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Münsteraner Öko-Bauern kämpfen um Ackerland: OLG Hamm entscheidet über Genossenschaftsmodell

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Wie die taz (Jost Maurin, 6. September 2025) berichtet, bewirtschaften die Landwirte David Büchler (35) und Sarah Hoffmanns (32) seit dem Jahr 2022 rund 5,7 Hektar Ackerland am Stadtrand von Münster. Der ökologisch betriebene Hof trägt den Namen „Biolee“. Die Fläche gehört einer Erbengemeinschaft und soll nun verkauft werden. Den Kauf möchte die Kulturland Westfalen KG, eine Tochtergesellschaft der Genossenschaft Kulturland eG, übernehmen – mit dem Ziel, das Land langfristig an das Paar zu verpachten. Ein entsprechender Vertrag sieht eine Laufzeit von 30 Jahren mit Verlängerungsoption vor.

Die Landwirtschaftskammer NRW lehnt den Verkauf jedoch ab. Sie beruft sich dabei auf das Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) und argumentiert, dass es sich bei der Käuferin nicht um eine „Landwirtin“ im Sinne des Gesetzes handle. Das Amtsgericht Münster hatte die Position der Genossenschaft bereits 2024 bestätigt. In der kommenden Woche liegt der Fall in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm – am 9. September 2025. Die Entscheidung könnte bundesweite Signalwirkung entfalten.

Was sagt das Gesetz?

Das Grundstücksverkehrsgesetz verpflichtet Verkäufer und Käufer landwirtschaftlicher Flächen in vielen Fällen dazu, eine Genehmigung für den Eigentumsübergang einzuholen. Ziel ist es, die Agrarstruktur zu schützen und die Flächen bevorzugt an landwirtschaftlich aktive Betriebe zu vergeben.

Nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 GrdstVG kann ein Verkauf untersagt werden, wenn er zu einer „ungesunden Verteilung von Grund und Boden“ führen würde. In der Praxis betrifft dies häufig Fälle, in denen Nicht-Landwirte Flächen kaufen möchten – insbesondere, wenn keine eigene landwirtschaftliche Nutzung geplant ist.

Ob eine Genossenschaft oder ihre Tochtergesellschaft als Landwirtin gilt, hängt von mehreren Faktoren ab. Entscheidend ist, ob die juristische Person nach ihrem Zweck und ihrer tatsächlichen Nutzung landwirtschaftlich tätig ist – entweder direkt oder über klare, langfristige Vereinbarungen mit Landwirten.

Das Besondere am Münsteraner Fall

Laut taz geht es in diesem Fall nicht um Spekulation oder gewinnorientierten Erwerb, sondern um ein gemeinwohlorientiertes Modell. Die Kulturland Westfalen KG hat den Zweck, landwirtschaftliche Flächen für die ökologische Bewirtschaftung dauerhaft zu sichern. Komplementär der Gesellschaft ist David Büchler selbst. Er verfügt über ein Vetorecht bei allen Entscheidungen. Damit soll sichergestellt werden, dass das Land langfristig im Sinne des Hofes Biolee genutzt wird.

Das Amtsgericht Münster sah darin einen ausreichenden Bezug zur landwirtschaftlichen Nutzung und erteilte die Genehmigung. Die Landwirtschaftskammer hat jedoch Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht Hamm muss nun klären, ob diese Konstellation mit dem Grundstücksverkehrsgesetz vereinbar ist.

Hintergrund: Flächendruck und hohe Bodenpreise

Die Brisanz des Falles ergibt sich auch aus der Situation auf dem Bodenmarkt in Nordrhein-Westfalen. Nach Angaben von IT.NRW lag der durchschnittliche Kaufpreis für landwirtschaftlich genutzte Flächen im Jahr 2023 bei 87.240 Euro pro Hektar. Damit gehört NRW zu den teuersten Regionen Deutschlands. Auch die Pachtpreise liegen mit durchschnittlich 560 Euro pro Hektar deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Für viele junge Landwirtinnen und Landwirte – vor allem im ökologischen Bereich – sind diese Preise eine kaum überwindbare Hürde. Eigentum ist oft nicht finanzierbar. Kurze Pachtverträge von wenigen Jahren bieten jedoch keine ausreichende Sicherheit für langfristige Investitionen in Bodengesundheit, Biodiversität oder Hofstruktur.

Genossenschaft als Lösungsmodell?

Genossenschaften wie Kulturland eG verfolgen das Ziel, genau diese Lücke zu schließen. Durch die gemeinschaftliche Finanzierung über Bürgerkapital erwerben sie Flächen und verpachten diese langfristig an konkrete Betriebe, meist mit ökologischer Ausrichtung. Auf diese Weise sollen Landzugang, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit gefördert werden – jenseits von Flächenspekulation und kurzfristiger Rendite.

Gleichzeitig stoßen diese Modelle auf Skepsis bei traditionellen Akteuren wie Landwirtschaftskammern. Sie befürchten eine Aushöhlung etablierter Strukturen oder eine Verlagerung der Flächenkontrolle auf juristische Konstrukte ohne unmittelbare Bewirtschaftung.

Entscheidung mit Signalwirkung

Der anstehende Gerichtstermin am 9. September 2025 könnte entscheidende Weichen stellen. Sollte das Oberlandesgericht Hamm das Urteil des Amtsgerichts Münster bestätigen, könnten Genossenschaften künftig leichter landwirtschaftliche Flächen erwerben – vorausgesetzt, ihre Nutzungskonzepte sind langfristig und klar an landwirtschaftliche Betriebe gebunden.

Ein Urteil zugunsten der Landwirtschaftskammer hingegen würde den Zugang für solche Modelle erschweren und das klassische Verständnis von Landwirtschaft als personenbezogene Bewirtschaftung stärken.

Für David Büchler und Sarah Hoffmanns geht es um nicht weniger als die Zukunft ihres Hofes. Für Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus steht eine Grundsatzfrage im Raum: Wer darf in Zukunft Landwirtschaft gestalten – und unter welchen Bedingungen?

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