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Abschiebung nach Tadschikistan: Gericht prüft Fall eines verurteilten Ex-IS-Kämpfers aus Warendorf

Femizid Coesfeld: Lebenslange Haftstrafe für Mord an Ex-Frau bestätigt durch Landgericht Münster. Ein Sohn steht in Versmold wegen Beihilfe zum Totschlag vor Gericht. Er half seinen Eltern beim geplanten Suizid mit Helium.
Foto: Kelly Sikkema

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Münster/Warendorf. Der Fall eines tadschikischen Staatsbürgers sorgt erneut für Aufmerksamkeit – nicht nur in Münster, sondern auch bundesweit. Der Mann, der 2017 in Deutschland wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (IS) verurteilt wurde, lebt seit seiner Haftentlassung mit seiner Familie im Kreis Warendorf. Die Behörden planen seine Abschiebung. Doch die juristische Lage ist komplex.

Geplante Abschiebung endete mit SEK-Einsatz

Im Februar 2025 eskalierte die Situation. Bei einem routinemäßigen Polizeitermin in Oelde sollte der Mann in Abschiebehaft überführt werden. Er bedrohte sich selbst mit einem Cuttermesser, verletzte sich leicht am Bauch und beschädigte den Eingangsbereich der Wache mit einem Stuhl. Erst der Einsatz von Spezialkräften konnte ihn zur Aufgabe bewegen. Seitdem steht er unter regelmäßiger Meldepflicht – zweimal pro Woche bei der Polizei.

Abschiebestopp durch Oberverwaltungsgericht

Wenige Tage nach dem Vorfall stoppte das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG NRW) die geplante Abschiebung in einem Eilverfahren. Begründung: Niemand dürfe in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm Folter oder Lebensgefahr drohen. Dieses Verbot gilt laut Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention auch für verurteilte Straftäter. Das Gericht zweifelte zudem an der Verlässlichkeit der Zusicherungen der tadschikischen Regierung zur Sicherheit des Mannes.

Tadschikistan: Menschenrechtliche Bedenken

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch dokumentieren regelmäßig Fälle von Folter und Misshandlung in tadschikischen Gefängnissen. Oppositionelle, Journalisten und Rückkehrer gelten als besonders gefährdet. Das OVG bezog sich in seiner Entscheidung unter anderem auf Berichte über politische Repression und systematische Gewalt gegen Regimegegner.

Verwaltungsgericht Münster verhandelt am 27. August

Am Mittwoch, den 27. August 2025, befasst sich das Verwaltungsgericht Münster in der Hauptverhandlung mit der zentralen Frage: Durfte die Ausländerbehörde das bestehende Abschiebeverbot aufheben? Dabei geht es nicht um die ursprüngliche Asylentscheidung, sondern um deren nachträgliche Änderung durch die Behörde.

Das Gericht muss prüfen, ob sich die Risikolage des Mannes maßgeblich verändert hat – etwa durch neue Erkenntnisse oder Entwicklungen in Tadschikistan. Auch die Qualität der diplomatischen Zusicherungen steht im Fokus. Solche Zusagen müssen konkret, überprüfbar und glaubwürdig sein. Andernfalls können sie das Verbot einer Abschiebung nicht aushebeln.

Mögliche Folgen der Entscheidung

Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben. Sollte das Verwaltungsgericht das Abschiebeverbot bestätigen, bleibt die Rückführung des Mannes nach Tadschikistan ausgeschlossen – unabhängig von seiner kriminellen Vergangenheit. Wird das Verbot jedoch für rechtmäßig aufgehoben erklärt, wäre eine Abschiebung zumindest formal wieder möglich. Praktisch könnte ein weiteres Eilverfahren beim OVG erneut aufschiebende Wirkung entfalten.

Politische Kritik am Aufwand

Landrat Olaf Gericke (CDU) hatte bereits nach dem Vorfall in Oelde kritisiert, wie aufwendig und personalintensiv Abschiebungen selbst bei klarer Rechtslage seien. Die Ausländerbehörden und die Polizei müssten „einen immensen Kraftakt leisten“, um geltendes Recht durchzusetzen, so Gericke.

Urteil bleibt abzuwarten

Ob das Verwaltungsgericht Münster sein Urteil direkt nach der mündlichen Verhandlung verkündet, ist bislang unklar. Beobachter rechnen jedoch mit einer weitreichenden rechtlichen Einordnung, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben könnte.

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