
Münster – Wie fühlt sich ein Leben nach Jahrzehnten im kirchlichen Spitzenamt an? Der emeritierte Bischof Dr. Felix Genn hat am Dienstag, 3. Juni, in lockerer Atmosphäre mit Seniorinnen und Senioren der Pfarrei St. Lamberti über seine ersten 100 Tage im Ruhestand gesprochen. Der 75-Jährige, der über 15 Jahre lang das Bistum Münster leitete, war im März 2025 offiziell von seinem Amt zurückgetreten. Im Pfarrheim St. Martini gab er nun ganz persönliche Einblicke – mit Humor, Nachdenklichkeit und spürbarer Erleichterung.
„Die Martinikirche kenne ich als Jugendkirche, nebenan treffe ich heute ganz andere Jugendliche“, eröffnete Genn mit einem Augenzwinkern seinen Vortrag. Fast 50 Interessierte waren der Einladung zur Reihe „Sagen wir mal so…“ gefolgt – einem Gesprächsformat für Menschen über 60 Jahre. Im Mittelpunkt: Genns Bilanz nach gut drei Monaten im Ruhestand.
Der Abschied vom Bischofsamt sei ein „echter Einschnitt“ gewesen, sagte er offen. Noch zwei Tage vor seinem offiziellen Amtsende am 9. März habe er letzte Entscheidungen treffen müssen. Doch: „Dem Amt habe ich bislang nicht nachgeweint.“ Wichtig sei ihm, sich künftig nicht in die Amtsführung seines Nachfolgers einzumischen – ein Schritt, den er auch als Voraussetzung dafür sieht, weiterhin in Münster wohnen zu können.
Genn ist zwar nicht mehr Bischof von Münster, bleibt aber in Teilen kirchlich aktiv. Als Mitglied des Dikasteriums für die Bischöfe in Rom berät er weiterhin den Vatikan bei wichtigen Personalentscheidungen weltweit. „Das macht mir Freude und gibt mir Lebendigkeit“, so der emeritierte Bischof. Der Austausch mit der Weltkirche verschaffe ihm einen wertvollen Einblick in globale Themen und Entwicklungen.
Trotz dieser Aufgabe müsse er lernen, auch mal Nein zu sagen. „Es ist keine Schande, wenn man mit 75 schneller ermüdet“, erklärte Genn mit einem Lächeln – und betonte zugleich seine Dankbarkeit für die aktuell stabile Gesundheit.
Der Umzug aus der repräsentativen Bischofswohnung in eine neue, bescheidenere Wohnung in Münster sei ebenfalls kein leichter Schritt gewesen. Vor allem der Abschied von Teilen seiner umfangreichen Bibliothek und privaten Korrespondenz habe ihn bewegt. Vieles übergab er dem Bistumsarchiv – als Vermächtnis seiner Amtszeit.
Trotz des Loslassens spüre er eine große Entlastung. Spaziergänge durch Münster, spontane Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern, ein Besuch beim Wildpferdefang in Dülmen – all das seien Erlebnisse, für die früher schlicht die Zeit fehlte.
Dass Genn trotz Rückzug aus der Öffentlichkeit präsent bleibt, wurde bei der Veranstaltung deutlich. Die Teilnehmenden nutzten die Gelegenheit, Fragen zu stellen – etwa zur Wahl seines Nachfolgers oder zu seinen Verbindungen in die rheinland-pfälzische Heimat. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich hier im Flachland so wohlfühlen würde“, sagte Genn augenzwinkernd – und erntete dafür herzlichen Applaus. Ein Besucher brachte es auf den Punkt: „Es ist schön, dass Sie hier bei uns bleiben.“
Die Entscheidung über Genns Nachfolge liegt derzeit beim Vatikan. Das Domkapitel hat im April eine Liste mit drei Kandidaten nach Rom gesendet – sogenannte „Terna“. Wann Papst Franziskus einen neuen Bischof für Münster ernennt, ist noch unklar. Genn äußerte sich bei der Veranstaltung bewusst nicht zu möglichen Namen oder Favoriten – auch das Teil seiner neuen Zurückhaltung.
Felix Genn bleibt Münster erhalten – nicht mehr als Bischof, aber als engagierter Bürger mit Herz für die Stadt und ihre Menschen. Der erste Eindruck aus dem Ruhestand: entspannt, humorvoll, und voller Dankbarkeit. Die Begegnung im Pfarrheim St. Martini war nicht nur ein Rückblick, sondern ein Zeichen: Auch nach dem Abschied von der großen Bühne kann ein neues Kapitel beginnen – voller Begegnungen, Gelassenheit und Glaubwürdigkeit.