
Die Energiewende wird für viele Betriebe im Münsterland zu einer wachsenden Herausforderung. Das zeigt eine aktuelle Sonderauswertung des Energiewende-Barometers der IHK Nord Westfalen. Während bundesweit 36 Prozent der Unternehmen die Auswirkungen der aktuellen Energie- und Klimapolitik negativ bewerten, liegt der Anteil im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region bereits bei 43 Prozent. Besonders betroffen ist die Industrie. Dort äußern sich 61 Prozent der Unternehmen kritisch zur derzeitigen Entwicklung.
Die Gründe für diese deutlich skeptischere Haltung liegen nach Einschätzung der IHK in der Wirtschaftsstruktur der Region. Viele Betriebe sind stark energieabhängig und stammen aus Branchen wie der Chemie, der Metallverarbeitung oder der Lebensmittelproduktion. Diese Unternehmen sind besonders anfällig für Preissteigerungen bei Strom und Gas sowie für regulatorische Unsicherheiten. Steffen von Glahn, Vorsitzender des Industrieausschusses der IHK Nord Westfalen, erklärt, dass die Unternehmen im Münsterland die Energiewende nicht grundsätzlich ablehnen. Sie würden aber stark unter den aktuellen Rahmenbedingungen leiden.
Laut IHK-Umfrage sehen 70 Prozent der Industrieunternehmen in Nord Westfalen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die hohen Energiepreise gefährdet. 74 Prozent beklagen fehlende Planbarkeit bei politischen Entscheidungen. 67 Prozent nennen die Bürokratie als zentrales Hemmnis, zum Beispiel bei der Genehmigung von Photovoltaikanlagen oder Batteriespeichern. In der Folge stellen viele Unternehmen Investitionen zurück. 43 Prozent haben bereits konkrete Vorhaben auf Eis gelegt. 22 Prozent denken darüber nach, Teile ihrer Produktion zu verlagern oder ganz aufzugeben.
Trotz dieser angespannten Lage halten 87,5 Prozent der Unternehmen in der Region weiterhin an ihrem Ziel fest, klimaneutral zu wirtschaften. Bundesweit liegt dieser Wert bei 89 Prozent. Viele Betriebe setzen auf eigene Erzeugungsanlagen, Energieeffizienzmaßnahmen oder langfristige Stromlieferverträge. Die hohe Bereitschaft zur Transformation zeigt, dass die Unternehmen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Was sie dafür brauchen, sind stabile Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und faire Kostenstrukturen.
Aus Sicht der Wirtschaft muss die Politik jetzt handeln. 82 Prozent der Betriebe fordern eine deutliche Senkung der Stromsteuer. 81 Prozent wünschen sich bessere Bedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge mit grünem Strom. Auch der Abbau bürokratischer Hürden steht weit oben auf der Liste. Die Unternehmen erwarten digitale Verfahren, kürzere Genehmigungszeiten und mehr Klarheit bei der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben.
In den kommenden Jahren sind aus Sicht der IHK mehrere politische Entscheidungen von großer Bedeutung. Der geplante Transformationsstrompreis soll den Industriestrom deutlich vergünstigen. Gleichzeitig endet 2026 die Übergangsphase für den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), was vor allem energieintensive Exporte unter Handlungsdruck setzt. Außerdem sollen bis 2030 wichtige Infrastrukturprojekte wie der Netzausbau und das Wasserstoff-Kernnetz realisiert werden. Auch das Münsterland könnte davon profitieren.
Die Unternehmen im Münsterland wollen die Energiewende mitgestalten. Ihre Kritik richtet sich nicht gegen das Ziel, sondern gegen die Art und Weise der Umsetzung. Hohe Kosten, mangelnde Planbarkeit und langwierige Verfahren bremsen Investitionen und gefährden Arbeitsplätze. Die Politik ist jetzt gefordert, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.