Münster diskutiert erneut über koloniale Straßennamen: Entscheidung zu Lüderitz- und Woermannweg steht bevor

In Münster wurde ein Bürgerbegehren zu Straßennamen mit NS-Bezug eingereicht. Was hinter dem Streit steht und wie es weitergeht.
Die Admiral-Scheer-Straße und die Skagerrakstraße sind zwei von fünf Straßennamen, für deren Erhalt die Stadt jetzt ein Bürgerbegehren entgegengenommen hat. ©Stadt Münster

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In Gremmendorf rückt eine wichtige Entscheidung näher: Die Bezirksvertretung Südost befasst sich am kommenden Dienstag mit der Zukunft des Lüderitzwegs und des Woermannwegs. Beide Straßen stehen seit längerem in der Kritik, weil ihre Namensgeber direkt mit der deutschen Kolonialgeschichte verbunden sind.
Die Stadtverwaltung hat inzwischen eine Beschlussvorlage vorgelegt, in der sie ungewöhnlich deutlich eine Umbenennung beider Straßen empfiehlt. Grundlage dafür sind die städtischen „Leitlinien zu Ehrungen im öffentlichen Raum“, die Münster im Jahr 2022 verabschiedet hat.

Historische Verantwortung als Maßstab

Die Verwaltung argumentiert, dass die Beibehaltung beider Straßennamen nicht mehr mit dem politischen Selbstverständnis der Stadt vereinbar sei. Münster hatte sich in einem Ratsbeschluss ausdrücklich dazu bekannt, Verantwortung für das koloniale Unrecht Deutschlands zu übernehmen. Eine Fortführung der bisherigen Benennungen könne laut Verwaltung eine „diskriminierende Wirkung“ haben – insbesondere gegenüber Menschen, deren Familien von kolonialer Gewalt betroffen waren.

Warum die Namen heute als problematisch gelten

Die Einschätzung stützt sich auf Recherchen des Stadtarchivs Münster:

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  • Adolf Lüderitz (1834–1886) gilt als treibende Figur bei der Ausweitung deutscher Einflussgebiete im heutigen Namibia. Sein umstrittener Landkauf von 1883, später als „Meilenschwindel“ bekannt geworden, leitete eine Entwicklung ein, die zur Stationierung deutscher Truppen und später zum Völkermord an den Herero und Nama führte.

  • Adolph Woermann (1847–1911) war einer der einflussreichsten Kolonialunternehmer der Kaiserzeit. Er profitierte wirtschaftlich von kolonialen Handelsstrukturen, unterstützte militärische Unternehmungen im südwestlichen Afrika und war eng mit der politischen Ideologie des damaligen Kolonialismus verbunden.

Mehrere deutsche Städte haben in den vergangenen Jahren ähnliche Straßennamen überprüft und geändert – etwa Hamburg und Düsseldorf.

Ein Blick in die Vergangenheit: NS-Benennungen von 1938

Bei den heutigen Straßennamen spielt zudem der historische Kontext eine Rolle. Beide Straßen wurden 1938 unter dem nationalsozialistischen Oberbürgermeister Albert Anton Hillebrand neu benannt. Damals erhielten rund 60 Straßen Namen, die bewusst koloniale „Heldenfiguren“ betonten. Das Stadtarchiv bewertet diese Maßnahmen heute klar als Teil einer propagandistischen Erinnerungspolitik des NS-Regimes.

Der Stadtteil ist gespalten

Im Frühjahr hat die Stadt Münster eine große Bürgerinformationsveranstaltung im York-Quartier organisiert. Mehr als 50 Menschen diskutierten dort über mögliche neue Namen und die historische Verantwortung, die mit der Debatte verbunden ist. Auch online konnten Bürgerinnen und Bürger Stellung nehmen.
Das Ergebnis der Beteiligung fällt ausgeglichen aus: Etwa die Hälfte der Teilnehmenden sprach sich für eine Umbenennung aus, die andere Hälfte dagegen. Befürworter verweisen auf eine notwendige Aufarbeitung kolonialer Geschichte, während Gegner häufig praktische Gründe nennen – etwa mögliche Umstellungsaufwände.

Wie es jetzt weitergeht

Die Bezirksvertretung Südost entscheidet am Dienstag über die Empfehlung der Verwaltung. Sollte das Gremium einer Umbenennung zustimmen, beginnt ein eigenständiges Verfahren, in dem neue Straßennamen festgelegt und Anwohnerinnen und Anwohner über die nächsten Schritte informiert werden.

Fest steht: Die Entscheidung hat Signalwirkung – nicht nur für Gremmendorf, sondern für das gesamte städtische Vorgehen im Umgang mit kolonial belasteten Straßennamen.

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