
Münster. Die mobilen Videobeobachtungsanlagen an der Windthorststraße sind aktuell nicht im Einsatz. Wie die Polizei Münster mitteilt, befinden sich die Kameras derzeit in der turnusmäßigen Wartung. Die Maßnahme betrifft die mobilen Einheiten, die seit Frühjahr 2024 zur Überwachung des Bahnhofsumfelds eingesetzt werden. Trotz des vorübergehenden Abbaus soll das Sicherheitsniveau in der Umgebung erhalten bleiben.
Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf betont: „Die Sicherheit rund um den Bahnhof hat für uns weiterhin hohe Priorität.“ Man setze bewusst ein Zeichen – auch ohne Kameras werde der Bereich konsequent überwacht. Sichtbare wie verdeckte Streifen seien täglich im Einsatz.
Die mobilen Systeme bestehen aus Anhängern mit Teleskopmasten und mehreren Kameras. Jeder Anhänger verfügt über ein eigenes Warnsystem, das bei Manipulationen Alarm auslöst. Dank Akkus und Brennstoffzellen sind sie bis zu zehn Tage autark. Ihre Livebilder laufen direkt in der Leitstelle der Polizei auf, wo geschulte Kräfte sie auswerten.
Doch: NRW verfügt nur über zehn dieser Systeme. Sie werden nach Bedarf zwischen den 47 Polizeibehörden des Landes verschoben – je nach Einsatzlage. Gerade bei Großveranstaltungen oder Fußballspielen werden sie kurzfristig abgerufen. Eine dauerhafte Stationierung in Münster ist daher nicht möglich.
Die laufende Wartung ist laut Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) unvermeidlich. Sie umfasst den Austausch von Kameralinsen, Checks der Energieversorgung sowie Software-Updates. Da diese Schritte nicht vor Ort durchgeführt werden können, wurden die Anlagen vollständig abgebaut.
Bis zur Rückkehr der Systeme verstärkt die Polizei daher ihre Streifen. Dazu gehören sowohl die bekannten Interventionsteams als auch zivil gekleidete Kräfte, die in und um den Bahnhof unterwegs sind. Ziel ist es, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken.
Die Videobeobachtung am Bahnhof Münster basiert auf § 15a Polizeigesetz NRW. Dieser erlaubt eine offene Überwachung an sogenannten Kriminalitätsschwerpunkten – allerdings nur für maximal ein Jahr. Danach ist eine Evaluation Pflicht. Auch in Münster ist eine solche Auswertung derzeit in Planung und soll voraussichtlich im Herbst 2025 veröffentlicht werden.
Wichtig für den Datenschutz: Die Videoaufzeichnungen dürfen in der Regel nur 14 Tage gespeichert werden. Eine längere Aufbewahrung ist ausschließlich zur Strafverfolgung erlaubt. Bereiche wie Wohnungen, Arztpraxen oder Versammlungen werden automatisch verpixelt. Das Oberverwaltungsgericht NRW betont zudem, dass solche Maßnahmen nur an klar eingegrenzten „Hotspots“ zulässig sind. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung kann zwar berücksichtigt werden – ersetzt jedoch keine Kriminalitätsstatistik.
Die Frage nach der Wirksamkeit der mobilen Videobeobachtung wird regelmäßig diskutiert. Eine NRW-weite Evaluation von 2018 zeigte, dass der Effekt stark vom Ort und der Art der Straftaten abhängt. Während etwa einfache Diebstähle in überwachten Zonen um bis zu 18 % zurückgingen, war der Rückgang bei Gewaltdelikten deutlich geringer.
Auch internationale Studien zeigen ein gemischtes Bild. Eine Metaanalyse kommt zu dem Schluss: Videoüberwachung senkt die Kriminalität im Schnitt um 16 %. Besonders wirksam ist sie in Bereichen wie Parkplätzen oder öffentlichen Verkehrsmitteln. In Wohnvierteln oder bei schweren Straftaten ist die Wirkung dagegen deutlich geringer. Außerdem kommt es immer wieder zu sogenannten Verlagerungseffekten – Täter weichen schlicht auf andere Orte aus.
Eine Umfrage der Polizei Münster aus dem Jahr 2020 ergab: Das Sicherheitsgefühl rund um den Bahnhof hat sich leicht verbessert. Dennoch bleibt der Ort für viele Bürger mit Unsicherheiten verbunden. Die Angst, Opfer einer Straftat zu werden, ist dort höher als in anderen Teilen der Stadt.
Deshalb setzen Stadt und Polizei inzwischen auf ein ganzes Maßnahmenpaket: mehr Licht, weniger wild abgestellte Fahrräder und regelmäßige Reinigungen sollen das Umfeld angenehmer machen. Denn städtische Gestaltung und Sauberkeit wirken sich stark auf das persönliche Sicherheitsempfinden aus.
Die Grünen im Rat begrüßen grundsätzlich den Einsatz der Kameras. Sie warnen jedoch davor, reine Überwachung mit echter Prävention zu verwechseln. Ohne gleichzeitige Investitionen in Sozialarbeit, Drogenhilfe und städtebauliche Verbesserungen sei keine nachhaltige Wirkung zu erwarten. Auch viele Kriminologinnen und Kriminologen sehen das ähnlich.
Fachleute betonen, dass erst die Kombination aus Videotechnik, sichtbarer Polizeipräsenz und sozialer Prävention dauerhaft Wirkung zeigt. Konzepte wie „Crime Prevention through Environmental Design“ (CPTED) legen deshalb den Fokus nicht nur auf Kontrolle, sondern auch auf Gestaltung, Nutzung und Aufenthaltsqualität.
Die Evaluation der Maßnahme läuft derzeit. Zwischen März 2024 und März 2025 werden Daten erhoben, um eine fundierte Entscheidung über eine mögliche Verlängerung treffen zu können. Erste Ergebnisse werden Ende 2025 erwartet.
Angesichts des begrenzten Pools mobiler Trailer stellt sich die Frage, ob stationäre Kameras auf Dauer die sinnvollere Lösung wären. Die Stadt Münster müsste dafür jedoch entsprechende Haushaltsmittel einplanen – bislang ist keine dauerhafte Anlage am Bahnhof vorgesehen.
Ein entscheidender Punkt bleibt offen: Haben sich Delikte wirklich verringert – oder nur verlagert? Diese Frage lässt sich nur mit einem Vergleich der Kriminalitätsstatistik benachbarter Viertel klären. Ergebnisse dazu stehen noch aus.
Die Videobeobachtung am Bahnhof Münster ist ein modernes und flexibles Instrument. Doch sie ist weder dauerhaft verfügbar noch ein Allheilmittel. Ihre Wirkung ist begrenzt und hängt stark vom Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen ab. Um das Sicherheitsgefühl wirklich zu verbessern, setzt die Polizei deshalb weiterhin auf sichtbare Präsenz, Prävention und partnerschaftliche Stadtentwicklung.