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Tötungsdelikte an Frauen in NRW: LKA-Bericht zeigt erschreckende Zahlen

Polizei Münster Bulli parkt
Symbolbild: ms-aktuell.de

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Münster/AI. In den vergangenen zehn Jahren registrierte die Polizei in Nordrhein-Westfalen insgesamt 1.666 Tötungsdelikte zum Nachteil von Frauen. Wie der jetzt veröffentlichte Bericht des Landeskriminalamtes zeigt, handelte es sich bei fast jedem dritten Fall um einen sogenannten Femizid. Die Zahlen sind alarmierend – und betreffen auch das Münsterland. Zwei Prozesse am Landgericht Münster zeigen, wie nah das Thema ist.

Femizide sind meist Beziehungstaten – und enden oft tödlich

Laut dem Bericht des LKA NRW handelt es sich bei 522 der 1.666 erfassten Fälle eindeutig um Femizide – also Tötungen an Frauen wegen ihres Geschlechts oder der Beziehung zum Täter. Weitere 331 Fälle wurden als mögliche Femizide eingestuft. Besonders auffällig: In 86 Prozent der Femizid-Fälle war der Täter der (Ex-)Partner des Opfers.

Die meisten Taten wurden mit Messern, durch Strangulation oder durch Schusswaffen verübt. In fast jedem zweiten Femizid war die Tat tödlich. Die Ermittlungen ergaben zudem, dass viele Täter zuvor bereits gewalttätig waren. Dennoch kamen sie oft aus unauffälligen Verhältnissen.

Auch der Zeitpunkt spielt eine Rolle: Über die Hälfte der Taten fand tagsüber statt – häufig im privaten Raum, etwa in der Wohnung des Opfers. Femizide geschehen also nicht im Dunkeln, sondern mitten im Alltag.

Mord an Ex-Frau: Coesfelder vor Landgericht Münster verurteilt

Wie nahe das Thema auch in der Region ist, zeigen zwei Verfahren vor dem Landgericht Münster. Im Juli 2025 wurde ein 39-jähriger Coesfelder wegen Mordes an seiner Ex-Frau zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter stellten fest, dass der Täter aus niedrigen Beweggründen handelte – nämlich aus gekränktem Besitzdenken. Er hatte seine ehemalige Partnerin im Dezember 2024 erdrosselt und anschließend den Notruf gewählt.

Bereits im März begann ein weiterer Prozess gegen einen 38-jährigen Mann – ebenfalls aus Coesfeld. Auch ihm wird vorgeworfen, seine Ex-Partnerin im Affekt getötet zu haben. Die Anklage spricht von Heimtücke und grausamer Gewalt. Beide Fälle wurden unter dem Begriff Femizid öffentlich diskutiert.

Täter älter, Opfer jünger: Wer tötet – und wer wird getötet?

Die Analyse des Landeskriminalamtes zeigt deutliche Muster. Über 98 Prozent der Täter in Femizid-Fällen waren Männer. Sie waren im Durchschnitt 46 Jahre alt – meist zwischen 30 und 60 – und häufiger verheiratet als Täter anderer Tötungsdelikte.

Auch die Herkunft spielt eine Rolle: Zwar waren die meisten Täter deutsche Staatsbürger. Doch bei Femiziden war der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger überdurchschnittlich hoch. Ähnliches gilt für die Opfer. Viele von ihnen hatten einen Migrationshintergrund, waren zwischen 30 und 50 Jahre alt und standen oft in einer finanziellen oder emotionalen Abhängigkeit zum Täter.

Besonders besorgniserregend: In rund 20 Prozent der Fälle waren Täter bereits vor der Tat polizeibekannt. Trotzdem kam es nicht zu rechtzeitigen Schutzmaßnahmen.

Kontrolle, Eifersucht, Kränkung: Die Motive hinter den Taten

Die meisten Femizide werden laut Bericht aus Eifersucht, verletztem Stolz oder Kontrollverlust begangen. Täter sehen ihre Partnerinnen nicht als gleichberechtigte Menschen, sondern als Besitz. Kommt es zur Trennung, verlieren sie die Kontrolle – und eskalieren. Frauen werden in diesen Fällen nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Eigenständigkeit getötet.

In Interviews mit Expertinnen und Experten aus Justiz, Polizei und Opferhilfe betonen viele: Es gibt häufig Warnzeichen. Drohungen, übermäßige Kontrolle, frühere Gewalt. Doch zu oft werden sie nicht ernst genommen – weder von den Betroffenen noch von den Behörden.

Prävention im Münsterland: Helfen, bevor es zu spät ist

Im Münsterland gibt es zahlreiche Beratungsstellen für Frauen, die von Gewalt betroffen sind – etwa das Frauenhaus Münster, die Beratungsstelle „frauennotruf Münster“ oder die Polizei mit speziell geschulten Opferschutzbeauftragten. Doch Hilfe setzt voraus, dass sie angenommen wird. Viele Frauen schämen sich, andere fürchten Konsequenzen für sich oder ihre Kinder.

Deshalb fordern die Autorinnen des LKA-Berichts ein Umdenken: Gewalt gegen Frauen darf nicht länger als Einzelfall gelten. Es braucht bessere Daten, verpflichtende Täterarbeit, rechtlich abgesicherte Schutzmaßnahmen und einen leichteren Zugang zur psychosozialen Prozessbegleitung. Nur so kann das Risiko tödlicher Gewalt langfristig verringert werden.

Femizide sind kein Randphänomen

Die Zahlen des LKA Nordrhein-Westfalen machen deutlich, dass Femizide kein seltenes Phänomen sind. Sie passieren auch hier, im Münsterland – leise, hinter verschlossenen Türen, aber mit tödlicher Konsequenz. Die Justiz ist gefordert, sensibler auf geschlechtsspezifische Motive zu reagieren. Die Gesellschaft muss erkennen: Wer Frauenleben schützen will, muss früh zuhören – und handeln, bevor es zu spät ist.

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