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Straßennamen als Wahlkampfthema: Taktik oder Verantwortung?

In Münster-Mitte spitzt sich der Streit um Straßenumbenennungen mit dem Beschluss der Bezirksvertretung zu.

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Lewe stoppt Vorlage zur Umbenennung – politische Debatte in Münster eskaliert

Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) hat entschieden, dass es vor der Kommunalwahl keine Entscheidung über die Umbenennung zweier umstrittener Straßennamen im Stadtteil Gremmendorf geben wird. Die GRÜNEN zeigen sich darüber tief irritiert – und sprechen offen von einem parteipolitischen Manöver. Die Frage steht im Raum: Wird die Erinnerungskultur der Stadt aus wahltaktischen Gründen auf Eis gelegt?

Die Kehrtwende: Verwaltung legt keine Vorlage vor

In einem Schreiben an die Bezirksvertretung (BV) Südost kündigte Lewe an, dass seine Verwaltung „keine Vorlage zur Umbenennung“ des Lüderitzwegs und Woermannwegs vorlegen werde – zumindest nicht vor der Kommunalwahl. Begründet wurde dies mit dem Hinweis, dass ein solcher Schritt derzeit „nicht opportun“ sei.

Diese Formulierung sorgt für Empörung. Denn: In der BV Mitte wurden nur drei Wochen zuvor gleich sieben ähnliche Vorlagen beraten – darunter zur Admiral-Scheer-Straße und Langemarckstraße.

Wer profitiert vom Aufschub?

Die GRÜNEN vermuten hinter dem Vorgehen politisches Kalkül. Die Ratsfrau Christine Schulz erklärte, das Schreiben des Oberbürgermeisters sei „maximal irritierend“. Es sei nicht nachvollziehbar, warum in einem demokratisch gewählten Gremium wie der BV Südost keine Abstimmung stattfinden dürfe – insbesondere nach jahrelanger Diskussion.

Schulz betont: „Die Entscheidung fällt in den Zuständigkeitsbereich der BV. Warum soll sie dann nicht entscheiden dürfen?“ Das Verhalten des Oberbürgermeisters werfe Fragen auf – besonders im Hinblick auf das uneinheitliche Vorgehen in den verschiedenen Bezirken.

CDU intern uneins? Indizien für politischen Druck

Hinter verschlossenen Türen soll es in der CDU Münster Uneinigkeit über das Thema geben. Während einige Mitglieder eine konsequente Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit unterstützen, sehen andere in der Umbenennung von Straßen eine unnötige Belastung für Anwohnerinnen und Anwohner.

Die Tatsache, dass im Stadtbezirk Mitte entschieden wurde, im Stadtbezirk Südost jedoch nicht, wirft Fragen auf. Beobachter vermuten, dass die CDU eine unangenehme Debatte in einem umkämpften Stadtteil vermeiden will – vor allem kurz vor der Wahl.

GRÜNE im Angriffsmodus: Deutliche Worte an den OB

Die Ratsfraktion der GRÜNEN hat bereits eine schriftliche Anfrage an Oberbürgermeister Lewe gesendet. Darin fordern sie unter anderem:

  • Eine Erklärung für die Ungleichbehandlung zwischen Mitte und Südost

  • Eine Einschätzung zur historischen Bewertung der Namensgeber

  • Eine Stellungnahme zur Rolle parteipolitischer Erwägungen

Die GRÜNEN verweisen auf das „sachliche und bürgerschaftlich getragene Verfahren“ in Gremmendorf. Gerade deshalb sei die Blockade durch die Verwaltung unverständlich – und ein Schlag ins Gesicht der Engagierten vor Ort.

Bürgerinitiative gegen Umbenennungen: Wahlkampf von unten?

Parallel dazu wächst der Widerstand auch von anderer Seite. Die Initiative „Bürger für Münsters Straßen“ sammelt Unterschriften gegen die Umbenennungen. Ziel ist ein Bürgerbegehren mit mindestens 6.000 Stimmen. Bislang wurden rund 1.000 Unterschriften gesammelt – und der Ton der Diskussion wird rauer.

In der Innenstadt, bei Ärzten und in Geschäften liegen Unterschriftenlisten aus. Flugblätter und Info-Stände verstärken die Sichtbarkeit. Die Initiative kritisiert vor allem:

  • Fehlende Bürgerbeteiligung

  • Keine transparente Kostenaufstellung (geschätzt wird ein sechsstelliger Betrag)

  • Keine Prüfung alternativer Maßnahmen wie QR-Codes oder Zusatzschilder

Auch hier wird sichtbar: Das Thema hat das Potenzial, den Wahlkampf in Münster zu beeinflussen – von oben wie von unten.

Wirkung auf das Wahlverhalten: Symbolthema oder Entscheidungsfrage?

Für viele Bürgerinnen und Bürger steht die Debatte stellvertretend für die Frage: Wie ernst nehmen Politik und Verwaltung das Thema Erinnerungskultur? Während einige einen radikalen Bruch mit kolonialen Altlasten fordern, sehen andere die Identität ihrer Straße bedroht – und fürchten unnötige Bürokratie.

Die politische Entscheidung, das Thema zu vertagen, könnte sich als boomerangartige Strategie erweisen: Sie verärgert nicht nur Engagierte im Südosten, sondern bringt auch neue Argumente für Wahlkritik auf beiden Seiten.

Politische Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Ob Taktik oder legitime Abwägung – die Entscheidung von Markus Lewe hat eines bewirkt: Das Thema ist endgültig im Wahlkampf angekommen. Die GRÜNEN rücken den Vorgang in den Mittelpunkt ihrer Kritik. Die CDU gerät unter Druck, innerhalb der eigenen Reihen für Klarheit zu sorgen.

 

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