
Münster – Münster steckt in einer Schulbaukrise: Wegen akuter finanzieller Engpässe muss die Stadt ihr ehrgeiziges Schulbauprogramm stark einschränken. Geplante Bau- und Sanierungsprojekte an Schulen in Münster stehen plötzlich auf der Kippe. Am Mittwoch wurde bekannt, dass für zahlreiche dringend erforderliche Schulbauten vorerst keine investiven Mittel mehr bereitstehen. Dies bedeutet, dass mehrere seit Jahren vorgesehene Schulprojekte verschoben oder gestoppt werden müssen – sehr zum Unmut von Schulen, Eltern und Politik.
Noch 2024 hatte Münster Rekordsummen in Schulen investiert. Laut städtischem Arbeitsprogramm flossen allein 96 Millionen Euro in den Schulbau, weitere 17 Millionen Euro in neue Kita-Plätze. Dieses umfangreiche Bauprogramm war notwendig, um steigende Schülerzahlen zu bewältigen und marode Gebäude zu modernisieren. Oberbürgermeister Markus Lewe sprach bereits 2018 von einem „beispiellosen Kraftakt“ angesichts der vielen Ausbaupläne an Münsters Schulen. Trotz dieser ambitionierten Investitionen klafft nun eine Finanzierungslücke im Schulbau. Die städtische Haushaltslage hat sich dramatisch verschlechtert – unter anderem durch explodierende Kosten im Sozialbereich und inflationsbedingt höhere Baupreise. So sind etwa die Ausgaben für Jugend- und Familienhilfe seit 2016 um 120 % gestiegen, was den städtischen Etat stark belastet.
Vor diesem Hintergrund schlägt das Schreiben von Stadtdirektor Thomas Paal (CDU) hohe Wellen: Darin informierte er die Ratsfraktionen, dass sein Dezernat für viele geplante Schulbauprojekte kein Budget mehr habe. Konkret bedeutet dies, dass mehrere dringend benötigte Neubau- und Erweiterungsvorhaben nicht wie vorgesehen starten können. Betroffen von dem angekündigten Baustopp sind unter anderem die Matthias-Claudius-Grundschule in Handorf, die Schulzentren in Kinderhaus und Hiltrup, eine vierte Gesamtschule in Angelmodde sowie sogar laufende Sanierungen wie am Schlaungymnasium. Diese Projekte sollen eigentlich für dringend benötigte zusätzliche Schulplätze und bessere Lernbedingungen sorgen – ihr Ausbleiben trifft vor allem wachsende Stadtteile im Außenbereich. „Einmal mehr würden die Außenstadtteile benachteiligt“, kritisierte CDU-Fraktionschef Stefan Weber entsetzt. Für viele Schulen bedeutet die Verzögerung, weiterhin mit Provisorien wie Containern auskommen zu müssen.
Die Nachricht vom Finanzengpass im Schulbau hat quer durch die politischen Lager Besorgnis und Kritik ausgelöst. Ratsfraktion der Grünen – Teil der Mehrheitskoalition im Stadtrat – reagierte „mit großer Verwunderung und großer Sorge“. Fraktionssprecher Christoph Kattentidt monierte, es sei „unverständlich, dass fest auf der Agenda verankerte Schulbau-Vorhaben ohne Vorwarnung in Frage gestellt werden“, und stellte die vorausschauende Planung des zuständigen Dezernats infrage. Die Grünen fordern nun volle Transparenz über die Finanzlage: Eine detaillierte Auflistung aller Schulbauprojekte samt Prioritäten und Finanzierungslücken soll offengelegt werden, um das Ausmaß der Krise klar zu beziffern.
Auch die SPD-Ratsfraktion zeigt sich alarmiert. Als weiterer Koalitionspartner im Rathaus betont sie, dass Bildung oberste Priorität behalten müsse – Kürzungen im Schulbau dürften nicht zur Dauerlösung werden. SPD-Politiker fordern pragmatische Lösungen innerhalb des städtischen Haushalts, um die wichtigsten Bauprojekte doch noch realisieren zu können. Dabei wird auf die Verantwortung aller Ebenen verwiesen: So müsse auch Land und Bund gefordert sein, Kommunen wie Münster bei Investitionen in Schulen stärker zu unterstützen. Konkrete Vorschläge der SPD zielen darauf ab, vorhandene Gelder umzuschichten und weniger dringliche Vorhaben zurückzustellen, bis die Finanzierungslücke geschlossen ist.
Die Ratsgruppe Volt, die ebenfalls der Rathaus-Koalition angehört, pflichtet dem bei. Volt Münster mahnt, man dürfe trotz Haushaltskrise nicht an der Zukunft der Kinder sparen. Die jungen Stadträtinnen der Partei drängen auf kreative Ansätze, um den Schulbau doch voranzubringen – etwa durch striktes Setzen von Prioritäten, effizientere Planungsprozesse oder alternative Finanzierungsmodelle. Wichtig sei, den Schulen schnell Planungssicherheit zu geben, damit Schülerinnen nicht jahrelang in Behelfsunterkünften unterrichtet werden müssen.
Von der Opposition kommt unterdessen scharfe Kritik an der Stadtspitze. CDU-Fraktionschef Weber sprach angesichts der plötzlichen Finanznot von einem förmlichen „Offenbarungseid“ der Stadt. Die CDU – in Münster derzeit selbst in der Opposition – will die Kürzungen “nicht mitmachen“. Sie erinnert daran, dass ihre Vertreter seit langem vor überzogenen Prestigeprojekten gewarnt haben. Insbesondere das umstrittene neue Stadthaus 4, ein Verwaltungsgebäude für rund 100 Millionen Euro, gerät ins Visier: „Vor dem Hintergrund nicht finanzierter Schulbauprojekte wirkt die Bevorzugung eines Verwaltungsgebäudes immer befremdlicher. Davor haben wir immer gewarnt“, stellt Weber klar. Die CDU fordert, das bereits im Bau befindliche Stadthaus 4 zur Not zu verkaufen, um Geld für Schulen freizumachen. Denkbar sei, das Gebäude an einen Investor zu veräußern und anschließend teilweise zurückzumieten – so würde kurzfristig Liquidität gewonnen, die direkt in Bildungseinrichtungen fließen könnte.
Neben dem Stadthaus 4 bringen CDU-Politiker auch öffentlich-private Partnerschaften (PPP) ins Spiel. Ratsherr Meik Bruns erinnert daran, dass in Münster bereits drei Sporthallen erfolgreich im PPP-Modell realisiert wurden, bei dem die Stadt als Mieterin auftritt. Ein ähnliches Modell könne nun helfen, Schulneubauten schneller zu finanzieren. „Der Schulbau muss absoluten Vorrang haben“, betont Bruns. Die CDU sieht die aktuelle Misere zudem als Ergebnis mangelhafter Weitsicht der Rathaus-Koalition. So moniert sie, Grün-Rot-Violett (Volt) habe trotz knapper Kassen an Projekten wie dem Musik-Campus festgehalten, während an den Schulen gespart werde.
Rückendeckung in puncto Bildungs-Priorität erhält die CDU von der FDP-Ratsfraktion. Die Liberalen stimmen zu, dass Investitionen in Schulen und Kitas Vorrang vor Verwaltungsbauten oder Prestigethemen haben müssen. FDP-Fraktionschef Jörg Berens erinnert jedoch daran, dass die Ursachen der Schulbaukrise auch in früheren Versäumnissen liegen: So habe schon 2018 die FDP vergeblich ein Ausbauprogramm für Schulen (etwa wegen der Rückkehr zu G9 in den Gymnasien) gefordert, dem die damalige CDU-Schuldezernatsspitze nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte.
Wie konnte es zu der plötzlichen Schulbaukrise in Münster kommen? Ein wesentlicher Faktor ist die allgemeine Haushaltslage: Die Stadt steht 2025 insgesamt vor einem Defizit von rund 30 Millionen Euro. Zwar konnte dieses für den Etat 2025 mit Rücklagen noch ausgeglichen werden, doch die mittelfristigen Aussichten bleiben angespannt. Steigende Baukosten, höhere Zinsen und gekürzte Fördermittel haben viele ursprünglich kalkulierte Schulbauprojekte deutlich verteuert. Zudem bindet Münster enorme Mittel im Sozialbereich, was den Investitionsspielraum begrenzt. Kämmerin Christine Zeller hat ein städtisches Sparziel von 20 Millionen Euro pro Jahr ausgerufen, um handlungsfähig zu bleiben. Diese Sparrunde trifft nun auch den Schulbau.
Hinzu kommt, dass sich Prioritäten im Investitionsplan verschoben haben. So beschloss der Stadtrat jüngst die teure Modernisierung des Preußen-Stadions, um den örtlichen Fußballclub zweitligatauglich zu machen. Finanziert werden soll das Millionenprojekt mit Geld, das eigentlich für Schulbauten eingeplant war. Die Verwaltung argumentierte, aufgrund einer neuen Bevölkerungsprognose sei der Ausbau mancher Schulen nicht mehr ganz so dringlich, sodass Mittel umgeschichtet werden konnten. Dies sendete jedoch ein fragwürdiges Signal: Während der Profisport priorisiert wurde, fehlen nun Mittel in der Bildungsinfrastruktur. Insgesamt laufen gleichzeitig so viele Großprojekte (Schulen, Kitas, Stadion, Musik-Campus, Verwaltungsbauten), dass Münsters Investitionshaushalt schlicht überlastet ist.
Kita-Bauten sind ein weiterer Aspekt der Krise. Münster muss nicht nur Schulen, sondern auch Kindertagesstätten ausbauen, da die Stadt wächst und ein Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze besteht. Auch hier gab es in den letzten Jahren große Investitionen – etwa 17 Mio. Euro allein 2024 – doch der Bedarf übersteigt die verfügbaren Gelder bei weitem. Wenn nun beim Schulbau gekürzt wird, drohen ähnliche Engpässe im Kitabereich. Schon jetzt weisen einige Neubauprojekte für Kitas Verzögerungen auf, weil Personal und Finanzmittel knapp sind. Die Verwaltung muss also eine Balance finden, um sowohl Schulen als auch Kitas bedarfsgerecht auszubauen.
Die Schulbaukrise in Münster ist noch längst nicht gelöst. Kurzfristig soll im Rathaus ein Notfallplan erarbeitet werden, welche Schulprojekte trotz allem umgesetzt werden können und welche verschoben werden müssen. Die Politik drängt darauf, dass zumindest die allerdringlichsten Bauvorhaben – dort, wo akute Platznot herrscht – Priorität genießen. Dafür könnte es auch zu Verschiebungen im städtischen Haushalt kommen. So wird diskutiert, ob andere Investitionen (z.B. der Musik-Campus) verlangsamt oder gestreckt werden, um Mittel für Schulen freizuschaufeln.
Zudem prüft die Stadt mögliche Entlastungen von außen. Bürgermeister und Kämmerin haben signalisiert, beim Land Nordrhein-Westfalen zusätzliche Fördermittel für den Schulbau einzuwerben. Ein weiterer Ansatz ist die bereits erwähnte Einbindung von Investoren: Sollte die politische Mehrheit es mittragen, könnten PPP-Modelle oder ein Teil-Verkauf von Immobilien wie dem Stadthaus 4 tatsächlich umgesetzt werden, um frisches Kapital zu generieren. Dies wäre jedoch ein Novum für Münster und entsprechend umstritten.
Alle Ratsfraktionen – von Grünen über SPD und Volt bis zu CDU und FDP – betonen in seltenem Einklang, dass Investitionen in Bildung Vorrang haben müssen. Differenzen gibt es lediglich über den Weg dorthin. Während die Regierungskoalition unter Oberbürgermeister Lewe (CDU) und Stadtdirektor Paal zunächst auf Transparenz, Priorisierung und konventionelle Haushaltsumschichtungen setzt, fordert die Opposition einschneidendere Schritte. In den kommenden Ratssitzungen dürfte die Schulbaufinanzierung daher heiß diskutiert werden. Fest steht: Die Stadt Münster muss einen Weg finden, ihre Schulbaukrise zu bewältigen – denn an der Bildung ihrer Kinder darf auf Dauer nicht gespart werden.