahn ins Zentrum fahren können. Die Stadt setzt außerdem auf innovative Ideen wie On-Demand-Shuttles (Projekt „Loop“ in Stadtteilen) und den Ausbau von Mobilstationen, an denen Carsharing-Autos, Leihräder und der ÖPNV verknüpft werden.

Aus Sicht des Handels vor Ort ist entscheidend, Alternativen für die Erreichbarkeit zu schaffen, bevor man Autos verbannt. „Ein einfaches Verbot reicht nicht. Wir müssen zuerst neue Möglichkeiten etablieren und dann den Wandel einläuten“, betont Michael Radau, der Präsident des Handelsverbands NRW. Die Kaufleute in Münster stehen einer autoarmen Altstadt nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber – im Gegenteil sehen viele darin langfristig eine Chance für eine attraktivere City. Wichtig ist ihnen aber, dass die Innenstadt weiterhin für alle Kundengruppen erreichbar bleibt. Hier wird die Stadt in den kommenden Monaten liefern müssen: etwa durch ein besseres Bus-Angebot, mehr Fahrradinfrastruktur und deutliche Hinweise auf freie Plätze in den Parkhäusern (ein modernes Parkleitsystem).

Münster als Vorreiter?

Die nächsten Schritte für Münsters Verkehrswende sind bereits terminiert: Noch im Laufe dieses Jahres sollen die beschlossenen Änderungen in der Altstadt umgesetzt werden. Im Mai und Juni letzten Jahres hat der Stadtrat dafür grünes Licht gegeben. Jetzt geht es an die konkrete Gestaltung der Straßen und Plätze. Viele Augen sind auf dieses Projekt gerichtet – Münster könnte bei Erfolg zur Modellstadt für eine moderne, autoarme Innenstadt werden. Städte wie Gent und Kopenhagen haben vorgemacht, dass Innenstädte mit weniger Autos nicht nur ökologisch profitieren, sondern auch wirtschaftlich und sozial. Münster mit seiner Mischung aus historischem Flair, reger Fahrradkultur und engagierter Bürgerschaft hat das Potenzial, diesen Spagat zu schaffen.

Ob die autoarme Altstadt Münster am Ende ein voller Erfolg wird, muss sich zeigen. Sicher ist: Das Thema bewegt die Region und hat schon jetzt für viel Gesprächsstoff gesorgt – an Stammtischen, in Sozialen Medien und auf dem Rathausplatz. Die kommenden Monate werden beweisen, ob die Verkehrsberuhigung im Herzen Münsters zum Vorbild für andere Städte taugt oder ob nachgebessert werden muss. In jedem Fall hat die Debatte etwas erreicht, was für eine lebendige Demokratie wichtig ist: Die Münsteraner setzen sich intensiv mit der Zukunft ihrer Innenstadt auseinander. Und genau dieses Engagement lässt hoffen, dass am Ende eine Lösung steht, die möglichst viele Menschen mitnimmt – hin zu einer Innenstadt mit mehr Platz für Menschen und weniger für Autos.