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Ruja Ignatova: Milliardenbetrug, internationale Flucht und ein Prozess in Münster

Ruja Ignatova
OneCoin Coporation, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Bulgarien, Deutschland, Dubai – und ein weltweit operierender Milliardenbetrug: Die Geschichte von Ruja Ignatova, genannt die „Cryptoqueen“, klingt wie ein Thriller, ist aber Realität. Die promovierte Unternehmerin gründete 2014 die Kryptowährungsfirma OneCoin und brachte Anleger weltweit um Milliarden. 2017 verschwand sie spurlos. Bis heute jagen internationale Ermittler die flüchtige OneCoin-Erfinderin: mit neuen Erkenntnissen, Gerichtsprozessen und Fahndungsaufrufen sogar noch im Jahr 2025.

Frühe Jahre und beruflicher Aufstieg

Ruja Ignatova wurde 1980 in Bulgarien geboren und zog als Kind mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie galt als hochbegabt und studierte Rechtswissenschaften. 2005 schloss sie ihre Promotion an der Universität Konstanz ab und erwarb später einen Master in Oxford. Beruflich startete sie als Beraterin bei McKinsey in Sofia. Bereits vor OneCoin geriet Ignatova in rechtliche Grauzonen. 2012 übernahm sie eine marode Gießerei in Waltenhofen im Allgäu. Offiziell pries sie sich als Retterin der Firma, tatsächlich wurde sie wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Kurz darauf tauchte ihr Name in einem fragwürdigen Krypto-Netzwerk namens BigCoin auf.

Trotz des Strafurteils setzte Ignatova ihre Karriere fort. 2014 gründete sie gemeinsam mit Partnern – darunter der Schwede Karl Sebastian Greenwood – das Unternehmen OneCoin in Bulgarien. Mit akademischem Titel und charismatischem Auftreten stilisierte sich Dr. Ruja zur Visionärin einer neuen Digitalwährung. Auf prunkvollen Events präsentierte sie sich in Abendkleidern vor tausenden Zuschauern und versprach eine Finanzrevolution. OneCoin werde als „Bitcoin-Killer“ die führende Kryptowährung der Welt. 2016 rühmte sie sich in London, OneCoin habe bereits über zwei Millionen Nutzer.

OneCoin als Milliardenbetrug

Hinter der Fassade von OneCoin verbarg sich ein gigantisches Ponzi-System. Das Unternehmen verkaufte Lehrpakete und angebliche Kryptowährungstokens in einem Multi-Level-Marketing-System. Eine echte Blockchain gab es nicht, der Kurs wurde intern nach Belieben festgelegt. Anlegern wurden hohe Gewinne vorgespiegelt, während Ignatova intern von einer „wertlosen Währung“ sprach und schon 2014 einen Plan diskutierte, das Geld mitzunehmen und zu verschwinden. Der Schaden wuchs rasant. Schätzungsweise drei Millionen Menschen investierten in OneCoin, viele in der Hoffnung auf schnellen Reichtum.

Von Ende 2014 bis Ende 2016 nahm das Unternehmen rund vier Milliarden US-Dollar ein. Die Londoner Times bezeichnete OneCoin später als einen der größten Betrugsfälle aller Zeiten. Finanzaufsichtsbehörden griffen ein. Die deutsche BaFin untersagte 2017 jede Geschäftstätigkeit in Deutschland. Auch in Indien und anderen Ländern gingen Ermittler gegen lokale Vertreter vor. Ignatova schien zunächst unantastbar und führte ein Luxusleben mit Yachten, teuren Immobilien und Privatjets. Ihre Auftritte auf internationalen Bühnen, in Designerroben und mit selbstbewussten Ansprachen, festigten das Bild einer unaufhaltsamen Unternehmerin, die vermeintlich das Finanzsystem neu erfinden würde.

Verschwinden der Gründerin

Im Herbst 2017 verdichteten sich die Hinweise, dass die internationalen Ermittlungen für Ignatova gefährlich wurden. Am 25. Oktober sollte sie bei einer OneCoin-Veranstaltung in Lissabon auftreten, erschien dort jedoch nicht. Stattdessen bestieg sie in Sofia ein Flugzeug nach Athen und verschwand. Seit diesem Tag gibt es kein bestätigtes Lebenszeichen mehr. Kurzzeitig meldete eine bulgarische Nachrichtenseite ihre Festnahme in München, doch die Meldung war falsch. Ermittler vermuten, dass Ignatova vorgewarnt wurde. US-Behörden gehen davon aus, dass ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter ihr Informationen zukommen ließ, um ihre Flucht zu ermöglichen. Sie soll Bargeld und möglicherweise Diamanten mitgenommen haben. Ihr Verschwinden löste zahlreiche Spekulationen aus. Manche glaubten, sie lebe unter falscher Identität, andere hielten einen gewaltsamen Tod für möglich. Offizielle Stellen verfolgten jedoch weiter die Spur einer lebenden Verdächtigen. Interpol, Europol und nationale Behörden setzten sie auf Fahndungslisten.

Internationale Fahndung und juristische Folgen

Nach ihrem Verschwinden intensivierten sich die Ermittlungen. Bereits vor ihrer Flucht hatten US-Behörden Anklage gegen sie erhoben. 2019 wurde ihr Bruder Konstantin Ignatov in Los Angeles verhaftet. Er führte nach ihrem Abtauchen OneCoin weiter und kooperierte später mit den Ermittlern. Auch Mitgründer Sebastian Greenwood wurde 2018 in Thailand festgenommen und an die USA ausgeliefert. Dort bekannte er sich 2022 schuldig. Mehrere weitere Helfer wurden angeklagt, darunter Anwälte, die Millionen für Ignatova gewaschen haben sollen. In Deutschland läuft ein Verfahren gegen ihren Ex-Ehemann. 

Ein Münchener Anwalt, der für Ignatova Immobilien in London kaufte, wurde 2024 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Das FBI setzte Ignatova 2022 als erste Krypto-Betrügerin auf seine Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher. Die US-Regierung erhöhte die Belohnung 2024 auf bis zu fünf Millionen US-Dollar. Die deutschen Behörden lobten im Vergleich nur 5.000 Euro aus. Das FBI warnte, sie könne ihr Aussehen verändert haben und reise möglicherweise mit bewaffnetem Schutz.

Münster als zentraler Gerichtsstandort im OneCoin-Fall

Eine besondere Rolle bei der juristischen Aufarbeitung in Deutschland spielte das Landgericht Münster. Hier fand ab 2023 ein aufsehenerregender Strafprozess gegen mehrere OneCoin-Vermittler statt, die das betrügerische Krypto-System gezielt im Münsterland und in anderen Teilen Nordrhein-Westfalens beworben hatten. Die Angeklagten organisierten Informationsveranstaltungen, warben Freunde, Bekannte und Geschäftspartner an und präsentierten OneCoin als seriöse Zukunftsinvestition. Viele der Geschädigten stammten aus der Region, einige investierten fünf- bis sechsstellige Beträge. 

Die Staatsanwaltschaft warf den Beteiligten vor, Anlegergelder bewusst in ein betrügerisches System geleitet zu haben, das von Beginn an keinen realen Gegenwert bot. Das Verfahren endete mit teils mehrjährigen Haftstrafen und Bewährungsurteilen, abhängig von der Höhe der erlangten Summen und dem individuellen Tatbeitrag. Der Prozess machte deutlich, wie tief das Schneeballsystem auch in lokale Netzwerke eingedrungen war und wie schwer die finanziellen Schäden für Betroffene in Münster und Umgebung bis heute wiegen.

Internationale Vermögenssicherung und Fahndung 2025

Parallel zu den Verfahren in Münster und anderen Städten suchen Ermittler weltweit weiter nach dem verschwundenen Vermögen der Haupttäterin. In London wurden bereits 2021 zwei Luxusimmobilien beschlagnahmt, die auf Ruja Ignatova zurückzuführen sind. Sie wurden 2024 versteigert, der Erlös von rund zehn Millionen Euro wurde auf einem Treuhandkonto gesichert. Im Mai 2025 ordnete das Landgericht Bielefeld an, insgesamt 20 Millionen Euro aus ihrem Vermögen zugunsten der Opfer einzuziehen. Ein Teil dieser Gelder liegt auf der Kanalinsel Guernsey, weitere Millionen werden in Dubai vermutet. Für die dortigen Werte läuft derzeit ein Rechtshilfeersuchen an die Vereinigten Arabischen Emirate. Zusätzlich erwirkte ein britisches Gericht im August 2024 eine weltweite Einfrieranordnung für alle bekannten Vermögenswerte Ignatovas.

Trotz dieser Erfolge bleibt der Großteil der rund vier Milliarden US-Dollar, die OneCoin Anlegern entzogen hat, verschwunden. Offiziell gehen die Ermittler davon aus, dass Ruja Ignatova noch lebt. Zwar berichteten Medien 2023 unter Berufung auf bulgarische Quellen, sie sei 2018 von Unterweltgrößen ermordet worden, doch diese Angaben sind bis heute unbestätigt. Eine Leiche wurde nie gefunden. Die internationale Fahndung läuft 2025 weiter: mit internationalen Haftbefehlen, hohen Belohnungen von bis zu fünf Millionen US-Dollar und dem Einsatz moderner Fahndungstechnik. Der Fall zählt weiterhin zu den spektakulärsten und rätselhaftesten Wirtschaftskriminalfällen der vergangenen Jahrzehnte.

Die Geschichte von Ruja Ignatova im Überblick

1980

Geburt von Ruja Ignatova in Ruse, Bulgarien.

1990er Jahre

Übersiedlung mit der Familie nach Deutschland, Schulzeit in Schramberg (Baden-Württemberg).

2005

Promotion in Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz.

Masterabschluss an der University of Oxford.

2012

Übernahme einer Gießerei in Waltenhofen (Allgäu).

Später Verurteilung zu 14 Monaten auf Bewährung wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs.

2013

Beteiligung am fragwürdigen Krypto-Netzwerk „BigCoin“.

2014

Gründung von OneCoin Ltd. in Sofia, Bulgarien, gemeinsam mit Karl Sebastian Greenwood.

Beginn weltweiter Vertriebsveranstaltungen im Multi-Level-Marketing-Stil.

2015–2016

OneCoin gewinnt Millionen Anleger weltweit, Einnahmen in Milliardenhöhe.

Auftritte auf glamourösen Events, Vermarktung als „Bitcoin-Killer“.

Erste Warnungen von Finanzaufsichtsbehörden in mehreren Ländern.

April 2017

Die deutsche BaFin untersagt sämtliche OneCoin-Geschäfte in Deutschland.

25. Oktober 2017

Geplanter Auftritt in Lissabon, stattdessen Flug von Sofia nach Athen – dort verliert sich ihre Spur.

Februar 2018

Erweiterte Anklage in den USA wegen Betrugs, Geldwäsche und Wertpapiervergehen.

November 2018

Mitgründer Sebastian Greenwood in Thailand verhaftet, später in die USA ausgeliefert.

März 2019

Veröffentlichung der US-Anklage gegen Ignatova.

Verhaftung von Konstantin Ignatov in Los Angeles.

Juli 2022

Ruja Ignatova wird auf die FBI-Liste der „Ten Most Wanted Fugitives“ gesetzt.

2023

BBC berichtet über Mordgerüchte, angeblich 2018 in Bulgarien getötet. Keine Bestätigung.

Prozessbeginn gegen deutsche OneCoin-Vermittler vor dem Landgericht Münster.

Mai 2024

Münchener Anwalt wegen Geldwäsche für Ignatova verurteilt.

Britisches Gericht friert weltweit Vermögenswerte ein.

Juni 2024

US-Regierung erhöht Belohnung für Hinweise auf bis zu 5 Millionen US-Dollar.

Mai 2025

Landgericht Bielefeld entscheidet über Einziehung von rund 20 Millionen Euro aus Ignatovas Vermögen.

Stand 2025

Keine bestätigte Sichtung. Ermittler gehen davon aus, dass sie noch lebt.

Fahndung läuft weltweit mit hoher Belohnung und internationalen Haftbefehlen.

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