Insolvenzen in Münster steigen: Wirtschaft kämpft mit steigenden Kosten und Strukturwandel

Insolvenzen in Münster steigen – Wirtschaft kämpft mit steigenden Kosten und Strukturwandel
Foto: Tim Mossholder / unsplash

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Münster. Die Zahl der Insolvenzen in Münster nimmt zu. Die Entwicklung folgt einem Trend, der sich in ganz Nordrhein-Westfalen und bundesweit beobachten lässt. Während steigende Energiekosten, höhere Zinsen und Fachkräftemangel vielen Betrieben zusetzen, rückt auch in Münster die wirtschaftliche Stabilität stärker in den Fokus.

Insolvenzen steigen in NRW – und auch bundesweit

Nach aktuellen Angaben des Landesamtes Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) wurden im ersten Halbjahr 2025 3.190 Unternehmensinsolvenzen im Land registriert. Das entspricht einem Anstieg um 17,2 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024. Insgesamt zählten die Amtsgerichte 15.491 Insolvenzverfahren, darunter auch Verbraucher- und Nachlassinsolvenzen. Der Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen war am häufigsten betroffen.

Auch auf Bundesebene zeigt sich ein vergleichbares Bild. Das Statistische Bundesamt (Destatis) meldet für die ersten sechs Monate 2025 einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um rund 12,2 Prozent. Für August 2025 wurde zudem ein Plus von 11,6 Prozent bei den beantragten Regelinsolvenzen gegenüber dem Vorjahresmonat verzeichnet. Die Behörde geht davon aus, dass die Zahl der Firmenpleiten 2025 den höchsten Stand seit 2015 erreichen wird.

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Wirtschaftsforscher sehen mehrere Ursachen: auslaufende Pandemiehilfen, steigende Energie- und Personalkosten sowie eine schwache Binnennachfrage. Auch der anhaltend hohe Krankenstand und der Fachkräftemangel belasten viele Betriebe zusätzlich. Dazu kommt eine anhaltend hohe Bürokratiebelastung, die Investitionen hemmt und Entscheidungen verzögert.

In Münster schließen bekannte Namen ihre Türen

Auch in Münster bleibt die Entwicklung spürbar. Mehrere bekannte Unternehmen mussten in den vergangenen Monaten Insolvenz anmelden oder ihren Geschäftsbetrieb einstellen.

Ein aktuelles Beispiel ist die MFO Matratzen Direct AG, die bereits im Frühjahr 2025 ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnete. Eine Sanierung gelang nicht. Im Herbst wurde bekannt, dass das Unternehmen bundesweit abgewickelt wird. Davon betroffen sind auch die beiden Münsteraner Filialen an der Hammer Straße und an der Alten Ziegelei, die bis Jahresende schließen sollen.

Ebenfalls wirtschaftlich unter Druck geriet der Hammer Markt am Albersloher Weg. Das Unternehmen war Teil eines größeren Handelsverbunds, der in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Die Filiale in Münster wurde geschlossen, das Gebäude steht derzeit leer und wartet auf eine neue Nutzung.

Ein weiteres Beispiel ist der Münsteraner Kult-Händler Titus, der Anfang 2025 Insolvenz anmeldete. Das bekannte Skate- und Streetwear-Unternehmen versucht seither, den Geschäftsbetrieb neu zu strukturieren und die Marke im Onlinehandel zu sichern.

Auch die Modekette Heimatliebe ist von einer Insolvenz betroffen. Das Verfahren betrifft die Muttergesellschaft Store Concept GmbH & Co. KG, die mehrere Filialen in Nordrhein-Westfalen betrieb. Die Auswirkungen sind auch in Münster sichtbar, wo Partnergeschäfte inzwischen aufgegeben haben.

Darüber hinaus zeigen sich Folgen in anderen Branchen: In Angelmodde musste ein Bauprojekt gestoppt werden, nachdem das beauftragte Bauunternehmen Insolvenz anmeldete. Auch im Gastronomiebereich kam es zu Schließungen, etwa beim Schwarzen Schaf in der Innenstadt, für das beim Amtsgericht Münster ein Insolvenzverfahren geführt wurde.

Diese Fälle stehen exemplarisch für eine Entwicklung, die quer durch verschiedene Branchen verläuft. Betroffen sind Handelsketten ebenso wie Traditionsbetriebe, Start-ups oder Familienunternehmen.

Ursachen und strukturelle Belastungen

Die aktuelle Welle von Firmeninsolvenzen ist das Ergebnis mehrerer gleichzeitig wirkender Faktoren. Nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen gehören zu den größten Belastungen die hohen Energiepreise, der anhaltende Fachkräftemangel und eine überbordende Bürokratie, die Genehmigungsverfahren verzögert und Unternehmen im Alltag stark bindet.

Zudem schlagen die gestiegenen Zinsen bei kreditfinanzierten Betrieben durch. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, die in den vergangenen Jahren Investitionen über Darlehen finanziert haben, geraten dadurch in Engpässe. Die Kombination aus teuren Betriebskosten und schwächelnder Nachfrage sorgt vielerorts für Liquiditätsprobleme.

Ökonomen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) weisen darauf hin, dass viele Betriebe trotz guter Auftragslage zu wenig Rücklagen bilden konnten. In der Folge führen schon kurzfristige Umsatzrückgänge zu finanziellen Schieflagen.

Wirtschaftliche Stärken und Zusammenhalt in Münster

Trotz der wachsenden Zahl an Insolvenzen bleibt Münster ein wirtschaftlich starker Standort. Die Stadt profitiert von einer eng vernetzten Struktur aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Mehr als ein Dutzend Forschungseinrichtungen und Hochschulen – darunter die Universität Münster, die FH Münster und mehrere außeruniversitäre Institute – sorgen für Fachkräfte, Innovation und Kooperationen mit regionalen Betrieben.

Auch das unternehmerische Selbstverständnis ist in Münster besonders ausgeprägt. Viele Firmen sind inhabergeführt, regional verwurzelt und langfristig orientiert. Diese enge Bindung an den Standort prägt das Konsumverhalten: Viele Münsteranerinnen und Münsteraner kaufen bewusst lokal ein, um Betriebe vor Ort zu unterstützen.

Die Stadt arbeitet gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft an ihrer Standortentwicklungsstrategie „Münster 2030+“, die Anfang 2025 vom Rat beschlossen wurde. Sie umfasst über 30 Maßnahmen und bringt mehr als 40 Akteure zusammen. Ziele sind eine nachhaltige Flächenentwicklung, Innovationsförderung, der Ausbau klimaneutraler Energie und eine moderne Verwaltung.

Die IHK Nord Westfalen setzt sich parallel für eine wirtschaftsfreundlichere Politik ein. Aktuell fordert sie die Kommunen im Münsterland auf, bei Gewerbesteuererhöhungen Zurückhaltung zu üben. Angesichts steigender Belastungen solle die regionale Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben.

Insgesamt gilt Münster als Stadt mit guten Voraussetzungen, die Krise zu meistern. Netzwerke, Standortbindung und eine traditionell kooperative Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft bieten Chancen, um die Folgen der Insolvenzwelle abzufedern. Dennoch sehen viele Fachleute noch Potenzial, vorhandene Strukturen effizienter zu nutzen und Verwaltungsverfahren zu beschleunigen.

Münster zwischen Stabilität und Anpassungsdruck

Auch wenn Münster im Vergleich zu anderen Regionen noch vergleichsweise robust dasteht, spürt die Stadt den wirtschaftlichen Druck zunehmend. Die steigende Zahl von Insolvenzverfahren verdeutlicht, wie eng die Spielräume vieler Unternehmen geworden sind.

Ob sich die Lage im kommenden Jahr stabilisiert, hängt von mehreren Faktoren ab: einer möglichen Entspannung der Energiepreise, der Entwicklung der Bau- und Konsumbranchen sowie von wirtschaftspolitischen Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene. Klar ist: Die Stadt steht vor der Aufgabe, ihre wirtschaftlichen Stärken zu bewahren und gleichzeitig den Wandel aktiv zu gestalten.

Mit einer starken Wissenschaftslandschaft, engagierten Unternehmern und einer hohen Verbundenheit der Bevölkerung hat Münster jedoch gute Chancen, die aktuelle Phase zu bewältigen  und langfristig gestärkt daraus hervorzugehen.

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