
Münster. Mit der ersten Folge des neuen Podcasts „Auf ein Wort mit Tilman Fuchs“ hat Münsters Verwaltung eine Debatte ausgelöst, die weit über das Format selbst hinausreicht. Gleich zu Beginn des Gesprächs stellte Moderator Thomas Reisener, Leiter des städtischen Kommunikationsamtes, die Frage, ob der neue Oberbürgermeister ein „Hoffnungsträger der Grünen“ sei. Diese Formulierung empfanden mehrere Ratsfraktionen als ungewöhnlich deutlichen parteipolitischen Einstieg für ein Angebot, das von einer städtischen Behörde produziert wird.
Vertreterinnen und Vertreter von CDU, SPD und FDP kritisierten, dass in einem Format der Verwaltung parteipolitische Deutungen nichts zu suchen hätten. Die Grünen hingegen sahen darin keinen Regelverstoß und verwiesen darauf, dass das Wahlergebnis und die Rolle der Partei bei der OB-Wahl legitime Themen seien. Die Stadt selbst betonte, der Podcast diene dazu, den neuen Oberbürgermeister vorzustellen und kommunale Themen verständlich zu vermitteln. Der Auftakt habe persönliche Einschätzungen ermöglicht, ohne parteipolitische Absichten zu verfolgen.
Damit ist in Münster eine Diskussion entstanden, die bundesweit immer wieder geführt wird: Wo endet sachliche Information über kommunale Vorgänge – und wo beginnt politische Kommunikation, die einer Stadtverwaltung untersagt ist?
Rechtlich ist die Lage klar, aber anspruchsvoll. Städte dürfen ihre Bürgerinnen und Bürger umfassend über Projekte, Entscheidungen und Verwaltungsabläufe informieren. Dieser Informationsauftrag ist verfassungsrechtlich abgesichert und zählt zu den Kernaufgaben kommunaler Selbstverwaltung. Gleichzeitig besteht die Pflicht zur parteipolitischen Neutralität. Verwaltungskommunikation darf keine politischen Bewertungen abgeben oder in den Wettbewerb der Parteien eingreifen.
Ein weiterer wichtiger Grundsatz ist die sogenannte Staatsferne der Presse. Kommunale Angebote dürfen nicht wie journalistische Produkte gestaltet sein und keine inhaltliche Konkurrenz zu unabhängigen Medien erzeugen. Für Klarheit sorgte in diesem Zusammenhang ein vielbeachtetes Urteil des Bundesgerichtshofs. Die Stadt Crailsheim musste 2018 ein wöchentliches, magazinähnliches Stadtblatt einstellen, weil Aufbau und Inhalt so stark an eine lokale Zeitung erinnerten, dass der Eindruck eines Presseprodukts entstand. Damit, so das Gericht, überschritt die Kommune die zulässigen Grenzen und beeinträchtigte die Unabhängigkeit der Presse.
Auch Fälle aus anderen Städten zeigen, wie sensibel diese Grenze ist. In Nürnberg wurde die Beteiligung der Stadt an einem politischen Bündnis gegen eine Bundestagspartei 2024 als Verstoß gegen die Neutralitätspflicht gewertet. Und in Bad Gandersheim musste eine Bürgermeisterwahl wiederholt werden, nachdem die Amtsinhaberin kurz vor dem Wahltermin städtische Termine genutzt hatte, um ihre eigene Bilanz besonders positiv herauszustellen. Die Gerichte sahen darin eine unzulässige Einflussnahme zugunsten der amtierenden Kandidatin.
Diese Beispiele machen deutlich, dass bereits kleine Verschiebungen in Tonfall oder Themenwahl dazu führen können, dass Verwaltungskommunikation als parteipolitisch oder presseähnlich wahrgenommen wird.
Dass Münster mit einem OB-Podcast neue Wege der Bürgerkommunikation geht, ist für sich genommen unproblematisch. Viele deutsche Städte produzieren inzwischen Audio- oder Videoformate, in denen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit Einwohnern, Expertinnen oder Gästen sprechen. In Leipzig diskutiert Oberbürgermeister Burkhard Jung regelmäßig mit Leipziger Persönlichkeiten über Projekte und Entwicklungen der Stadt. In Berlin-Lichtenberg nutzt der Bezirksbürgermeister ein eigenes Podcast-Format, um Fragen aus der Bevölkerung einzuordnen und Entscheidungen transparenter zu machen. Auch mittlere und kleinere Städte setzen zunehmend auf digitale Gesprächsformate, um ihre Arbeit zu erklären.
Entscheidend ist dabei weniger das Medium als die Ausrichtung. Podcasts gelten als zulässig, solange sie kommunale Inhalte transportieren, sich auf Verwaltungsabläufe beziehen und klar als amtliche Kommunikation erkennbar sind. Problematisch wird es dann, wenn politische Bewertungen in den Vordergrund rücken oder wenn Form und Dramaturgie an klassische journalistische Interviews erinnern. In Herford etwa musste 2025 ein städtischer Social-Media-Clip gelöscht werden, weil die Darstellung des Bürgermeisters im Zusammenhang mit einer anstehenden Wahl als zu werbewirksam eingestuft wurde.
Genau an dieser Schnittstelle bewegt sich auch die aktuelle Diskussion in Münster: Der Podcast selbst ist ein zeitgemäßes Medium – die Frage ist, wie sensibel der Umgang mit politischen Bezügen sein muss.
Inhaltlich behandelt der münstersche Podcast Themen, die eindeutig zur Verwaltung gehören: Abläufe, Projekte, Einschätzungen des Amtsinhabers und Hintergründe zu seiner Arbeit. Dass die Moderation durch den Leiter des Kommunikationsamtes erfolgt, ist bundesweit üblich und kein Hinweis auf fehlende Distanz. Dennoch sorgt der Einstieg in die erste Folge für Irritation, weil er direkt an das Wahlergebnis und die parteipolitische Einordnung anknüpfte. Das ist ein Bereich, in dem kommunale Kommunikation traditionell Zurückhaltung übt.
Mehrere Ratsfraktionen haben angekündigt, die weiteren Folgen aufmerksam zu verfolgen. Die Stadt signalisiert, dass die Reihe vor allem Einblicke in kommunale Themen geben soll. Entscheidend wird sein, dass der inhaltliche Rahmen klar erkennbar bleibt und sich auf Aufgaben und Prozesse der Stadt beschränkt.
Die Debatte in Münster reiht sich in eine bundesweite Entwicklung ein. Kommunen nutzen zunehmend dialogorientierte Formate, um Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Gleichzeitig steigt das Bewusstsein, dass moderne Öffentlichkeitsarbeit rechtliche Grenzen beachten muss, die aus einer Zeit stammen, in der Informationskanäle weniger vielfältig waren. Vorwürfe mangelnder Neutralität entstehen deshalb schneller als früher – und sie lassen sich mit Blick auf frühere Fälle nicht leicht abtun.
Für Münster kann der Podcast trotz der anfänglichen Kritik ein wertvolles Instrument sein. Er bietet die Chance, kommunale Themen ausführlicher zu erklären und Entscheidungswege nachvollziehbar zu machen. Voraussetzung ist jedoch eine klare Trennung zwischen persönlicher Einschätzung des Oberbürgermeisters und parteipolitischer Deutung. Die kommenden Folgen werden zeigen, wie stabil sich das Format in diesem Spannungsfeld behauptet.