
Die SPD Münster steht nur wenige Tage nach ihrem vielbeschworenen Neustart vor einem politischen Erdbeben. Ayşegül Paran, erst vor knapp zwei Wochen zur Co-Vorsitzenden gewählt, hat am Donnerstagabend völlig überraschend ihren sofortigen Rücktritt erklärt. In ihrer schriftlichen Erklärung spricht die 28-Jährige von einem fehlenden „unbelasteten Neustart“ – eine Formulierung, die tief blicken lässt und eine Debatte neu entfacht, die innerhalb der Partei seit Tagen schwelt. Was ursprünglich als Signal der Erneuerung gedacht war, hat sich zu einem sichtbaren Bruch entwickelt, dessen Ausmaß nun unübersehbar wird.
Schon die Wahl der neuen Doppelspitze verlief nicht reibungslos. Paran erhielt im zweiten Wahlgang nur eine knappe Mehrheit. Rund 45 Prozent der Delegierten stimmten dagegen oder enthielten sich. Für eine neue Spitze, die den Unterbezirk einen sollte, ist das ein ungewöhnlich schwaches Mandat. Dennoch kommentierte niemand in der SPD das Ergebnis offen – weder Paran selbst noch ihr Co-Vorsitzender Prof. Dr. Peter Wagner. Beide vermieden klare Aussagen zur Stimmung in der Partei, und auch andere führende Mitglieder wollten sich nicht äußern. Statt Klarheit entstand ein Vakuum, das die inneren Spannungen nicht beruhigte, sondern verstärkte.
In den vergangenen Tagen verdichteten sich Hinweise darauf, dass es hinter den Kulissen brodelt. Fragen nach dem Zustand der Partei wurden konsequent abgeblockt, Andeutungen über „Privates“, das nicht in die Öffentlichkeit gehöre, standen plötzlich im Raum. Gleichzeitig kursierte erneut ein Video, in dem Paran über Beharrungskräfte in der SPD spricht – ein Clip, der bereits im Vorfeld der Wahl für Diskussionen gesorgt hatte. Ob dieses Video tatsächlich Auslöser für Konflikte war, bleibt unklar. Klar ist jedoch: Das Schweigen der Beteiligten erzeugte mehr Unruhe, als es beseitigen sollte.
Mit dem sofortigen Rückzug von Ayşegül Paran hat die Situation nun eine neue Dimension erhalten. Eine frisch gewählte Co-Vorsitzende, die nach zwei Wochen das Handtuch wirft, ist ein seltenes Ereignis – und ein deutliches Zeichen dafür, dass der interne Streit größer ist, als die Partei bisher zugeben wollte. Die SPD, die voraussichtlich Teil der neuen Rathauskoalition sein wird, steht damit vor der Frage, wie stabil sie tatsächlich ist. Für eine Partei, die im Wahlkampf Geschlossenheit und Verlässlichkeit betont hat, ist der öffentliche Eindruck schwierig.
Warum die internen Differenzen so eskaliert sind, bleibt weiter ungeklärt. Aus der SPD heißt es, einige Aspekte seien „privater Natur“. Doch die Verbindung zwischen persönlichen Konflikten, einem ungewöhnlich knappen Wahlergebnis und der politischen Verantwortung eines Unterbezirks ist unübersehbar. Der geplante Neustart der Sozialdemokraten in Münster ist damit ins Stocken geraten. Ob und wie sich die Partei aus dieser Lage befreien kann, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Fest steht: Die SPD hat ein Problem, das nun öffentlich geworden ist – und das sich nicht länger mit Schweigen lösen lässt.