
Münster. Prof. Dr. David De Vleeschouwer von der Universität Münster ist Ende August von den Vereinten Nationen in den Weltklimarat (IPCC) berufen worden. Der Geowissenschaftler wird in den kommenden drei Jahren als Leitautor der Arbeitsgruppe I „The Physical Science Basis“ am siebten Sachstandsbericht mitwirken. Dabei verantwortet er das Kapitel über großräumige Veränderungen im Klimasystem und deren Ursachen.
Der IPCC gilt als das wichtigste wissenschaftliche Gremium im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel. Mit seinen Sachstandsberichten schafft er die Grundlage für politische Entscheidungen und internationale Verhandlungen.
Seit Januar 2022 ist De Vleeschouwer Juniorprofessor für Erdsystemforschung am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Münster. Seine Forschung konzentriert sich auf Klimaveränderungen in der Erdgeschichte. Diese Langzeitperspektive ist entscheidend, um aktuelle Entwicklungen wie die Ozeanversauerung oder Extremwetterereignisse besser einzuordnen.
„Zwar hat es in der Vergangenheit natürliche Klimaänderungen gegeben, doch die gegenwärtige, vom Menschen verursachte Erwärmung verläuft deutlich schneller und intensiver“, betont der Wissenschaftler.
Ein zentrales Element seiner Arbeit ist die Untersuchung sogenannter Kipppunkte im Klimasystem. Dazu zählt die atlantische Umwälzzirkulation, zu der auch der Golfstrom gehört. Dieses Strömungssystem wurde in der Vergangenheit mehrfach durch Schmelzwasserzuflüsse gestört. Solche historischen Beispiele zeigen, wie anfällig das Klima ist – und wie einzigartig die aktuelle Situation.
De Vleeschouwer hofft, dass diese Erkenntnisse politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger dabei unterstützen, Risiken realistisch einzuschätzen und Maßnahmen konsequent umzusetzen.
Die Arbeit im Weltklimarat ist komplex und global organisiert. Mehrmals im Jahr treffen sich die beteiligten Forschenden online zu intensiven Schreibtreffen. Dazwischen erfolgen zahlreiche Abstimmungen und die Bearbeitung tausender Kommentare in Review-Runden.
„Die Zusammenarbeit bedeutet für mich zusätzlichen Aufwand neben Forschung und Lehre. Gleichzeitig ist es eine große Chance, paläoklimatologisches Wissen einzubringen und gemeinsam ein möglichst vollständiges Bild des Klimasystems zu erstellen“, erklärt De Vleeschouwer.
Von der Politik erwartet der Münsteraner Forscher klare Regeln, ehrgeizige Klimaziele und die Förderung von Negativemissionstechnologien. Diese sollen bereits ausgestoßenes Kohlenstoffdioxid dauerhaft binden und speichern.
„Jede Tonne, die nicht in der Atmosphäre ist, spart spätere, teure und unsichere Entfernungsmaßnahmen“, so De Vleeschouwer. Entscheidend sei das noch verbleibende Kohlenstoffdioxid-Budget, das im neuen IPCC-Bericht genau beziffert werde.
Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurde 1988 von den Vereinten Nationen gegründet. Er bündelt weltweit wissenschaftliches Wissen zum Klimawandel und macht es für Politik und Gesellschaft nutzbar.
Für den siebten Sachstandsbericht hat der IPCC insgesamt 664 Expertinnen und Experten aus 111 Ländern berufen. Die Berichte der Arbeitsgruppen sollen 2028 fertiggestellt werden. Ende 2029 wird ein umfassender Synthesebericht veröffentlicht, der die Grundlage für internationale Klimaverhandlungen bildet – ähnlich wie in der Vergangenheit beim Pariser Abkommen oder dem Kyoto-Protokoll.