OVG Münster: Außengastronomie darf nicht pauschal zum Lärmsünder erklärt werden

OVG Münster kippt pauschale 22-Uhr-Sperrstunde für Außengastronomie in Köln. Was das Urteil für Münster mit Hafen, Kuhviertel und Aasee-Wiesen bedeutet.
Bernd Schwabe in Hannover, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Münster/Köln. Ein aktueller Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster sorgt für Aufsehen – und für Erleichterung bei vielen Gastronomiebetrieben. Die Stadt Köln darf Außengastronomie am Brüsseler Platz nicht pauschal dazu verpflichten, schon um 22 Uhr zu schließen. Damit stellt das Gericht klar: Belastende Auflagen müssen sich auf belastbare Daten stützen, nicht auf Vermutungen. Für Münster mit seinen Szenemeilen am Hafen und im Kuhviertel ist das Urteil ein wichtiges Signal, wie Städte künftig zwischen Nachtruhe und Ausgehkultur abwägen müssen.

Hintergrund: Dauerstreit um den Brüsseler Platz

Der Brüsseler Platz in Köln ist seit Jahren ein Hotspot für Nachtleben und Konflikte. Hunderte Menschen treffen sich dort an warmen Abenden bis tief in die Nacht. Anwohner klagen seit Langem über massiven Lärm, Schlafstörungen und gesundheitliche Belastungen. Bereits 2013 hatte die Stadt Köln einen „Modus Vivendi“ mit Anwohnern vereinbart, der aber nie konsequent umgesetzt wurde.

In der Folge sah sich die Stadt gezwungen, härtere Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehörte auch die Auflage, dass Außengastronomie-Betreiber ihre Tische und Stühle bereits um 22 Uhr einräumen müssen. Begründet wurde dies mit Lärmmessungen, die angeblich eine Überschreitung der Grenzwerte belegten.

OVG Münster: Keine Beweise für Gastronomie als Hauptverursacher

Eine betroffene Gastronomin wehrte sich dagegen – und bekam nun in zweiter Instanz Recht. Das OVG stellte fest: Die Stadt habe keine ausreichenden Belege dafür vorgelegt, dass die Außengastronomie für die nächtlichen Grenzwertüberschreitungen verantwortlich sei. Denkbar sei auch, dass die Lautstärke von Passanten oder feiernden Gruppen auf dem Platz ausgehe.

Damit kippt das Gericht die pauschale Auflage einer „Früh-Sperrstunde“. Außengastronomie wird nicht länger als Hauptschuldige abgestempelt, ohne dass konkrete Daten dies belegen. Für die Gastronomiebranche ist das ein starkes Signal: Städte dürfen Auflagen nur dann verhängen, wenn eine klare, nachweisbare Verbindung zwischen Betrieb und Lärmbelastung besteht.

Ein zweiter Beschluss im Hintergrund: Lärm darf nicht ignoriert werden

Parallel dazu hatte das OVG bereits im September 2023 entschieden, dass die Stadt Köln insgesamt mehr tun muss, um gesundheitsgefährdenden Lärm am Brüsseler Platz einzudämmen. Dort überschreiten die Werte nachweislich regelmäßig die Schwelle von 60 Dezibel, ab der Lärm als gesundheitsgefährdend gilt.

Das Gericht fordert die Stadt auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen – bis hin zu Alkoholverboten, Verweilregelungen oder sogar einer Sperrung des Platzes. Es zeigt sich: Einerseits dürfen Städte nicht untätig bleiben, wenn Nachtruhe massiv verletzt wird. Andererseits dürfen sie nicht wahllos einzelne Branchen bestrafen, ohne Beweise vorzulegen.

Was das Urteil für Münster bedeutet

Für Münster ist die Signalwirkung klar. Auch hier gibt es Orte, an denen Nachtleben und Wohnen dicht aufeinandertreffen:

  • Hafen/Kreativkai: Dort wohnen viele Menschen in direkter Nachbarschaft zu Bars und Restaurants. Anwohner beklagen regelmäßig nächtlichen Lärm und Verkehrsprobleme.

  • Kuhviertel/Jüdefelder Straße: Klassisches Kneipenviertel, in dem sich besonders am Wochenende Hunderte zum Feiern treffen. Beschwerden über „Cornern“ und Straßenlärm sind dort ein Dauerthema.

  • Aasee-Wiesen: Hier gibt es zwar keine direkten Anwohner, aber wiederkehrende Probleme mit nächtlichen Partys, Boxenlärm und Müll. In der Vergangenheit reagierte die Stadt mit Aufenthaltsverboten.

Das OVG-Urteil zeigt: Münster könnte nicht einfach pauschal Sperrstunden oder harte Auflagen für Gastronomie verhängen, wenn keine eindeutigen Beweise vorliegen. Gleichzeitig ist die Stadt aber verpflichtet, Lärmbelästigungen wirksam einzudämmen, wenn Werte gesundheitsgefährdend werden.

Balance zwischen Anwohnern und Gastronomie

Die Botschaft aus Münster lautet: Effektiver Schutz ja, aber mit Augenmaß. Ordnungsbehörden müssen differenziert prüfen, wer oder was die Lärmquelle ist – und dann gezielt einschreiten. Das kann mehr Ordnungskräfte oder Polizeipräsenz bedeuten, zeitlich begrenzte Alkoholverbote oder Verweilregelungen. Was nicht geht: pauschal ganze Branchen oder Gastronomien zu belasten, wenn deren Anteil nicht bewiesen ist.

Für die Gastronomie ist das Urteil ein wichtiges Signal, dass ihre Rolle differenziert betrachtet wird. Für Anwohner bedeutet es gleichzeitig, dass ihre Rechte auf Nachtruhe gestärkt sind, wenn Lärm tatsächlich gesundheitsgefährdend ist.

Münster zwischen Szene und Nachtruhe

Das OVG Münster hat mit seinen Entscheidungen die Spielregeln für die Nachtkultur neu justiert: Städte müssen handeln – aber sie müssen es rechtskonform und evidenzbasiert tun. Für Münster heißt das: Am Hafen und im Kuhviertel dürfte die Diskussion über Lärmschutz und Ausgehkultur weiter Fahrt aufnehmen.

Die Herausforderung lautet nun, eine Nachtpolitik zu entwickeln, die sowohl lebendige Szeneorte erhält als auch Anwohnern Ruhe garantiert. Ein Spagat, den viele Städte derzeit zu bewältigen haben – mit Münster als Schauplatz wegweisender Urteile.

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