
In Münster müssen deutlich weniger Jugendliche wegen Alkoholvergiftungen im Krankenhaus behandelt werden als noch vor einigen Jahren. Das zeigen aktuelle Daten des statistischen Landesamtes. Gleichzeitig verschiebt sich das Bild beim sogenannten Komasaufen: Während Jungen immer seltener betroffen sind, landen inzwischen häufiger Mädchen und junge Frauen in der Klinik.
Die Zahlen sind eindeutig: Im vergangenen Jahr wurden in Münster insgesamt 40 Jugendliche mit einer akuten Alkoholvergiftung stationär behandelt – jeweils 20 Jungen und 20 Mädchen. Noch 2016 lag diese Zahl bei 167 Fällen und damit mehr als viermal so hoch. Die Entwicklung ist kein Ausreißer, sondern setzt einen langfristigen Trend fort. Bereits in den Jahren vor der Pandemie waren die Zahlen rückläufig, und 2020 registrierten die Kliniken in Münster mit 52 Fällen den niedrigsten Stand seit Langem.
Auch im NRW-Vergleich zeigt sich ein ähnliches Bild. Landesweit gehen die Krankenhausaufnahmen wegen akuter Alkoholintoxikation bei Jugendlichen seit Jahren zurück. Im Jahr 2023 wurden laut Landesstatistik rund 1.800 Jugendliche behandelt – ein Minus von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Münster folgt dieser Entwicklung, liegt aber traditionell leicht über dem Landesschnitt.
Die neue Statistik zeigt allerdings eine deutliche Veränderung innerhalb der Altersgruppe. Während vor einigen Jahren vor allem Jungen und junge Männer nach exzessivem Trinken in Münsters Kliniken landeten, hat sich das Verhältnis inzwischen grundlegend verschoben. Aktuell werden Jungen seltener eingeliefert, während Mädchen und junge Frauen bei den Fällen von Alkoholvergiftung spürbar aufholen.
Experten führen diese Entwicklung unter anderem darauf zurück, dass sich Trinkmuster zwischen den Geschlechtern seit Jahren angleichen. Auch bundesweite Auswertungen von Krankenkassen bestätigen, dass das Komasaufen bei weiblichen Jugendlichen seit einiger Zeit stärker sichtbar wird. Ob es sich dabei um ein dauerhaftes Muster handelt oder um kurzfristige Schwankungen, können Statistiker jedoch noch nicht sicher sagen.
Dass die Zahl der Behandlungen insgesamt sinkt, könnte auch mit der Präventionsarbeit in Münster zusammenhängen. Die Stadt setzt seit Langem auf ein mehrstufiges Konzept aus Aufklärung, Jugendschutz und direkter Intervention. Unter dem Dach der Kampagne „Voll ist out“ laufen verschiedene Bausteine, die sowohl Schulen, Vereine und Eltern als auch den Handel und die offene Jugendarbeit ansprechen.
Ein zentraler Bestandteil ist das Programm „HaLT – Hart am Limit“, das bundesweit eingesetzt wird und in Münster vom Amt für Kinder, Jugendliche und Familien koordiniert wird. Neben Öffentlichkeitsarbeit und Prävention gehört dazu auch die direkte Nachbetreuung von Jugendlichen, die nach übermäßigem Alkoholkonsum im Krankenhaus gelandet sind. Ergänzt wird das Angebot durch den sogenannten Risiko-Check, bei dem junge Menschen nach einem alkoholbedingten Vorfall ein strukturiertes Beratungsangebot erhalten.
Auch bundesweit ist die Zahl der Jugendlichen mit Alkoholvergiftung rückläufig. Krankenkassen sprechen vom niedrigsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten. Gleichzeitig weisen Fachstellen darauf hin, dass riskanter Konsum deswegen nicht verschwunden ist. Während klassisches Komasaufen zurückgeht, verschieben sich riskante Verhaltensweisen teils in andere Bereiche – etwa Mischkonsum mit Medikamenten oder Challenges in sozialen Medien.
Für Münster heißt das: Die Stadt steht im bundesweiten Trend, kann den Rückgang der Fälle aber nicht als Entwarnung verstehen. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen zwar seltener wird, aber neue Muster entstehen – und Mädchen inzwischen genauso oder häufiger betroffen sind wie Jungen.