
Münster/Borken. Eine neue Untersuchung der Transport Technologie-Consult Karlsruhe GmbH (TTK) bringt Bewegung in die lange diskutierte Reaktivierung der Bahnstrecke Münster–Borken–Bocholt. Nach Einschätzung der Gutachter wäre ein Wiederaufbau grundsätzlich wirtschaftlich machbar – vorausgesetzt, die Planungen werden realistisch angepasst und politisch unterstützt.
Der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) hatte 2024 in seiner Aktualisierung der Machbarkeitsstudie festgestellt, dass die Reaktivierung in fünf von sechs untersuchten Varianten wirtschaftlich nicht tragfähig sei. Die berechneten Nutzen-Kosten-Indikatoren (NKI) lagen meist zwischen 0,2 und 0,7 – und damit unter der Fördergrenze. Lediglich die Teilreaktivierung zwischen Borken, Coesfeld und Münster erreichte mit einem NKI von rund 1,6 einen positiven Wert.
Die hohen Kosten resultierten vor allem aus aufwändigen Tunnel- und Brückenbauten, die aus der Einstufung der Trasse als „neue Verkehrsanlage“ abgeleitet wurden. Das neue Gutachten der TTK stellt genau diese Prämisse nun in Frage: Nach Auffassung der Karlsruher Fachleute könnten auch technisch gesicherte Bahnübergänge rechtlich zulässig und sicher genug sein. Das würde die Investitionskosten erheblich reduzieren und damit die Wirtschaftlichkeit der Gesamtstrecke deutlich verbessern.
Bereits eine Nachfrageprognose aus dem Jahr 2020 hatte gezeigt, dass auf der Strecke täglich rund 6.800 Fahrgäste zu erwarten wären. Damit würde die Verbindung zwischen Bocholt, Borken, Coesfeld und Münster nicht nur die Region Westmünsterland besser anbinden, sondern auch eine umweltfreundliche Alternative zum Autoverkehr bieten.
Zudem könnte die Bahnlinie wichtige Querverbindungen im Münsterland stärken – etwa zwischen den Oberzentren Münster und Borken sowie dem Bahnknoten Coesfeld. Pendlerinnen und Pendler aus dem Westmünsterland würden deutlich kürzere Wege in die Stadt erhalten, während Münster seinerseits von einer Entlastung des Berufsverkehrs profitieren könnte.
Im Kern geht es um eine juristische Auslegung: Der NWL hatte die stillgelegte Strecke als Neubauprojekt gewertet, da große Teile seit den 1980er-Jahren entwidmet und teilweise verkauft wurden. Nach dieser Lesart müssten sämtliche Bahnübergänge durch kreuzungsfreie Lösungen ersetzt werden. Die TTK-Gutachter halten diese Einstufung jedoch nicht für zwingend – aus ihrer Sicht könne die Bahnlinie als Reaktivierung behandelt werden, was deutlich geringere bauliche Anforderungen und Kosten bedeute.
Diese Neubewertung könnte entscheidend sein: Wenn die rechtliche Einschätzung Bestand hat, ließe sich das Projekt möglicherweise mit einem positiven Nutzen-Kosten-Wert (NKI) neu bewerten – und damit wieder in die Förderfähigkeit des Bundesverkehrswegeplans bringen.
Ob die Strecke tatsächlich reaktiviert wird, hängt nun von den beteiligten Kommunen, dem Zweckverband Mobilität Münsterland (ZVM) und dem NWL ab. In der Region ist das Interesse groß: Kommunen wie Borken, Rhede und Bocholt hatten sich wiederholt für eine bessere Schienenanbindung ausgesprochen. Allerdings gibt es auch konkurrierende Projekte – etwa Pläne für den Radschnellweg RS2, der auf Teilen der alten Trasse verlaufen könnte.
Die Karlsruher Studie spricht dennoch eine klare Empfehlung aus: Der begonnene Prozess solle fortgeführt und die Planungen unter realistischen Annahmen neu aufgestellt werden. Damit sei der Weg frei für eine zweite Chance der Westmünsterlandbahn – sofern die Politik den Willen zeigt.