
Über Nordrhein-Westfalen sind derzeit wieder große Kranichschwärme am Himmel zu beobachten. Mit ihren charakteristischen Rufen ziehen sie in Richtung Südwesten und nutzen dabei NRW als wichtiges Durchzugsgebiet. Der aktuelle Kälteeinbruch wirkt dabei wie ein Startsignal für viele Tiere, die im Herbst zunächst geblieben waren.
In diesem Jahr hatten sich viele Kraniche zunächst gegen den klassischen Herbstzug entschieden. Die Temperaturen blieben lange mild, offene Böden ermöglichten ausreichend Nahrung. Erst jetzt, mit sinkenden Temperaturen und gefrorenen Flächen, wird es für zahlreiche Tiere ungemütlich. Der NABU spricht in diesem Zusammenhang von einer vorsorglichen „Winterflucht“.
Besonders häufig sind die Vögel aktuell über einem breiten Korridor zu sehen, der von Norddeutschland über Nordrhein-Westfalen weiter nach Hessen, Rheinland-Pfalz und ins Saarland führt. Von dort setzen viele Schwärme ihren Weg nach Frankreich fort. NRW gilt in diesen Tagen als regelrechtes „Fenster“ des Kranichzugs, in dem sich tausende Tiere bündeln.
Entscheidend für den Aufbruch ist weniger die Kälte selbst, sondern der Schnee. Eine geschlossene Schneedecke oder gefrorene Böden erschweren die Nahrungssuche erheblich. Auch flache Gewässer, die den Kranichen nachts als sichere Schlafplätze dienen, können zufrieren. In solchen Situationen weichen die Vögel kurzfristig in mildere Regionen aus.
Aktuell profitieren viele Schwärme von günstigen Windverhältnissen, die den Flug nach Südwesten erleichtern. Anders als oft angenommen, fliegen nicht alle Tiere direkt bis Spanien. Viele legen Tagesetappen ein und steuern zunächst Rastgebiete in Frankreich an. Besonders bekannt ist der Lac du Der-Chantecoq, wo sich in starken Zugphasen hunderttausende Kraniche sammeln können.
Langfristig zeigt sich eine deutliche Verschiebung im Zugverhalten. Immer mehr Kraniche überwintern inzwischen in Deutschland oder in unmittelbarer Nachbarschaft. Laut NABU nutzen rund 400.000 sogenannte Westzieher den westeuropäischen Zugweg, wobei Frankreich und Spanien inzwischen die wichtigsten Winterquartiere sind. Wird es im Winter wieder milder, kehren manche Tiere sogar kurzfristig nach Deutschland zurück.