
Deutschland steckt 2025 im dritten Jahr in Folge mit schwacher Wirtschaftsleistung. Auch in der Region Nord-Westfalen ist die Zurückhaltung spürbar. Beim dritten digitalen IHK-Konjunkturforum Nord Westfalen diskutierten Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft über die Frage: Wann kommt endlich der Aufschwung?
Für Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen, war es ein positives Signal, dass sich die Bundesregierung bei ihrer Kabinettsklausur zuletzt auf die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit konzentriert habe. „Die Beschlüsse für eine sogenannte Modernisierungsagenda müssen dann aber auch schnell so umgesetzt werden, dass die Unternehmen das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort zurückgewinnen und wieder investieren“, erklärte Jaeckel.
Er machte deutlich, dass die Betriebe in der Region derzeit stark unter den internationalen Unsicherheiten leiden. US-Zölle, die Konkurrenz aus China, eine gelähmte Welthandelsorganisation (WTO) und zusätzliche Bürokratie auf europäischer Ebene bildeten aus seiner Sicht einen „toxischen Cocktail“. Innovationen seien deshalb unverzichtbar: „Die Exportnation Deutschland muss zurück an die Weltspitze – und sie hat die Chance dazu mit ihrem Ingenieurkönnen, mit den Engineering-Fähigkeiten und der Kompetenz, daraus skalierbare Produkte zu entwickeln.“
Prof. Michael Grömling vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln sprach von einer „Schockstarre“ der deutschen Wirtschaft. Besonders problematisch sei, dass in den vergangenen fünf bis sechs Jahren viele notwendige Investitionen ausgeblieben seien. „Die Investitionen, die in den vergangenen fünf, sechs Jahren nicht getätigt wurden, nehmen uns nicht nur konjunkturellen Schwung. Sie sind nach vorne gerichtet ein immenses Problem“, so Grömling.
Er rechnete vor, dass Deutschland bis 2030 im Schnitt drei Prozent Wachstum pro Jahr brauche, um auf einen stabilen Wohlstandspfad zurückzukehren – doppelt so viel wie im Schnitt der letzten Jahrzehnte. Das sei nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung, da die Konsumzurückhaltung vieler Haushalte die Lage zusätzlich verschärfe. „Ohne Reformen keine Erholung“, lautete sein Fazit.
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Auch Prof. Manuel Rupprecht, Dekan des Fachbereichs Wirtschaft an der FH Münster, betonte die Dringlichkeit von Investitionen in Infrastruktur, Sicherheit und Energie. Gleichzeitig warnte er vor einer Überlastung der Staatsfinanzen. „870 Milliarden Euro neue Schulden in nur fünf Jahren“, rechnete er vor. Zusammen mit verdeckten Verbindlichkeiten für Renten, Pensionen und Pflege steige die Gesamtverschuldung auf rund 450 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Der Haushalt droht zu versteinern“, so Rupprecht.
Seiner Einschätzung nach dürfe eine Konsolidierung nicht über Steuererhöhungen erfolgen. „Das trägt nicht zur dringend benötigten Wettbewerbsfähigkeit bei“, warnte er. Stattdessen müsse man die Ausgaben im konsumtiven Bereich, bei Subventionen und auch im Sozialbereich kritisch prüfen – „ohne hier mit der oft zitierten Kettensäge durchzugehen“. Sein Rezept: ein verlässlicher Ordnungsrahmen für Unternehmen und klare Investitionen in Zukunftsfelder.
Das 3. IHK-Konjunkturforum fand am 30. September 2025 digital statt und zog rund 120 Teilnehmer an. Moderiert wurde die Diskussion von FAZ-Wirtschaftsredakteur Patrick Welter. Neben den Impulsen der Referenten schaltete sich auch das Publikum mit Fragen ein – unter anderem zu den Folgen der US-Handelspolitik.
Das Fazit des Abends fiel eindeutig aus: Ein schneller Aufschwung ist nicht in Sicht. Doch durch gezielte Investitionen, Reformen und verlässliche Rahmenbedingungen könne Deutschland mittelfristig zurück auf einen Wachstumspfad finden.