
Münster. Der Bahnverkehr in Westfalen-Lippe steht vor einer ernsthaften Belastungsprobe. Der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) warnt, dass unkoordinierte Bauarbeiten, verschobene Infrastrukturprojekte und fehlende Ausweichstrecken in den kommenden Jahren dazu führen könnten, dass der Schienenpersonennahverkehr in Teilen der Region massiv eingeschränkt wird – bis hin zum zeitweisen völligen Ausfall einzelner Verbindungen.
Nach Angaben des NWL führen derzeit eine Vielzahl unkoordinierter Baumaßnahmen, kurzfristige betriebliche Eingriffe und verschobene Infrastrukturprojekte zu Belastungen auf zentralen Strecken. Teilweise liege Baurecht bereits vor, die Umsetzung verzögere sich jedoch weiterhin. Besonders Regionen mit nur einer Hauptverbindung – etwa Teile von Ostwestfalen-Lippe, dem Hochsauerland oder dem Siegerland – seien dadurch anfällig für Einschränkungen, da Ausweichstrecken meist fehlten. Ersatzverkehre per Bus könnten nach Einschätzung des Verbandes die Fahrzeiten und Kapazitäten des Zugverkehrs oft nicht angemessen abfangen.
Zudem verweist der NWL auf die geplante Generalsanierung des Bundes, die im nordwestdeutschen Raum zu monatelangen Streckensperrungen führen soll. Betroffen sind unter anderem die Korridore Dortmund–Hamm, Hamm–Minden und Münster–Lünen.
Der NWL berichtet, dass Bahnfahrten für viele Pendlerinnen und Pendler zunehmend schwer planbar seien. In ländlichen Regionen könne der Rückzug auf Auto oder Bus langfristig Auswirkungen auf die Mobilität haben. Auch Fördermittel gerieten nach Angaben des Verbandes unter Druck, wenn verschobene Bauarbeiten dazu führten, dass Fristen nicht eingehalten werden. In solchen Fällen seien Modernisierungs- und Ausbauprojekte – etwa bei Bahnsteigen, Elektrifizierungen oder Knotenpunkten – gefährdet.
Mit der Initiative „SPNV unter Druck – Westfalen-Lippe handelt gemeinsam“ möchte der Verband eine engere Abstimmung zwischen allen Beteiligten erreichen. Ziel ist laut NWL, Bauphasen besser planbar zu machen, regionale Interessen stärker einzubringen und Finanzierungsrahmen flexibler zu nutzen. Schuldzuweisungen stünden dabei nicht im Mittelpunkt; vielmehr gehe es um praktikable Lösungen, die auf Erfahrungen aus der Region beruhen. Der Verband setzt auf eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und den Infrastrukturverantwortlichen.
Der NWL weist darauf hin, dass umfassende Sanierungsprogramme grundsätzlich notwendig seien, die Auswirkungen auf den ländlichen SPNV jedoch nicht ausreichend berücksichtigt würden. Verzögerungen bei Baufristen setzten geplante Projekte unter Druck und könnten zum Verlust dringend benötigter Fördermittel führen.
Der Zweckverband ist für den Schienenpersonennahverkehr einer Region mit rund 5,7 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von 19.400 Quadratkilometern zuständig. Während Verkehrsunternehmen in seinem Auftrag fahren, liegt die Verantwortung für die Infrastruktur bei DB InfraGO. Vor diesem Hintergrund fordert der NWL eine stärkere Einbindung in Planungsabläufe.
Der Verband bietet Kommunen, Organisationen und Interessierten die Möglichkeit, die Initiative online zu unterstützen. Die Registrierung ist unter www.nwl-info.de/spnv-unter-druck möglich.
Nach Einschätzung des NWL wird entscheidend sein, Planung, Bau und Betrieb künftig enger zu verzahnen, um die Stabilität des Nahverkehrs in Westfalen-Lippe langfristig zu sichern.