Im August 2020 plante der Fitness-Influencer Sammy Baker, dessen bürgerlicher Name Samuel Seewald war, eine besondere Feier zu seinem 23. Geburtstag. Der sportbegeisterte und lebensfrohe junge Mann war bekannt für seine Disziplin und Leidenschaft. Nach Monaten der Pandemie wollte er mit Freunden in Amsterdam feiern, einer Stadt, die für ihre lockere Atmosphäre bekannt ist. Als ehemaliger Sportstudent und Umweltmanagement-Absolvent hatte Sammy kaum Berührungspunkte mit Alkohol oder Drogen. Dennoch entschied sich die Gruppe, in Coffeeshops einzukehren und Cannabis sowie sogenannte Space-Cookies zu konsumieren. Dies, so wurde später vermutet, war der Auslöser für eine akute Psychose – eine gefährliche Entwicklung, die niemand vorhersah.
Kurz nach dem Konsum von Cannabis veränderte sich Sammys Verhalten dramatisch. Er wurde paranoid, zeigte ungewöhnliche Ängste und irrte planlos durch die Stadt. Seine Freunde merkten schnell, dass etwas nicht stimmte, und versuchten, ihn zu beruhigen. Doch Sammy zog sich immer mehr zurück. Während dieser Tage schien er kaum Schlaf zu finden, kehrte nur sporadisch in die Unterkunft zurück und ließ sich nicht beruhigen. Seine Freunde alarmierten schließlich Sammys Mutter Justine, in der Hoffnung, dass sie ihren Sohn erreichen könnte. Die Familie hatte bis dahin keinerlei Erfahrung mit psychischen Erkrankungen, weshalb die Tragweite der Situation zunächst nicht erkannt wurde.
Sammys Mutter machte sich sofort auf den Weg nach Amsterdam, als sie von der verzweifelten Lage ihres Sohnes erfuhr. Als sie ihn am 13. August 2020 in einem Stadtteil der niederländischen Hauptstadt fand, bot sich ihr ein erschütterndes Bild. Sammy war kaum wiederzuerkennen. Mit einer verspiegelten Sonnenbrille, die er nicht absetzen wollte, und einem misstrauischen Verhalten zeigte er klare Anzeichen der Verwirrung. Er ließ niemanden an sich heran und verweigerte das Angebot, mit seiner Mutter nach Hause zu fahren. Für Justine war die Situation unbegreiflich – sie versuchte alles, um zu ihm durchzudringen. Doch Sammy vertraute selbst seinen engsten Angehörigen nicht mehr. Ein befreundeter Begleiter der Familie suchte schließlich einen Polizisten auf, um Unterstützung zu erhalten. Diese Entscheidung sollte sich als fatal erweisen.
Nach der Begegnung mit dem Polizisten rannte Sammy in Panik davon. Es folgte eine Verfolgung, die in einem kleinen Innenhof endete. Videos von Anwohnern zeigen, wie mehrere Polizisten mit gezogenen Waffen und Pfefferspray versuchten, den verwirrten jungen Mann zu überwältigen. Sammy hielt ein kleines Taschenmesser, das ihm seine Mutter Jahre zuvor geschenkt hatte, an seinen Hals – eine verzweifelte Geste, die er wohl als Aufforderung verstand, ihn in Ruhe zu lassen. Dennoch griff ein Hundeführer ein, warf Sammy von hinten zu Boden. Sekunden später schossen zwei Polizisten insgesamt vier Mal auf ihn. Sammy starb noch am Tatort. Augenzeugen berichten, dass die Beamten ihn auch nach den Schüssen fesselten, obwohl er bereits regungslos war.
Die Polizei erklärte später, aus Notwehr gehandelt zu haben, da Sammy angeblich eine Gefahr für die Beamten darstellte. Doch zahlreiche Ungereimtheiten widersprechen dieser Darstellung. Eine Londoner Forschergruppe rekonstruierte den Vorfall anhand von Augenzeugenvideos und kam zu dem Schluss, dass Sammy keine unmittelbare Bedrohung für die Beamten war. Auch Bodycams der Einsatzkräfte funktionierten angeblich nicht, was weitere Fragen aufwarf. Zudem befand sich ein Sanitäter mit psychiatrischer Zusatzausbildung in der Nähe, wurde jedoch nicht hinzugezogen. Der Fall zeigt ein gravierendes Missmanagement der Situation und wirft ein schlechtes Licht auf die Einsatzstrategie der niederländischen Polizei.
Sammys Eltern kämpfen bis heute für Gerechtigkeit. Obwohl sie Strafanzeige gegen die beteiligten Polizisten gestellt haben, wurden bisher keine Anklagen erhoben. Die Staatsanwaltschaft stützt sich weiterhin auf die Notwehr-Behauptung. Für die Familie ist dies ein unhaltbarer Zustand. Gemeinsam mit Anwälten und Unterstützern versuchen sie, den Fall neu aufzurollen. Gleichzeitig haben sie eine Initiative ins Leben gerufen, um auf die fehlende Schulung von Polizisten im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen aufmerksam zu machen. Ihr Ziel ist es, nicht nur Gerechtigkeit für ihren Sohn zu erlangen, sondern auch zukünftige tragische Vorfälle zu verhindern.
Für Sammys Eltern bedeutete der Tod ihres Sohnes nicht nur einen unermesslichen Verlust, sondern auch eine Verpflichtung. Die Mutter betont immer wieder, dass sie nicht nur für Sammy kämpft, sondern auch für andere Betroffene. Sie fordert europaweite Reformen in der Polizeiausbildung und ein Umdenken im Umgang mit Menschen in psychischen Krisen.
Über vier Jahre nach dem Tod von Sammy Baker bleibt die Frage offen, ob die Wahrheit jemals vollständig ans Licht kommen wird. Für die Eltern ist klar: Ihr juristischer und gesellschaftlicher Kampf geht weiter. Der Fall Sammy Baker ist ein tragisches Beispiel dafür, wie mangelnde Schulung und falsche Entscheidungen in einer Krisensituation ein junges Leben beenden können. Die Hoffnung der Familie bleibt, dass diese Tragödie dazu beiträgt, nachhaltige Veränderungen herbeizuführen und andere Leben zu retten.