
Nadine K. führt im Frühjahr 2013 ein scheinbar glückliches Leben in Emskirchen, Mittelfranken. Die 34-Jährige steht kurz vor ihrer Traumhochzeit mit ihrem Verlobten Roy E. Nur noch wenige Wochen sind es bis zum geplanten Termin. Gemeinsam betreibt das Paar einen kleinen Landgasthof im Ort und zieht Nadines junge Tochter groß. Freunde und Familie erleben Nadine als lebensfrohe Frau, die voller Vorfreude Hochzeitsvorbereitungen trifft. Umso größer ist der Schock, als Nadine eines Tages spurlos verschwindet – ohne Hinweis darauf, warum oder wohin. Am Abend ihres Verschwindens kehrt sie nicht nach Hause zurück. Roy E. meldet seine Verlobte am nächsten Morgen bei der Polizei als vermisst, während Nachbarn und Angehörige fieberhaft hoffen, dass es eine harmlose Erklärung gibt.
Die Suche nach der vermissten Braut
Unverzüglich startet die Polizei umfangreiche Suchmaßnahmen. Beamte befragen Familie, Freunde und Dorfbewohner, doch niemand hat Nadine seit dem Vortag gesehen. Feuerwehr und freiwillige Helfer durchkämmen die umliegenden Wälder und Felder, während Taucher die nahe gelegene Aisch absuchen. Schließlich stoßen Einsatzkräfte auf Nadines Auto, verlassen abgestellt am Rand einer Landstraße unweit des Flusses. Dieser Fund erhärtet die Befürchtung, dass der jungen Frau etwas zugestoßen sein könnte. Wenige Tage später dann die traurige Gewissheit: In der Aisch entdeckt ein Suchtrupp eine Frauenleiche. Es ist Nadine K., die mit ihren 34 Jahren nicht mehr lebend zu ihrer Hochzeit erscheinen wird.
Die Kriminalpolizei behandelt den Fall nun als Tötungsdelikt. Rechtsmediziner bestätigen, was die Ermittler schon ahnten: Nadine wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Die Obduktion ergibt, dass sie erwürgt wurde. Offenbar hat der Täter versucht, die Spuren zu verwischen, indem er die Leiche im Fluss versenkte. Doch die Ermittler finden am Ufer und an Nadines Kleidung erste Hinweise. Fasern, Fußabdrücke im Uferbereich und andere subtile Spuren werden akribisch gesichert. Parallel rekonstruieren die Beamten Nadines letzte Stunden. Hatte sie Streit mit jemandem?
Gab es ungewöhnliche Telefonate oder Treffen am Tag ihres Verschwindens? Stück für Stück entsteht ein Bild der Ereignisse: Nadine verließ am Abend ihres Verschwindens den gemeinsam geführten Gasthof – angeblich, um Erledigungen zu machen. Doch wohin sie tatsächlich fuhr, bleibt unklar. Es gibt keine Hinweise auf Treffen mit Fremden oder auf eine lange geplante Flucht. Schnell richten sich die Ermittlungen deshalb auf das nähere Umfeld der jungen Frau.
Die Polizei konzentriert sich bald auf Roy E., den 36-jährigen Verlobten der Toten. Er war der letzte Mensch, der Nadine lebend gesehen haben will, und sein Verhalten wirft Fragen auf. Zunächst zeigt sich Roy als besorgter Partner: Er gibt in Interviews den verzweifelten Bräutigam, der um seine verschwundene Liebste bangt. Doch hinter den Kulissen stoßen die Ermittler auf Unstimmigkeiten. Roys zeitliche Angaben zu seinem Aufenthaltsort in der fraglichen Nacht sind widersprüchlich, und Zeugen berichten von Spannungen in der Beziehung.
Auch in der gemeinsamen Gastwirtschaft soll es kurz vor Nadines Verschwinden einen heftigen Streit gegeben haben. Während die Dorfgemeinschaft noch hofft, der Bräutigam habe mit der Tat nichts zu tun, verdichten sich die Indizien gegen ihn. Schließlich gerät Roy E. offiziell ins Visier der Ermittlungen. Die Polizei durchsucht das Wohnhaus und den Gasthof des Paares. Dabei stellen sie potenzielle Beweismittel sicher: Kleidungsstücke und Teppiche, die möglicherweise Fasern von Nadines Kleidung tragen, sowie Roys Mobiltelefon und Computer. Forensische Analysen sollen klären, ob sich Spuren von Nadine in Roys Auto oder an seiner Kleidung finden. Roy bestreitet vehement, etwas mit dem Verschwinden und Tod seiner Verlobten zu tun zu haben. Dennoch wird er wenige Wochen nach dem Leichenfund unter dringendem Tatverdacht festgenommen.
Im Herbst 2014 beginnt vor dem Schwurgericht des Landgerichts Nürnberg-Fürth der Mordprozess gegen Roy E. Die Anklage wirft ihm vor, aus niederen Beweggründen und heimtückisch gehandelt zu haben – juristische Merkmale, die einen Mord kennzeichnen. Obwohl es keinen direkten Augenzeugen gibt, präsentiert die Staatsanwaltschaft eine Fülle von Indizien: Roys widersprüchliche Aussagen zum Tatabend, Mikrospuren von Nadines Hautzellen in seinem Kofferraum und an seinem Werkzeug, sowie Handydaten, die seine Bewegung nahe des Fundorts belegen, ergeben in ihrer Gesamtheit ein belastendes Bild.
Sachverständige sagen aus, dass Nadines Verletzungen auf manuelles Würgen hindeuten – eine Tat, die typischerweise in engem persönlichem Umfeld passiert. Zudem gibt es Berichte über Roys auffälliges Verhalten kurz nach dem Verschwinden: Statt an Suchaktionen teilzunehmen, soll er versucht haben, sich ein Alibi zu verschaffen, indem er Bekannte bat, falsche Zeiten zu bestätigen. All das zeichnet aus Sicht der Ermittler das Bild eines Täters, der die eigene Hochzeit nutzen wollte, um argloses Vertrauen auszunutzen und ein Verbrechen zu begehen.
Vor Gericht zeigt sich Roy E. gefasst, fast regungslos. Er beteuert in jeder Verhandlungssitzung seine Unschuld. Sein Verteidiger stellt alternative Theorien in den Raum, um Zweifel an Roys Täterschaft zu säen. So wird ins Spiel gebracht, ein unbekannter Täter könne Nadine auf dem Nachhauseweg abgepasst, entführt und getötet haben. Vielleicht, so spekuliert die Verteidigung, sei ein früherer Gast des Gasthofs oder ein verschmähter Verehrer der eigentliche Mörder – jemand, der die Braut aus Eifersucht oder Rache ermordete, während Roy zufällig zur falschen Zeit unter Verdacht geriet. Diese Hypothesen werden jedoch durch die Beweisaufnahme widerlegt.
Kein Anhaltspunkt deutet auf eine fremde Person hin, und insbesondere fehlt jegliches Motiv Dritter, derart grausam zuzuschlagen. Die Staatsanwaltschaft entkräftet die Alternativszenarien systematisch: Weder passen die zeitlichen Abläufe zu einem unbekannten Täter, noch gibt es Spuren, die auf eine andere Person hinweisen. Das einzige konkrete Motiv, das erkennbar ist, liegt im persönlichen Bereich – möglicherweise Beziehungskonflikte oder verletzte Ehre. Während der mehrwöchigen Verhandlung äußert Roy sich nur selten. Wenn er spricht, streitet er jede Verantwortung ab. Emotionen zeigt er vor allem, wenn Nadines Mutter als Zeugin auftritt und unter Tränen von der innigen Liebe ihrer Tochter zu Roy berichtet. Doch auch dieser Moment bringt kein Geständnis – Roy beharrt bis zuletzt darauf, dass „der wahre Mörder noch frei herumläuft“. Die Geschworenen müssen letztlich entscheiden, welcher Darstellung sie Glauben schenken.
Im Urteilsspruch folgt das Schwurgericht im Wesentlichen der Anklage. Roy E. wird des Mordes an Nadine K. schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er seine Verlobte heimtückisch getötet hat – also in einer Situation, in der sie arg- und wehrlos war. Dieses Mordmerkmal der Heimtücke war nach Überzeugung der Richter gegeben, denn Nadine ahnte nicht, dass ihr eigener Partner ihr nach dem Leben trachtete. Vermutlich wurde sie im Vertrauen auf Roy in eine Falle gelockt oder im Schlaf überrascht. Als Mordmotiv stellt das Gericht persönliche Gründe fest: möglicher Konflikt um finanzielle Dinge im Gasthof, Eifersucht oder der Wunsch, sich aus der Beziehung zu lösen, ohne die Konsequenzen einer Trennung tragen zu müssen. Zwar bleibt das genaue Motiv diffus – Roy schweigt hierzu beharrlich – doch die Indizienkette lässt für das Gericht keinen vernünftigen Zweifel an Roys Täterschaft. Die von der Verteidigung aufgeworfenen alternativen Theorien bezeichnet der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung als „fernliegend“ und nicht glaubhaft. Zu gut passen die Puzzleteile zusammen, die Roy belasten, zu konstruiert wirken dagegen die Erklärungsversuche für einen unbekannten Täter. Mit der Verkündung des Urteils endet ein Indizienprozess, der die Region monatelang beschäftigt hat. Nadines Familie nimmt das Urteil mit Erleichterung auf – doch wahre Genugtuung will nicht aufkommen. Für sie bleibt der Verlust der Tochter und Mutter unermesslich.
Auch Jahre nach dem Schuldspruch gibt der Fall keine völlige Ruhe. Roy E. hat seine Strafe in der Justizvollzugsanstalt begonnen, doch innerlich hat er den Kampf noch nicht aufgegeben. Ein Jahrzehnt ist vergangen, seit Nadine sterben musste, und Roy sitzt weiterhin hinter Gittern – laut Gerichtsurteil als Mörder seiner Verlobten. Noch immer beteuert Roy seine Unschuld an Nadines Tod und wirkt verbittert über das Urteil. Er erzählt von seinen Plänen, einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen. Tatsächlich hat er über die Jahre hinweg jeden Strohhalm genutzt: Mehrfach prüften seine Anwälte, ob neue Beweise oder Zeugenaussagen eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen könnten. Bislang ohne Erfolg – das Urteil ist rechtskräftig, und die Hürden für ein neues Verfahren sind hoch. Roy jedoch klammert sich an die Hoffnung. Er hofft, dass irgendwann ein bislang unbekannter Hinweis auftaucht, der seine Unschuld beweisen könnte. Solange das nicht geschieht, bleibt er lebenslänglich verurteilt. Die Ermittler von damals haben keine Zweifel an Roys Täterschaft: Für sie ist der Fall Nadine K. abgeschlossen und der „Brautmörder von Emskirchen“ hinter Schloss und Riegel.