
Ein Mann tötet mehrere Menschen nacheinander auf grausame Weise, die Presse spricht von einem Serienmörder. Doch was genau bedeutet dieser Begriff, und wie hat er sich entwickelt? Im Folgenden wird erklärt, wie Kriminologie, Psychologie, Medien und Strafverfolger den Begriff Serienmörder geprägt haben – von den ersten bekannten Fällen über die wissenschaftliche Definition bis zur Abgrenzung gegenüber Einzeltätern oder Massenmördern.
Serienmord bezeichnet das wiederholte Töten mehrerer Menschen durch denselben Täter in getrennten Taten. Wichtig ist dabei die zeitliche Trennung der Tötungsdelikte: Zwischen den Morden liegen Pausen – sogenannte Abkühlphasen – die Tage, Wochen oder Monate dauern können. Dadurch unterscheidet sich Serienmord von Massenmord, bei dem ein Täter an einem Ort zur gleichen Zeit mehrere Opfer tötet (etwa bei einem Amoklauf). Ebenfalls abzugrenzen ist der Spree-Killer oder Rauschmörder: Dieser tötet in kurzer Abfolge an verschiedenen Orten, jedoch ohne dazwischen liegende Abkühlphasen. Ein Serienmörder hingegen kehrt typischerweise zu einem scheinbar „normalen“ Alltag zurück, bevor er erneut zuschlägt.
In der Kriminalistik existieren unterschiedliche Definitionen des Serienmords, je nach Fachautor oder Behörde. Meist wird eine Mindestzahl von Tötungen gefordert – häufig drei Morde, gelegentlich genügen schon zwei. Ebenso diskutiert werden die Dauer der Zwischenpausen und die Motivlage. Eine verbreitete Arbeitsdefinition stammt vom US-amerikanischen National Institute of Justice (NIJ) aus dem Jahr 1988: Demnach ist Serienmord „eine Serie von zwei oder mehr Morden, die als getrennte Ereignisse begangen werden und meistens, aber nicht immer, von einem Einzeltäter. Die Verbrechen können sich innerhalb einer Zeitspanne von Stunden bis zu Jahren ereignen. Das Motiv ist oft psychologischer Natur, und das Verhalten des Täters sowie die physischen Beweise am Tatort weisen sadistische, sexuelle Untertöne auf.“ Diese Definition betont neben der Mehrzahl an Taten vor allem die psychologischen Motive und häufig sexuelle Gewalttaten.
Die US-Bundespolizei FBI definierte 1992 in ihrem Crime Classification Manual Serienmord zunächst enger als drei oder mehr Morde in unabhängigen Ereignissen an unterschiedlichen Orten, mit erkennbarer emotionaler Abkühlung dazwischen. Kritiker bemängelten jedoch, dass solche Kriterien zu eng gefasst sind – etwa würden dadurch Mörder wie John Wayne Gacy oder Dean Corll nicht erfasst, weil sie ihre vielen Opfer jeweils am selben Ort töteten. Inzwischen verwendet das FBI eine flexiblere Begriffsbestimmung ohne Ortswechsel-Kriterium: „…die gesetzeswidrige Tötung von zwei oder mehr Opfern durch denselben Täter in separaten Ereignissen.“
Im deutschsprachigen Raum gibt es mangels eigener Gesetzesnorm keine amtliche Legaldefinition von „Serienmord“. Fachautoren wie der deutsche Kriminalist Stephan Harbort definieren Serienmörder allgemein als Täter, der in getrennten Handlungen mindestens drei Menschen vorsätzlich tötet. Zusammengefasst: Ein Serienmörder ist kein Massenmörder im herkömmlichen Sinn, sondern ein Täter, der mehrfach tötet und dazwischen immer wieder in den Alltag zurückkehrt. Er begeht mindestens zwei bis drei Morde in zeitlichem Abstand. Oft handelt er aus inneren Motiven wie Machtstreben, Sexualtrieb oder anderen psychologischen Beweggründen – im Gegensatz zu etwa politisch motivierten Terroranschlägen oder kurzfristigen Amoktaten.
Serienmord ist kein Phänomen der Neuzeit. Bereits in der Antike gab es Menschen, die mehrfach töteten: Die römische Giftmischerin Lucusta soll im 1. Jahrhundert n. Chr. mehrere Opfer vergiftet haben (ihr wird u.a. die Ermordung des Kaisers Claudius zugeschrieben). Im Spätmittelalter wurde 1440 der französische Adelige Gilles de Rais wegen der Tötung von über 100 Kindern hingerichtet. Auch die ungarische Gräfin Elisabeth Báthory (1560–1614) ging als blutrünstige Mehrfachmörderin in die Geschichte ein – ihr werden Folter und Mord an hunderten jungen Frauen vorgeworfen. Diese Beispiele zeigen: Menschen, die serielle Gewalttaten begehen, gab es schon immer. Allerdings wurden sie damals noch nicht mit dem heutigen Begriff belegt. Man betrachtete sie als bizarre Einzelfälle oder sprach von „Massenmördern“, da eine begriffliche Differenzierung fehlte.
Erst Ende des 19. Jahrhunderts rückte das Konzept des Serienmords ins öffentliche Bewusstsein – insbesondere durch den unheimlichen Londoner Unbekannten, der sich selbst „Jack the Ripper“ nannte. Im Herbst 1888 wurden in Londons Armenviertel Whitechapel innerhalb weniger Wochen fünf Prostituierte brutal ermordet. Die nie aufgeklärte Mordserie löste einen beispiellosen Medienrummel aus: Zeitungen rund um den Globus berichteten über die grausigen Taten. Jack the Ripper gilt damit als erster Serienmörder der Mediengeschichte. Seine düsteren Briefe an die Presse (die mit „Dear Boss“ begannen) und die Tatsache, dass er nie gefasst wurde, schürten Mythenbildungen und Spekulationen, die bis heute anhalten. Obwohl Jack the Ripper keineswegs der erste Mehrfachtäter der Geschichte war, wurde er zum Prototyp des „seriellen Schlitzers“, der weltweit Angst und Faszination zugleich erzeugte.
Im 20. Jahrhundert prägten weitere Fälle die öffentliche Vorstellung vom Serienmörder. In Deutschland sorgten die Verbrechen von Fritz Haarmann (der „Schlächter von Hannover“) und Peter Kürten (der „Vampir von Düsseldorf“) in den 1920er Jahren für Schlagzeilen. Beide töteten zahlreiche Menschen und wurden letztlich gefasst und hingerichtet. Ihre Taten – sexualisierte Morde an Jugendlichen bzw. Frauen – schockierten die Weimarer Republik und führten zu intensiver Berichterstattung in der Presse. Der Berliner Kriminalpolizist Ernst Gennat, der 1930 die Ermittlungen im Kürten-Fall leitete, gilt als einer der ersten, der das Phänomen analytisch beschrieb. Gennat prägte in einem Aufsatz von 1930 bereits den Ausdruck „Serien-Mörder“ für den unbekannten Täter von Düsseldorf. Damit führte er den Begriff in die deutsche Fachsprache ein – unabhängig von der späteren angloamerikanischen Terminologie.
International machte der Franzose Henri Désiré Landru von sich reden: Er hatte während des Ersten Weltkriegs zehn Frauen und einen Jungen getötet und wurde 1921 in Paris verurteilt. Bereits damals titulierten Zeitungen Landru ausdrücklich als „Serienmörder“– ein bemerkenswerter Gebrauch des Begriffs, Jahrzehnte bevor er offiziell in der Kriminologie an Bedeutung gewann. In den USA tauchten in den 1950er und 1960er Jahren ebenfalls ähnliche Bezeichnungen auf: So sprach der Kriminologe James Reinhardt 1957 von „chain killer“ („Kettenmörder“), und 1966 verwendete der Autor John Brophy den Begriff „serial murder“ in einem Buchtitel.
Die eigentliche Popularisierung des Ausdrucks “serial killer” (englisch für Serienmörder) wird oft dem FBI-Mann Robert K. Ressler zugeschrieben. Ressler behauptete, er habe den Terminus in den 1970er Jahren geprägt. Tatsächlich war das Wort, wie gesehen, schon früher in Umlauf – jedoch verhalf Ressler ihm zum Durchbruch im allgemeinen Sprachgebrauch. Ab Mitte der 1970er kam es zu einer Häufung vielbeachteter Serienmordfälle in den USA. Namen wie Ted Bundy, David Berkowitz („Son of Sam“), John Wayne Gacy oder der nie gefasste Zodiac-Killer dominierten die Schlagzeilen. Die Öffentlichkeit reagierte mit gleichermaßen Schaudern und Neugier, während die Polizei vielerorts vor neuartigen Herausforderungen stand. In diesem Klima begannen Experten systematisch über Serienmörder zu sprechen.
Ressler und Kollegen führten den Begriff „serial killer“ bei Ermittlern ein und interviewten in einem Forschungsprojekt zahlreiche inhaftierte Serienmörder, um deren Verhalten zu verstehen. Seit den 1980er Jahren ist der Begriff „Serienmörder“/„serial killer“ weltweit verbreitet und wird sowohl in den Medien als auch in der Kriminologie fest verwendet.
Statistisch gesehen waren besonders die USA im 20. Jahrhundert vom Serienmord-Phänomen betroffen – rund 76 % aller bekannten Serienmörder jener Zeit stammten den Aufzeichnungen nach aus den Vereinigten Staaten. Gründe könnten sowohl in der Bevölkerungsgröße und Mobilität als auch in der intensiven kriminalistischen Erfassung liegen. Gleichwohl hat auch Europa berüchtigte Fälle hervorgebracht, wie etwa den Londoner „Yorkshire Ripper“ Peter Sutcliffe oder den sowjetischen Serienmörder Andrei Tschikatilo in den 1970er/80er Jahren.
Insgesamt lässt sich historisch ein Wandel feststellen: Früher galten Serienverbrecher als unglaubliche Ausnahmefälle oder schaurige Legenden. Heute versteht man Serienmord als eigenes kriminalistisches Phänomen mit definierten Merkmalen. Die Begriffsbildung vollzog sich schrittweise, beeinflusst von realen Fällen (etwa Jack the Ripper), von wissenschaftlicher Terminologie (z.B. Gennats „Serien-Mörder“) und der verstärkten Aufmerksamkeit durch moderne Medien und internationale Kooperation der Strafverfolger.
Was treibt einen Menschen dazu, wiederholt zu morden? Diese Frage beschäftigt Kriminologen und Psychologen seit langem. In der frühen Kriminologie des 19. Jahrhunderts versuchte man, angeborene Veranlagungen für Verbrechen zu finden – der italienische Anthropologe Cesare Lombroso etwa suchte nach körperlichen Merkmalen eines „geborenen Verbrechers“. Solche verallgemeinernden Theorien erwiesen sich jedoch als unzureichend, um das extreme Verhalten von Serienmördern zu erklären. Heute sind sich Experten einig, dass kein einzelnes Merkmal und keine einfache Ursache für Serienmord verantwortlich ist.
Stattdessen wirken meist mehrere Faktoren zusammen: biologische Veranlagungen, persönliche Entwicklung, psychische Traumata und situative Einflüsse formen im seltenen Extremfall einen Serienmörder. Auffällig häufig zeigen Serienmörder jedoch bestimmte Gemeinsamkeiten in ihrer Biografie: Gewalterfahrungen in der Kindheit, Vernachlässigung, der frühe Verlust naher Bezugspersonen oder Missbrauch werden überproportional oft bei Tätern festgestellt. Viele entwickeln schon in der Jugend grausame Fantasien und eine Faszination für Gewalt.
In der Psychologie spricht man häufig von soziopathischen oder psychopathischen Zügen bei Serienmördern. Tatsächlich weisen viele dieser Täter eine schwere Form der Antisozialen Persönlichkeitsstörung auf – gekennzeichnet durch Empathielosigkeit, Manipulationsneigung und fehlendes Schuldbewusstsein. „Sie haben keine Emotionen“, beschreibt etwa der deutsche Profiler Stephan Harbort die von ihm befragten Serienmörder: Diese Männer erzählen von ihren Taten oft nüchtern und ohne Mitgefühl. Dennoch sind Serienmörder keine geisteskranken „Wahnsinnigen“ im klassischen Sinn – die Mehrheit ist voll schuldfähig und weiß genau, was sie tut. Nur ein kleiner Teil handelt unter wahnhaften Vorstellungen oder Stimmen (sogenannte visionäre Täter).
Kriminologisch unterscheidet man verschiedene Typen von Serienmördern nach ihrem Motiv und Modus Operandi. Ein gängiges Schema stammt von den Kriminologen Ronald Holmes & Stephen Holmes, die vier Grundtypen benennen:
Tatsächlich weisen viele Fälle Überschneidungen dieser Kategorien auf. Häufig sind sexuelle Motive im Spiel – in einer Studie von 1995 hatten 232 von 387 untersuchten Serienmördern ihre Opfer sexuell missbraucht. Doch es gibt auch andere Antriebe: Einige Serienmörder handeln aus finanzieller Gier (z.B. Seriengiftmörder, die Familienangehörige der Versicherungssumme wegen töten), aus krankhaftem Aufmerksamkeitsbedürfnis (etwa Täter, die sich als „Retter“ inszenieren, nachdem sie selbst die Opfer in Not brachten) oder aus ideologischer Verblendung. Das FBI nennt als mögliche Motive u.a. Wut, Spannungssuche (Thrill), materiellen Gewinn und Aufmerksamkeitssuche.
Lange Zeit dominierte in der öffentlichen Vorstellung das Bild vom sexuell getriebenen Einzelgänger mit psychosexueller Störung. Zwar trifft dies auf einige der berüchtigtsten Serienkiller zu (etwa lustmordende Täter wie Ted Bundy oder Edmund Kemper). Aber neuere Forschungen zeigen, dass es kein einheitliches Profil gibt. Serienmörder sind eine heterogene Gruppe. Entgegen dem Mythos vom „sozialen Außenseiter“ sind viele erstaunlich unauffällig und integriert: Nicht wenige haben Familie, Beruf und wirken nach außen normal – bis ihre Taten aufgedeckt werden. Ebenso ist Serienmord keine männliche Domäne allein. Zwar sind die meisten Serienmörder Männer, doch es gab auch weibliche, von der Antiquität (Lucusta) bis zur Neuzeit (z.B. Aileen Wuornos in den USA). Frauen begehen Serienmord allerdings oft mit anderen Methoden (Gift statt offene Gewalt) und teils aus anderen Motiven (materielle Vorteile, „Engel-des-Todes“-Syndrom bei Pflegerinnen, etc.).
Serienmörder üben eine unheimliche Faszination auf die Öffentlichkeit aus. Seit den Tagen von Jack the Ripper – als sensationshungrige Zeitungen jedes Detail der grausigen Whitechapel-Morde ausschlachteten – haben Medien zur Bekanntheit des Phänomens wesentlich beigetragen. In vielen Fällen erhielten Serienkiller griffige Beinamen, oft von Journalisten geprägt: der „Boston Strangler“, der „BTK-Killer“ (Bind, Torture, Kill) oder in Deutschland der „Rosenkiller“ und andere. Diese Label machen die Täter zu berühmt-berüchtigten Figuren. Manche Serienmörder suchten selbst aktiv die mediale Aufmerksamkeit – etwa indem sie Briefe an Zeitungen schickten (Jack the Ripper, der Zodiac-Killer) oder am Tatort Botschaften hinterließen (wie „Son of Sam“ in New York). Das steigert die öffentliche Hysterie oft noch. So wurde aus einem unaufgeklärten Prostituiertenmord in England eine weltweite Ripper-Mythologie, die bis heute literarisch und filmisch verarbeitet wird.
Im 20. Jahrhundert wuchs mit Fernsehen und später Internet die mediale Präsenz weiter. Serienmörder wurden zu Protagonisten unzähliger Bücher, Filme und True-Crime-Dokumentationen. Vom Roman „Psycho“ (inspiriert durch den Gräber-Schänder Ed Gein) über Kinoerfolge wie „Das Schweigen der Lämmer“ bis hin zu heutigen Serien wie „Mindhunter“ oder „Dexter“: Das Thema ist allgegenwärtig. Diese populärkulturelle Verarbeitung führt einerseits zu breitem Interesse an realen Fällen – True-Crime-Magazine und Podcasts boomen – andererseits aber auch zu Verzerrungen. Drehbuchautoren überhöhen Täter zu diabolischen „Genies“ oder stilisieren die Jagd nach ihnen als nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel. Die Realität ist oft banaler. Dennoch beeinflussen solche Darstellungen, was Laien über Serienmörder denken. Experten warnen vor gängigen Mythen: Nicht alle Serienmörder sind hochintelligente Einzelgänger oder sexuell gestört – und sie sind auch nicht alle mental krank. Viele Klischees stammen eher aus Hollywood als aus Fallakten.
Die Medien spielen jedoch nicht nur in der Wahrnehmung, sondern auch in der Aufklärung eine Rolle. Öffentlichkeitsfahndungen über TV und Zeitungen haben schon zur Ergreifung von Serienverbrechern beigetragen, indem z.B. Zeugenhinweise kamen oder Muster erkannt wurden. Gleichzeitig kann reißerische Berichterstattung die Ermittlungen erschweren – etwa wenn falsche Panik geschürt oder Täter durch Berühmtheit indirekt ermutigt werden. In den USA gab es Fälle, in denen Serienmörder durch mediale „Ruhmestitulierung“ erst recht angespornt wurden, weiterzumachen, um ihren Status zu sichern. Die Gratwanderung zwischen notwendiger Information der Bevölkerung und ungewollter Glorifizierung beschäftigt Polizei und Medien bis heute. Viele Redaktionen achten inzwischen darauf, verantwortungsvoll zu berichten, um keinen Täter-„Kult“ zu fördern.
Die Aufklärung von Serienmorden stellt besondere Anforderungen an die Strafverfolgungsbehörden. Da Serienkiller über längere Zeiträume und oft in verschiedenen Regionen agieren, war es traditionell schwierig, einzelne Morde miteinander in Verbindung zu bringen. Früher gingen etliche Serientäter deshalb jahrelang unerkannt ihrem Handwerk nach. Ein Wendepunkt war die Professionalisierung des Profilings und der Fallanalyse. Wie erwähnt, verfasste Ernst Gennat 1930 wohl das erste Täterprofil der Geschichte, als er den unbekannten Düsseldorfer Frauenmörder charakterisierte. Ein weiterer Pionier war der New Yorker Psychiater James Brussel, der in den 1950ern ein Profil des „Mad Bomber“ (eines Serienbombenlegers) erstellte und in den 60ern die Polizei im Fall des „Boston Stranglers“ beratend unterstützte. Solche frühen Erfolge zeigten, dass man aus Tatmustern Rückschlüsse auf den Täter ziehen kann.
Ab den 1970er Jahren institutionalisierten vor allem die USA die Serienmörder-Forschung bei der Polizei. Das FBI gründete eine Behavioral Science Unit (BSU), die später in der Behavioral Analysis Unit (BAU) aufging, und startete das Criminal Personality Research Project. Ermittler wie Ressler und John Douglas befragten systematisch inhaftierte Mörder, um Muster zu erkennen. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in Handbücher und Trainings ein. In den 1980ern richtete das FBI schließlich das National Center for the Analysis of Violent Crime ein, zu dem auch eine Datenbank namens ViCAP (Violent Criminal Apprehension Program) gehört. ViCAP sammelt Details unaufgeklärter Gewaltverbrechen landesweit, um mögliche Serienzusammenhänge zu entdecken – ein frühes Beispiel für computerbasierte Serienfall-Analyse.
Auch international wurde diese Methode übernommen. Europäische Polizeien schulten in den 1990ern ihre Beamten nach FBI-Vorbild. In Deutschland entstand beim Bundeskriminalamt (BKA) und einigen Landeskriminalämtern eigene Einheiten für Operative Fallanalyse (OFA), um Serientäter zu überführen. Bekannte deutsche Profiler wie Axel Petermann oder Alexander Horn trugen dazu bei, dass heute auch hierzulande komplexe Serienmorde systematisch analysiert werden. Man greift dabei auf Programme wie ViCLAS zurück – ein kanadisch entwickeltes Datenbanksystem, das Tötungs- und Sexualdelikte erfasst und mit dessen Hilfe Zusammenhänge zwischen Fällen erkannt werden können. So lässt sich etwa feststellen, ob in verschiedenen Bundesländern ähnliche Tathergänge auf einen selben Täter hindeuten.
Neben Technik und Profiling ist internationale Kooperation ein Schlüssel: Serienmörder halten sich nicht an Landesgrenzen. Fälle wie der „Grenzüberschreitende“ (Jack Unterweger, ein österreichischer Mörder, der auch in den USA tötete) zeigten, dass Polizeibehörden weltweit Informationen austauschen müssen. Interpol und länderübergreifende Ermittlungsgruppen kommen zum Einsatz, wenn grenzüberschreitende Serien vermutet werden.
Trotz aller Fortschritte sind Serienmörder schwer zu fassen. Viele von ihnen wirken zunächst unscheinbar und wählen Opfer aus Randgruppen (z.B. Prostituierte, Ausreißer), was deren Verschwinden weniger auffällig macht. Die Ermittlungsarbeit gleicht oft einem Puzzle: unterschiedliche Tatorte, verschiedene Zuständigkeitsbereiche und manchmal lange Zeiträume machen die Beweissicherung kompliziert. Doch moderne Forensik (DNA-Datenbanken, geografische Profilanalyse) erhöhen die Chancen, Verbindungen zwischen Fällen herzustellen. Wenn schließlich ein Verdächtiger gestellt wird, folgt häufig akribische Kleinarbeit, um ihm alle Taten nachzuweisen – viele Serienmörder bestreiten nämlich ihre Schuld oder gestehen nur teilweise.
Es ist ein Täter, der wiederholt und in Serie mordet – getrieben von persönlichen Motiven, in Abgrenzung zu einmaligen oder am selben Ort gebündelten Taten.
Die heutige Definition hat sich aus historischen Erfahrungen und wissenschaftlicher Diskussion entwickelt. Wo früher jeder Mehrfachmörder einfach als „Massenmörder“ bezeichnet wurde, wissen wir heute: Serienmord besitzt eigene Merkmale. Die Kriminologie und Psychologie haben herausgearbeitet, dass Serienmörder keine uniformen „Monster“ sind, sondern Individuen mit komplexen Hintergründen und Motiven. Medien haben das Bild des Serienmörders in der Gesellschaft geprägt – vom Schreckgespenst Jack the Ripper bis zur Faszinationsfigur in True-Crime-Serien. Und die Strafverfolgungsbehörden haben gelernt, mit speziellen Methoden auf diese Herausforderung zu reagieren.
Trotz aller Erkenntnisse bleibt Serienmord ein schwer fassbares Phänomen. Vielleicht liegt darin ein Teil seiner makabren Anziehungskraft: Es konfrontiert uns mit den dunkelsten Abgründen menschlichen Handelns, die sich einer einfachen Erklärung entziehen. Doch genau deshalb bleibt es wichtig, die Frage „Was ist ein Serienmörder?“ immer wieder sachlich zu beleuchten – historisch fundiert, wissenschaftlich gestützt und ohne romantisierende Verzerrung. Nur so lässt sich der Mythos vom Serienmörder entmystifizieren und auf seinen realen Kern zurückführen.