
Ahaus. Bevor die Castor-Behälter aus dem Forschungszentrum Jülich überhaupt rollen, formiert sich bereits Widerstand – und zwar aus zwei völlig unterschiedlichen Lagern. Sowohl die Gewerkschaft der Polizei (GdP) als auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) schlagen Alarm. Ihre gemeinsame Sorge: Der geplante Transport von hochradioaktivem Material quer durch Nordrhein-Westfalen sei aktuell weder sicher für die Einsatzkräfte noch für die Bevölkerung entlang der Strecke.
Für die Polizei NRW wäre der Einsatz eine logistische und physische Herausforderung. Hunderte Beamtinnen und Beamte sollen die Castor-Transporte begleiten, um mögliche Proteste und Angriffe abzuwehren. Doch bislang, so die GdP, fehlt ein verbindliches Strahlenschutzkonzept. Der Landesvorsitzende Patrick Schlüter mahnt, es müsse endlich klar geregelt sein, wie Polizistinnen und Polizisten vor radioaktiver Strahlung geschützt werden.
Beim letzten großen Castor-Transport im Jahr 1998 war die Vorgabe simpel, aber bezeichnend: Abstand halten. Männliche Einsatzkräfte durften sich nur kurzzeitig in der Nähe der Behälter aufhalten, weibliche Einsatzkräfte gar nicht. Dass eine solche Regelung heute nicht mehr zeitgemäß ist, steht außer Frage. Die Gewerkschaft fordert daher verbindliche Sicherheitsstandards, bevor auch nur ein Behälter bewegt wird – andernfalls sei ein kurzfristiger Transport aus Arbeitsschutzgründen „nicht vertretbar“.
Parallel zum Polizeieinsatz sehen Umweltorganisationen den geplanten Transport kritisch – aus völlig anderen Gründen. Der BUND NRW prüft derzeit zehntausende Seiten Genehmigungsunterlagen und hat beim Gericht Eilantrag gegen die Transporte gestellt. Denn viele der vorgesehenen Strecken führen über Brücken, deren Zustand alles andere als vertrauenerweckend sei.
„Wenn eine dieser Brücken nachgibt, steht im schlimmsten Fall ein Castor im Vorgarten“, warnen Vertreter des Umweltverbands. Der BUND fordert, keine Transporte zu starten, bevor ein Gericht die Sicherheit der Routen bestätigt hat. Bis dahin müsse das Land NRW auf den Start verzichten – eine Forderung, deren Umsetzung bislang offen ist.
Das Zwischenlager in Ahaus ist seit Jahrzehnten ein Symbol für den ungelösten Umgang mit Atommüll in Deutschland. Schon in den 1990er Jahren sorgten Transporte dorthin für massive Proteste. Auch diesmal formiert sich Widerstand – nicht nur von Umweltgruppen, sondern zunehmend auch aus Sicherheitskreisen.
Während die Polizei auf den Schutz der eigenen Kräfte pocht, sieht der BUND die Bevölkerung in Gefahr. Beide Seiten eint die Kritik an der politischen Eile, mit der die Transporte offenbar vorangetrieben werden sollen. Noch steht kein konkreter Termin fest, doch hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen längst. Ob und wann die Castoren tatsächlich nach Ahaus rollen, hängt nun von rechtlichen Entscheidungen und politischem Willen ab.
Bis dahin bleibt die Debatte offen – und die Stimmung angespannt. Einmal mehr zeigt sich, dass Atommüll in Deutschland nicht nur strahlt, sondern auch Konflikte entfacht, die weit über Ahaus hinausreichen.