
Ein verkateter Diener, eine verärgerte Obrigkeit und eine Stadt in Aufruhr – was nach einer Anekdote klingt, ist tatsächlich ein Kapitel der Münsteraner Stadtgeschichte. Im Jahr 1895 führte eine scheinbar banale Begebenheit zu massiven Protesten – dem sogenannten „Bierkrieg Münster“, der in die Annalen der Stadt einging. Jetzt lädt das Stadtarchiv Münster zu einem Themenabend ein, der diese historische Revolte um die Sperrstunde beleuchtet und die Legende dahinter auf den Prüfstand stellt.
Der nächste Themenabend im Stadtarchiv Münster trägt den Titel „Die Legende vom Bierkrieg – Preußen gegen Münster im Jahr 1895?“ und findet am Donnerstag, 27. März 2025, um 18 Uhr im Stadtarchiv (An den Speichern 8 in Münster-Coerde) statt. Referent ist Dr. Jan Hoffrogge, Historiker und seit 2023 Referent für historische Bildungsarbeit im Stadtarchiv Münster. In seinem Vortrag beleuchtet Hoffrogge die Hintergründe des Bierkrieg Münster 1895 und geht anhand von Originalquellen den Ereignissen auf den Grund. Im Anschluss an den Vortrag besteht die Gelegenheit zum Gespräch.
Die Vorgeschichte des Bierkriegs führt zurück ins späte 19. Jahrhundert. In der preußischen Provinz Westfalen galt im Jahr 1895 offiziell eine Sperrstunde ab 23 Uhr. Doch Münster nahm es mit dieser Regel zunächst nicht so genau – bis ein Vorfall im Frühjahr jenes Jahres die Aufmerksamkeit der Behörden weckte. Im Mai 1895 erschien der Diener des Regierungspräsidenten Hermann Schwarzenberg offensichtlich verkatert zum Dienst. Sein Zustand enthüllte dem Regierungspräsidenten die ungewöhnlich langen Öffnungszeiten der Kneipen in Münster, woraufhin die Obrigkeit beschloss, die Sperrstunde fortan konsequent durchzusetzen.
Die Durchsetzung der vorgezogenen Polizeistunde traf in Münster auf heftigen Widerstand. Im Herbst 1895 kam es zu tumultartigen Protesten, insbesondere auf dem Prinzipalmarkt, dem zentralen Platz der Stadt. Empörte Bürger und Wirte sahen ihre traditionsreichen Kneipenabende bedroht und machten ihrem Unmut lautstark Luft. Diese Unruhen gingen als „Bierkrieg“ in die Stadtgeschichte ein– eine Bezeichnung, die die aufgeheizte Stimmung treffend einfing.
Der sogenannte Bierkrieg Münster 1895 wird oft als beispielhafter Konflikt zwischen der preußisch-protestantischen Obrigkeit und der überwiegend katholischen Stadtgesellschaft interpretiert. Tatsächlich sah die zeitgenössische Öffentlichkeit darin einen kulturellen Milieukonflikt: Hier die ordnungsliebende Obrigkeit, dort die gesellige münstersche Bürgerschaft. Doch war die Lage wirklich so eindeutig? Dr. Jan Hoffrogge wird dieser Frage nachgehen und die gängige Vorstellung vom „Bierkrieg“ kritisch hinterfragen.
Fest steht, dass der Vorfall einen bleibenden Eindruck hinterließ. Schon bald kursierten Postkarten, die den Bierkrieg thematisierten. Eine davon zeigte den Prinzipalmarkt als Ort des Protests, garniert mit einem Paragraphenzeichen und dem preußischen Adler am Bildrand – Symbole für die neuen Vorschriften und die preußische Obrigkeit, gegen die die Münsteraner protestierten. Solche zeitgenössischen Darstellungen machen deutlich, wie sehr dieses Ereignis die Stadt bewegt hat und zum Stadtgespräch jener Zeit wurde.