Das war der Wahlkampf in Münster: Skandale, Streit und Stimmungslagen im Überblick

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Münster. Der Wahlkampf in Münster zur Kommunalwahl 2025 hat die Stadt in den vergangenen sechs Wochen geprägt wie selten zuvor. Zwischen politischen Kontroversen, provokanten Aktionen und persönlichen Angriffen entwickelte sich ein Wahlkampf, der nicht nur auf den Marktplätzen, sondern auch in den sozialen Netzwerken intensiv geführt wurde. Im Zentrum standen die drei aussichtsreichsten Kandidaten: Georg Lunemann (CDU), Stephan Brinktrine (SPD) und Tilman Fuchs (Grüne). Sie lieferten sich ein spannungsgeladenes Rennen um die Nachfolge im Rathaus – begleitet von Skandalen, Umfragen und einer hohen medialen Aufmerksamkeit.

Frühe Kontroversen um die AfD und das Neutralitätsgebot

Schon zum Auftakt setzte Münster ein Zeichen gegen die AfD. Sieben der acht OB-Kandidierenden unterzeichneten im Juli eine gemeinsame Erklärung für einen demokratischen Wahlkampf ohne Auftritte mit der AfD. Nur CDU-Kandidat Georg Lunemann verweigerte die Unterschrift. Er begründete, man dürfe der AfD nicht die Bühne überlassen, sondern müsse sich ihr stellen. Diese Haltung sorgte für eine lebhafte Debatte: Während lokale Medien sachlich berichteten, wurde Lunemann auf Twitter und Facebook scharf kritisiert. Zugleich fand er auch Unterstützer, die in seiner Entscheidung einen Ausdruck demokratischer Standfestigkeit sahen.

Die SPD sorgte kurz darauf für ihren ersten Fehltritt. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion verwandelten Genossen den Schulhof des Hans-Böckler-Berufskollegs in eine Wahlkampfbühne. Mit Absperrbändern und Plakaten wollte man auf die Idee eines Berufsschul-Campus aufmerksam machen. Am nächsten Morgen waren die Plakate entfernt, die Stadt mahnte das Neutralitätsgebot an Schulen an, und Kandidat Brinktrine musste sich öffentlich entschuldigen. Auf Instagram und Facebook erntete die SPD Spott und Kritik, manche hielten die Aktion aber auch für einen kreativen Denkanstoß. Der Fall zeigte, wie schnell kleine Aktionen im Wahlkampf in Münster bundesweit Schlagzeilen machen können.

Sicherheit, Verkehr und Wohnen als Streitpunkte

Inhaltlich kristallisierten sich drei Themen heraus, die den Wahlkampf in Münster bestimmten: Sicherheit, Verkehr und Wohnen.

CDU-Kandidat Lunemann profilierte sich mit klaren Forderungen nach Ordnung und Kontrolle. Unterstützung bekam er dabei von NRW-Innenminister Herbert Reul, der eigens nach Münster reiste, um mit ihm über Graffiti, Vandalismus und Videoüberwachung zu sprechen. Während Lunemann mehr Einsatz von Ordnungskräften versprach, warnten die Grünen vor einem populistischen Sicherheitskurs, der Grundrechte gefährde.

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Für Tilman Fuchs war die Verkehrswende das zentrale Anliegen. Er forderte eine autofreie Innenstadt, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger sowie mutige Klimaschutzmaßnahmen. Brinktrine wiederum plädierte für einen Ausbau des ÖPNV mit Metrobus-Linien und neuen Radwegen, ohne die Innenstadt für Autos vollständig zu sperren. Die Debatte spaltete die Stadt: Geschäftsleute fürchteten den Verlust von Kundschaft, während viele Bürgerinnen mehr Lebensqualität einforderten.

Ein weiteres wichtiges Thema war der Wohnungsmarkt. Münster zählt zu den angespanntesten Städten in NRW, Mieten steigen seit Jahren. SPD-Kandidat Brinktrine machte die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum deshalb zu einem Kernpunkt seiner Kampagne. Er forderte mehr kommunalen Wohnungsbau, verbindliche Quoten für geförderte Wohnungen und eine stärkere Förderung von Genossenschaften. Die Grünen unterstützten den Kurs, legten aber zusätzlich Wert auf nachhaltiges Bauen und Klimaschutz im Quartier. Lunemann betonte dagegen schnellere Genehmigungen und Anreize für private Investoren, warnte aber vor überzogenen Quoten, die Bauprojekte ausbremsen könnten.

Auch wenn Wohnen nicht die Schlagzeilen dominierte wie Verkehr oder Sicherheit, fand das Thema große Resonanz – gerade in den sozialen Netzwerken und bei Bürgergesprächen. Viele junge Familien und Studierende machten deutlich, dass steigende Mieten für sie eine der drängendsten Fragen der Stadtpolitik sind.

Skandale und Grenzüberschreitungen

Neben Sachthemen sorgten Skandale für Schlagzeilen. CDU-Ratsherr Olaf Bloch wurde von einer Kamera dabei gefilmt, wie er Grüne-Flyer aus Briefkästen entfernte und durch CDU-Material ersetzte. Bloch entschuldigte sich öffentlich und spendete 1.000 Euro, doch das Bild vom unfairen Wahlkampf war gesetzt.

Ebenfalls umstritten war die Entscheidung der Bezirksvertretung, mehrere Straßen mit NS-Bezug umzubenennen. Eine Bürgerinitiative sammelte tausende Unterschriften für ein Bürgerbegehren und machte den Protest zu einem Wahlkampfthema. Fuchs verteidigte die Umbenennungen, CDU-Vertreter warfen ihm ideologische Politik ohne Rücksicht auf die Anwohner vor. Für viele Münsteraner war diese Debatte ein Symbol dafür, wie Geschichte, Identität und politische Gegenwart ineinandergreifen.

Auch auf der Straße und an den Laternenmasten wurde gestritten. Die Satirepartei Die PARTEI sorgte mit dem Plakat „Nazis töten“ für  eine breite Diskussion darüber, wie weit Satire im Wahlkampf gehen darf. Gleichzeitig nahm das Netzwerk Busters.ms AfD-Plakate ins Visier, dokumentierte deren Standorte in einer interaktiven Karte und sorgte so für Debatten über zivilgesellschaftlichen Aktivismus und die Grenzen politischer Auseinandersetzung.

Eine neue Dimension erreichte der Wahlkampf, als unter einem FDP-Plakat die Drohung „Reich erschießen“ angebracht wurde – eine direkte Morddrohung gegen den Kandidaten Bastian Reich. Die FDP stellte ihren Wahlkampf im betroffenen Stadtteil Nienberge vorerst ein. Parteien aller Lager solidarisierten sich, Medien berichteten bundesweit. Der Vorfall führte vor Augen, dass politische Gewalt auch auf kommunaler Ebene eine reale Gefahr ist.

Umfragen 

Anfang September brachte eine repräsentative Umfrage die politische Landschaft ins Wanken: Tilman Fuchs lag mit 40 Prozent deutlich vorn, Georg Lunemann erreichte 35 Prozent, Stephan Brinktrine stürzte auf 13 Prozent ab. Damit deutete alles auf eine Stichwahl zwischen Grünen und CDU hin. In sozialen Netzwerken sorgte das Ergebnis für hitzige Diskussionen: Während die Grünen von Rückenwind sprachen, kämpfte die SPD gegen das Bild des sicheren Verlierers.

Ein Wahlkampf zwischen Demokratie und Grenzüberschreitung

Der Wahlkampf in Münster 2025 war ein Spiegelbild der Gesellschaft: leidenschaftlich, polarisiert, manchmal fair, manchmal grenzüberschreitend. Klassische Themen wie Sicherheit, Verkehr und Wohnen trafen auf Skandale um Flyer und Plakate, auf Bürgerinitiativen und sogar auf Drohungen. Die Rolle der sozialen Medien war unübersehbar: Was früher auf Podien diskutiert wurde, wanderte in die Kommentarspalten von Facebook und Instagram.

Am Ende bleibt der Eindruck eines Wahlkampfs, der die Stadt bewegte und zugleich Fragen aufwarf: Wie viel Provokation verträgt die Demokratie? Wie sichern wir Fairness und Respekt im politischen Wettbewerb? Und wie stark verändert die digitale Öffentlichkeit den kommunalen Wahlkampf?

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