Angstraum oder Ankunftsort? Münster ringt weiter öffentlich um seinen Hauptbahnhof

Angstraum oder Ankunftsort? Münster ringt weiter um seinen Hauptbahnhof
Foto: David Olef

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Münster. Der Hauptbahnhof Münster steht erneut im Mittelpunkt einer breiten Sicherheitsdebatte. Trotz moderner Beleuchtung, Kameraüberwachung und präsenter Polizeistreifen empfinden viele Passantinnen und Passanten das Umfeld nach wie vor als unsicher. Anlass der aktuellen Diskussion war das WDR-Stadtgespräch „Angstraum Bahnhof“, das am 18. Oktober 2025 in Münster stattfand. Dort wurde deutlich, dass zwischen subjektivem Sicherheitsgefühl, sozialer Verantwortung und ordnungspolitischen Maßnahmen weiterhin ein Spannungsfeld besteht, das Münster seit Jahren beschäftigt.

Ein Bahnhof im Fokus von Polizei und Stadtplanung

Der Hauptbahnhof Münster gilt laut Polizei als sogenannter Kriminalitätsschwerpunkt, liegt mitten im Stadtzentrum und dient täglich mehr als 60.000 Menschen als Verkehrsknotenpunkt. Anders als in Metropolen wie Köln oder Dortmund ist die Zahl schwerer Delikte hier vergleichsweise niedrig, doch kleinere Vorfälle wie Taschendiebstähle, Pöbeleien und Eigentumsdelikte prägen die Wahrnehmung. Nach Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2024 liegt Münster unter dem Durchschnitt der NRW-Großstädte. Die Gesamtzahl der Straftaten ging auf 33.274 zurück, ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr.

Um das Sicherheitsgefühl zu stärken, hat die Polizei Münster mehrere Maßnahmen umgesetzt. Seit Mitte Juli 2025 gilt rund um die Westseite des Bahnhofs und den Bremer Platz eine Waffen- und Messerverbotszone. Zwischen dem 12. und 14. August wurde sie mit rund 50 Schildern sichtbar ausgeschildert. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 10.000 Euro. Ergänzend betreibt die Polizei eine mobile Videobeobachtung, die seit dem 20. August nach einer Wartung wieder an der Westseite des Bahnhofs in Betrieb ist. Diese Kombination aus Kontrolle und sichtbarer Präsenz soll Straftaten frühzeitig erkennen und vorbeugen. Nach Angaben der Polizei zeigen Schwerpunktkontrollen bereits Wirkung, dennoch bleibt die Lage dynamisch.

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Auch der geplante gemeinsame Sicherheitsstandort von Polizei und Ordnungsamt am Berliner Platz soll künftig für engere Zusammenarbeit sorgen. Die Stadt, die Polizei, die Deutsche Bahn und der Nahverkehrsverbund Westfalen-Lippe haben dazu am 23. Mai 2025 eine Absichtserklärung unterzeichnet. Vorgesehen ist eine neue Polizeiwache mit Räumen für den Kommunalen Ordnungsdienst. Der Neubau soll nach Abschluss der Planungsphase am Berliner Platz entstehen, wo bislang das ehemalige Post- und Sparda-Bank-Gebäude steht.

Zwischen sozialer Realität und öffentlichem Druck

Ein erheblicher Teil der Problematik liegt weniger in der Kriminalität als in den sozialen Umständen vor Ort. Rund um den Bahnhof halten sich regelmäßig Wohnungslose und Drogenkonsumenten auf. Sie nutzen die Angebote der Drogenhilfe am Bremer Platz, deren Kapazitäten jedoch begrenzt sind. Der Konsumraum ist häufig ausgelastet, sodass einige Betroffene auf den öffentlichen Raum ausweichen müssen. Sozialarbeiter berichten von hoher Belastung, während die Stadt versucht, durch städtebauliche Lösungen gegenzusteuern. Der Bremer Platz wird derzeit in drei Zonen umgestaltet, im nördlichen Szenebereich sorgen seit Juli 2025 zwei offen gestaltete Container für zusätzlichen Wetterschutz und Rückzugsräume. Die Aufenthaltsflächen sollen künftig zugleich Sicherheit und soziale Verantwortung vereinen.

Beim WDR-Stadtgespräch wurde deutlich, dass die Balance zwischen Ordnung und sozialer Hilfe in Münster weiter umstritten bleibt. Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehr sichtbare Präsenz, Fachleute warnen dagegen vor einer reinen Verdrängung der Szene. Der stellvertretende Polizeipräsident Jürgen Dekker betonte, dass von den Wohnungslosen selbst keine Gefahr ausgehe, die Herausforderungen aber im Zusammenspiel mit Alkohol, Drogen und einzelnen aggressiven Personen lägen. Der designierte Oberbürgermeister Tilman Fuchs sprach sich für eine engere Zusammenarbeit von Polizei, Ordnungsamt und Sozialdiensten aus, um die Vielzahl kleiner Maßnahmen besser zu koordinieren.

Öffentliche Debatte: Ein Thema mit langem Atem

Die Diskussion um den Angstraum Bahnhof Münster zieht sich bereits über mehrere Jahre. Schon 2023 hatte die Polizei Münster den Bereich rund um den Bremer Platz als „chronischen Kriminalitätsschwerpunkt“ bezeichnet und zusätzliche Streifen eingesetzt. Seitdem gab es immer wieder Initiativen, Konzepte und politische Vorschläge, wie der Platz sicherer und zugleich sozialverträglicher gestaltet werden kann.

Besonders 2024 und 2025 wurde das Thema zunehmend öffentlich diskutiert. Neben der Polizei und der Stadt beteiligten sich auch die Caritas Münster, die IHK Nord Westfalen und lokale Sozialverbände an Gesprächen und Veranstaltungen. Die Grünen und die SPD im Rat brachten eigene Ideen ein, darunter zusätzliche Präventionsprojekte und bessere Koordination der Drogenhilfe. Die IHK unterstützte die Pläne für einen neuen Sicherheitsstandort, während Sozialverbände vor Verdrängung und Stigmatisierung warnten. Die Debatte wird also längst nicht mehr nur auf Verwaltungsebene geführt, sondern quer durch Stadtgesellschaft, Politik und Wirtschaft.

Auch die Medien greifen das Thema regelmäßig auf. Neben den laufenden Polizeimeldungen über Vorfälle am Bahnhof berichten regionale Sender wie Antenne Münster oder Alles Münster über Fortschritte am Bremer Platz und über die Wirkung der Waffenverbotszone. Das Stadtgespräch des WDR hat den Konflikt nun erneut in die breite Öffentlichkeit gerückt und gezeigt, dass Sicherheit am Bahnhof nicht nur eine Frage von Kameras und Kontrollen ist, sondern auch von Vertrauen, Wahrnehmung und sozialer Integration.

Vergleich zu anderen Städten: Münster steht besser da

Im Vergleich zu anderen Bahnhöfen in Nordrhein-Westfalen steht Münster trotz der anhaltenden Debatte gut da. Während Städte wie Köln, Essen oder Dortmund deutlich höhere Zahlen bei Körperverletzungen und Sexualdelikten verzeichnen, meldete Münster 2023 laut Landeskriminalamt nur 22 Fälle im Bahnhofsumfeld. In Köln waren es 72, in Düsseldorf 31, in Essen 28 und in Dortmund 27. Auch Raubdelikte und gefährliche Körperverletzungen treten in Münster seltener auf. Gleichzeitig bleibt der Bahnhof für viele ein Ort erhöhter Aufmerksamkeit, nicht zuletzt, weil sich dort täglich zehntausende Menschen begegnen. Schon kleinere Vorfälle wirken hier sichtbarer als in ruhigeren Vierteln.

Städtebaulich unterscheidet sich Münster ebenfalls von vielen Großstädten. Der Hauptbahnhof wurde 2017 modernisiert, ist hell ausgeleuchtet und mit fest installierten Kameras ausgestattet. Hinzu kommt die mobile Überwachung der Polizei. Dennoch zeigt sich, dass reine Technik keine allumfassende Lösung ist. Der angrenzende Bremer Platz bleibt ein sozialer Brennpunkt, der durch die Mischung aus Hilfsangeboten, Aufenthaltszonen und offener Szene komplex bleibt. Fachleute sehen Münster hier als Beispiel einer Stadt, die versucht, Kontrolle und soziale Verantwortung gleichzeitig umzusetzen, mit begrenztem, aber sichtbarem Erfolg.

Perspektive: Kleine Schritte statt großer Versprechen

Die WDR-Debatte machte deutlich, dass es keine schnelle Lösung geben wird. Münsters künftiger Oberbürgermeister Tilman Fuchs stellte in Aussicht, die bisherigen Konzepte weiterzuentwickeln und die Zusammenarbeit der Institutionen zu stärken. Welche konkreten Schwerpunkte folgen, bleibt offen. Sicher ist jedoch, dass der Hauptbahnhof Münster ein sensibler Ort bleibt, an dem sich viele gesellschaftliche Fragen bündeln, von Armut und Sucht bis zu Sicherheit und öffentlicher Ordnung. Zwischen Kontrolle, Prävention und Menschlichkeit wird sich entscheiden, ob aus dem Angstraum ein Ort des Ankommens werden kann.

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