
Münster. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) hat zum Auftakt ihrer Herbstsitzung umfassende Kritik an den geplanten Änderungen der Krankenhausfinanzierung durch den Bund geäußert. Präsident Dr. Hans-Albert Gehle warnte in Münster davor, dass die Reform die Versorgungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen empfindlich treffen könnte. Die ÄKWL sieht vor allem die Gefahr, dass das in NRW bereits stark weiterentwickelte Planungssystem durch bundesweite Vorgaben unter Druck gerät. Aus Sicht der Kammer stehen damit sowohl die Stabilität der Kliniken als auch die Zukunft der ärztlichen Weiterbildung auf dem Spiel – zwei zentrale Säulen des Gesundheitswesens NRW.
Im Zentrum der Kritik steht die vorgesehene Neuordnung der Krankenhausfinanzierung über sogenannte Vorhaltepauschalen und Leistungsgruppen. Der Bund will damit bundesweit einheitlichere Strukturen schaffen. In Nordrhein-Westfalen ist die Situation jedoch eine besondere: Das Land hat seine Krankenhausplanung in den vergangenen Jahren grundlegend neu aufgestellt, Leistungsbereiche neu definiert und Kliniken bereits in großen Teilen auf das modernisierte System ausgerichtet.
Dr. Gehle machte deutlich, dass diese Entwicklung nun gefährdet sein könnte, wenn neue Bundesvorgaben nicht kompatibel mit den Strukturen in NRW sind. Viele Kliniken hätten sich organisatorisch, personell und finanziell bereits neu aufgestellt. Würden zentrale Elemente der Reform ohne Rücksicht auf regionale Besonderheiten umgesetzt, könnten funktionierende Standorte wirtschaftlich ins Wanken geraten.
Die ÄKWL verweist darauf, dass die Kliniken in Nordrhein-Westfalen rund 18 Millionen Menschen versorgen – mehr als ein Fünftel der deutschen Bevölkerung. Aus Sicht der Kammer braucht ein so großes Versorgungsgebiet verlässliche Rahmenbedingungen, die durch die Reform nicht aufgeweicht werden dürfen. Die Bedenken aus Westfalen-Lippe fügen sich in eine breitere bundesweite Kritik ein, denn auch andere Länder mahnen an, dass die geplanten Vorgaben regionale Planungsmodelle zu wenig berücksichtigen.
Ein bedeutender Teil der Diskussion in Münster betraf die ärztliche Weiterbildung. Dr. Gehle wies darauf hin, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte schon heute über hohe Arbeitsbelastungen und unklare Ausbildungsstrukturen berichten. Die geplante Reform könnte diese Probleme nach Einschätzung der ÄKWL verschärfen.
Die Weiterbildung ist in vielen Regionen als Verbundmodell organisiert, bei dem mehrere Kliniken kooperieren. Werden aufgrund der Reform Abteilungen neu zugeordnet oder Standorte geschlossen, könnten diese Verbünde auseinanderbrechen. Aus Sicht der ÄKWL würde dies die Ausbildung in wichtigen Fachgebieten erschweren und die Möglichkeiten für praktische Erfahrungen einschränken.
Zudem bemängelt die Kammer, dass aus Berlin bislang keine klaren Aussagen zur Finanzierung der Weiterbildung vorliegen. Für eine qualitativ hochwertige Ausbildung seien verlässliche Strukturen jedoch unverzichtbar. Bundesweit wird seit Jahren darüber diskutiert, dass fehlende Weiterbildungszeit, Bürokratie und Überlastung ein Grund dafür sind, warum junge Ärzte ins Ausland gehen oder sich von der klinischen Arbeit zurückziehen.
Die ÄKWL sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf und fordert, die Weiterbildung stärker in den Reformplänen zu verankern.
Einen weiteren Schwerpunkt setzte die Versammlung mit der Diskussion um die Situation syrischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Dr. Gehle erinnerte daran, dass bundesweit über 7000 Medizinerinnen und Mediziner mit syrischer Staatsangehörigkeit arbeiten, davon rund 900 im Bereich Westfalen-Lippe. Viele von ihnen sind in Kliniken tätig und tragen erheblich dazu bei, Versorgungslücken zu schließen – insbesondere in Bereichen, in denen der Fachkräftemangel besonders spürbar ist.
In diesem Zusammenhang kritisierte die ÄKWL politische Forderungen, den Schutzstatus syrischer Geflüchteter pauschal neu zu bewerten oder ein Einbürgerungsmoratorium zu verhängen. Hintergrund ist unter anderem eine entsprechende Position der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel. Aus Sicht der Kammer hätten solche Maßnahmen unmittelbare Folgen für das Gesundheitswesen: Würden syrische Fachkräfte fehlen, würde die Versorgung in zahlreichen Kliniken erheblich unter Druck geraten.
Die Ärztekammer Westfalen-Lippe machte deutlich, dass syrische Ärztinnen und Ärzte längst ein fester Teil der medizinischen Teams seien und einen unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung in NRW leisten. Die Kammer sprach sich deshalb für eine klare Unterstützung und Anerkennung dieser Kolleginnen und Kollegen aus.